Dies ist nun der fünfte und letzte Teil meiner Balkantour, der Vollständigkeit halber verlink ich auch gern noch die vorherigen Teile:
1 – Von München über Budapest und Belgrad nach Sutomore
2 – Von Sutomore mit möglichst viel Zug nach Trebinje in Bosnien und Herzegowina
3 – Von zerstörten Hotels in Kupari, aber nicht nur...
4 – Ein bisschen wandern, Fähre fahren und Strände suchen
Dieser Teil ist jetzt wieder deutlich bahnlastiger, dennoch bezieht sich mein sehr ausführlicher Bericht weiterhin aufs Reisen und die wunderbaren Erlebnisse dabei, und natürlich auch darauf, wie ich von A nach B gekommen bin. Die Fotos zeigen dabei Tickets, Verkehrsmittel, Landschaften und Städte, und sind mit einer kleinen Handkamera aufgenommen, teilweise auch durch Scheiben (Zug, Bus, Fähre) hindurch, sodass die Qualität nicht immer die Beste ist. Wen das stört, der möge an dieser Stelle lieber aufhören zu lesen. Und alle anderen lade ich ein, meine persönliche Reise mit zu erleben.
Auch hier teile ich gern zur Einstimmung wieder ein Lied, dieses Mal aus Slowenien als letztes passiertes ex-jugoslawisches Land. Diese Stewardessen haben sich aber leider nicht im Zug um das Wohl der Fahrgäste gekümmert: Samo ljubezen (Nur Liebe).
Von Split zurück nach München mit Zwischenübernachtung in Zagreb
Wieder starte ich mit einer Karte, dieses Mal sind aber die letzten zwei Etappen drauf.
A – Split, 1 – Zagreb, B – München; und wie immer fuhr ich entlang der gelben Strecken
Auf direktem Weg ging ich also aus der Wohnung zum Bahnhof von Split, die Strecke war ja nicht sonderlich weit. Ich entschied mich aber für den etwas längeren Weg über die Autobrücke und nicht für den über die Gleise (was wohl auch erlaubt oder zumindest nicht geahndet gewesen wäre).
Um kurz vor 14h war ich dann am Bahnhof, also knapp 30min vor der fahrplanmäßigen Abfahrt. Somit ist hier wohl noch genug Zeit, erstmal meine Tickets zu zeigen.
Für 69,90€ hatte ich einen Sparpreis Kroatien 1. Klasse im Reisezentrum in München gekauft. Die inkludierte Sitzplatzreservierung konnte ohne Probleme im EC 212 ausgestellt werden (war aber unsinnig, da ich meinