Einer, der es wissen muss, ist der örtliche Tourismusverantwortliche, G.M. Dar. Mister Dars Büro befindet sich mitten auf der in Sommermonaten fotogenen, aber jetzt noch sumpfigen Wiese, in einem typischen Gulmarghaus: grünes Giebeldach auf grüner Holzfassade und weisse Fensterrahmen. «Das sind Gerüchte», sagt er ohne Umschweife. «Die Regierung hat zwar angekündigt, dass sie Gulmarg privatisieren wolle. Aber sie versteht das im Sinne von Entwicklungshilfe.» Über die Zukunft des Skiresorts will er nichts weiter sagen. Viel lieber erzählt er von den vielen Einzigartigkeiten Gulmargs: Die gelben Gondeln, von der französischen Firma Pomagalski gebaut, tragen die Passagiere in zwei Etappen bis auf den 4390 Meter hohen Afarwatgipfel. Der untere Teil der Seilbahn wurde 1998 eröffnet, der obere im Mai 2005.
Die Demarkationslinie zwischen Pakistan und Indien liegt nur wenige Kilometer von Gulmarg entfernt, irgendwo windet sie sich zwischen den hohen Gipfeln durch. Dass man an diesem Ort nicht viel davon spürt und trotzdem permanent daran erinnert wird, dafür sorgt das Militär. Es ist freundlich, aber allgegenwärtig. Den indischen TouristInnen ists trotzdem wohl. In der Gondel zeigt eine Frau mit ausgestreckter Hand hinüber zum Bergmassiv auf der andern Seite des Kaschmirtals und sagt: «So schön! So wunderschön ist nicht einmal die Schweiz! Und dann ist das hier erst noch alles echt!»
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Gulmarg ist tatsächlich nicht vergleichbar mit unseren Skiorten, auch wenn die Prospekte etwas anderes versprechen. Es gibt keine bewohnten Chalets, auch keine Ansässigen. Die einzigen Matratzen befinden sich in Polizei- und Armeecamps. Und in den siebzehn Hotels. 700 Betten hat es heute, über 4000 sollen es bis in drei Jahren sein. Es hat keine Cafés und keine Läden, dafür einfache Snack- und Teeshops. Ausserdem gibt es einen Golfplatz, den Rani-Tempel, die St.-Mary’s-Kirche, einen kleinen See und Pisten, von denen Skibegeisterte in aller Welt schwärmen - in Snowboardmagazinen und in Internetforen.
Wer Gulmargs traumhafte Abfahrten beschwört, der ist mindestens ebenso angetan von zwei Männern hier: Jasin Khan und Hamid Dar. Ihnen gehört der einzige Ski- und Snowboardverleih mit modernen Ausrüstungen, der Kashmir Alpine Ski Shop. Sie sind die beiden Instanzen, wenn es um Touren, Expeditionen und sonstige Abenteuer in diesem Gebirge geht. Und sie sind diejenigen, die mit Ido Neiger aus Israel zusammengespannt haben, um im Rahmen des Projekts «Mission Gulmarg 2006» die Qualität auf den Pisten zu verbessern - von erster Hilfe für TouristInnen bis zu Lawinenüberwachung und Gondelevakuationen. Den Laden eröffneten die beiden 1985. Fünf Jahre lief es gut, doch «ab 1990 kamen fast keine ausländischen Touristen mehr. Seit letztem Jahr läuft es nun wieder besser», sagt Jasin Khan. InderInnen habe es immer gehabt, doch die sind für sein Geschäft weniger interessant: «Sie fahren zwar auch Ski, aber maximal eine Stunde.»
Und sicher nicht im Tiefschnee. Dass es diesen auf einem ganzen, rund fünf Quadratkilometer grossen Berghang hat, ist auch der Grund, weshalb Ido, der sonst im kanadischen Winterskiort Whistler lebt, hierher kommt. «Es ist das beste Skigebiet, das ich kenne», sagt er auf einem Plastikstuhl vor dem Kashmir Alpine Ski Shop sitzend. Er lacht, als ich von ihm wissen will, ob er tatsächlich daran glaubt, dass künftig hordenweise junge, pulververrückte WestlerInnen nach Kaschmir fliegen werden - an einen Ort, in dem es gerade mal einen einzigen wackeligen Internetanschluss gibt. Und weder Bar noch Alkohol. Auch kaum brauchbare Ausrüstung - ausser bei Jasir und Hamid natürlich.