Auf der Suche nach dem Restschneeskifahren
Wetter(Ruhr) 25.1.2013
Ich schreibe nur wenige Berichte hier im Forum, aber wenn ich es mal tue, fallen sie meistens aus dem üblichen Schema heraus. Gestern, nach einer viel zu langen Feier mit viel zu kurzer Nacht am Vorabend, war wieder einer dieser Tage und ich schäle mich aus dem Bett mit dem Vorsatz, ein kleines Abenteuer zu basteln...
Ich lebe im Ruhrgebiet, dem bevökerungsreichsten Ballungsgebietes in Deutschland, fern ab der Alpen, nur das Sauerland ist für nennenswerte kleine Skiabstecher in Tagestourreichweite. Seit mehr als einer Woche liegt eine geschlossene Schneedecke und es herrscht Dauerfrost. Ein Wetter, wie man es in diesen Breitengraden nicht jeden Winter vorfindet. Von meinem nächsten Urlaub trennen mich noch zwei Wochen, das Wochenende ist zwar frei, aber warum sollte ich mich an einem Samstag in Winterberg & Co. von 10.000 holländischen Freunden tottrampeln lassen? Ich lebe in einer Kleinstadt am Rande des Ruhrpotts nur wenige hundert Meter Luftlinie von dem Fluss entfernt, der der Region ihren Namen gibt. Hier wird es langsam hügelig, die "höchsten" Erhebungen direkt am Fluss in meinem Wohnort Wetter (ja, das heißt wirklich so) erreichen 250m Höhe, der Harkortsee, die hier aufgestaute Ruhr, liegt auf 90m - macht 160 Meter Höhenunterschied - so mancher Hang in Winterberg hat weniger... Der Harkort"berg" - ich kann auch nichts dafür, dass der Industriepionier Friedrich Harkort hier gelebt hat und alles nach im benannt wurde - ist durchgängig bewaldet und fällt mit seinen Hängen wahrlich steil zum Seeufer hin ab.
Blick vom Harkortberg flußaufwärts. Unterhalb meines Standortes ist der Hang felsig durchsetzt mit einigen senkrechten Steilstufen. Etwas links des großen Kraftwerkschornsteins erkennt man eine angedeutete Waldschneise einer Hochspannungsleitung. Das nächste Bild ist genau vom Beginn dieser Schneise entgegengesetzt in Richtung meines aktuellen Standortes fotografiert.
Ich kenne das Gebiet gut vom Joggen, es ist mit zahlreichen Wanderwegen durchzogen. Ob es eine bis runter zum See irgendwie machbare Linie gibt, vermag ich zu Beginn des Tages noch nicht zu sagen. Egal wo ich einsteige, es wird viel durch den Wald gehen und im unteren Teil sind die Hänge eigentlich durchgängig mit viel Gestrüpp zugewachsen. Es liegen mit guten Willen 5 bis 10cm halbwegs gesetzter Schnee, zum Glück habe ich meine alten Ski der Vorjahre aufgehoben und somit erstmalig echtes GWG-Gerät (GWG= Gras-Wiese-Geröll, falls jemandem diese forumsgängige Abkürzung noch nicht geläufig sein sollte) zur Verfügung.
Das wichtigste Equipment steht bereit, mit dabei natürlich auch die GoPro-Kamera mit Brustgurt. Die Mehrzahl der Fotos ist aus den GoPro-Videos extrahiert, der Videozusammenschnitt erzählt die Geschichte aber sicherlich am besten.
Eigentlich nichts Auffälliges auf diesem Bild, wären da nicht die komischen Hasenohren des Schattens, der Grund ist klar.
*tuuut* *tuuut* "Bist du schon wach und zu Hause?" "Ja, wieso?" "Frag nicht, komm einfach mal kurz mit deiner Kamera vor die Tür."
Auf dem Weg die Straße durchs Wohngebiet den Hügel hinauf befürchte ich mehrfach, einen Verkehrsunfall auszulösen, zu viele Autofahrerköpfe drehen sich im Vorbeifahren scheinbar unabwendbar in meine Richtung. Als ich eine kleine Schlittenwiese erreiche fragt ein kleines Kind:"Papa, was macht der Mann da?" "Du, so ganz genau weiß ich das auch nicht.". Oben angekommen, am "Kamm" entlang wandernd ,fragt mich eine ältere Spaziergängerin, warum ich hier oben im Flachen nun meine Langlaufski nicht anziehen würde. Ich kläre sie über die Art des mitgeführten Wintersportgerätes auf und verweise auf meine Suche nach fahrbarem Gefälle. Sie blickt hinab in die Tiefe zum See, hält kurz inne und fragt mit beinahe mitleidigem Unterton "Aber ein Handy haben sie dabei, oder?"
"Oben" angekommen, geht es gemütlich quer am Hang entlang auf der Suche nach einem Einstieg. Hier kommt mir ein Mountainbiker entgegen, der sich bis zu jener Begegnung heute wohl noch für den extremsten Sportler an diesem Ort hielt.
Hier ist der Buchenwald verhältnismäßig licht, ich will es versuchen.
Absatteln, Bergschuhe aus, Skischuhe an...
Los gehts. Die dünne Schneeauflage macht den Waldboden zwar schnell wie eine Skipiste, aber beim Aufkanten passiert relativ wenig, Laub gibt eben nur wenig Halt.
Nach 80 Höhenmetern muss ich aufgeben, unter mir ist nur noch Fels. Ich steige wieder auf zum Ausgangspunkt.
Über einen Wanderweg quere ich ein Stück und versuche es noch einmal.
Der See als Ziel ist immer in Sichtweite.
Auch hier ist irgendwann Ende. Nach rechts kommen erneut Felsen, geradeaus türmen sich beim besten Willen nicht zu durchfahrende Mauern aus Dornbüschen. Gegenüber ist die Schneise unter den Strohmleitungen zu sehen, die ich schon auf dem ersten Foto des Berichts angesprochen habe. Ich beschließe, es dort erneut zu versuchen.
Der Ausblick ist wirklich schön, von der Kulisse her muss sich mein Heimathügel also vor echten Mittelgebirgsskigebieten nicht verstecken.
Allerdings kenne ich diese Ecke aus dem Sommer nur zu gut und das ist auch der Grund, warum ich die Schneise unter der Stromleitung nicht als erste ausprobiert habe. Im Sommer wachsen hier dichte Fahnkrautfelder und es liegt viel zu wenig Schnee um sie zu überdecken. Ständig fädeln sich trotz Rücklage die Skispitzen ein. Springen, mit Schwung durch - mehrfach verliere ich die Ski.
Die Schneise verliert sich auf dem unteren Stück im Wald, jetzt heißt es einfach nur irgendwie durchwurschteln - hauptsache mit Brettern an den Füßen!
Ich stoße auf einen alten Bauweg der sich zwar auch wieder im Gestrüpp verläuft, jedoch bringt er mich dem Ziel ein weiteres Stück näher.
Die Straße m See ist in Sichtweite.
Die letzten Meter auf den letzten Krümmeln Schnee.
Ich warte bis kein Auto kommt um niemanden zu verschrecken und zum Lenkradverriss zu verleiten, dann falle ich förmlich aus dem Gebüsch in den schneegefüllten Graben der L675.
Auf dem Ruhrtalradweg, einem der im Sommer am meisten genutzten Fahrradwege Deutschlands, skate ich zurück flußabwärts in Richtung Wetter.
Sonst ziehe ich hier immer in Laufschuhen meine Runden.
Vom See aus muss ich einen kleinen Weg ein paar dutzend Höhenmeter aufsteigen um zu meiner Wohnung zu gelangen. Ich kann nicht widerstehen und stoche ihn, trotz einiger eingelassener Treppen und obwohl ich fast vor meiner Haustüre stehe, nocheinmal hinab, dann ist es gut.
Das Video erzählt die Geschichte in dynamischen Bildern, die Reihenfolge der Szenen am Ende nach der Ankunft an der Straße habe ich etwas vertauscht.
Noch am selben Abend setzt von Westen her das angekündigte Tauwetter mit Regen ein - heute, einen Tag später, ist ein Großteil des Schnees bereits Geschichte.
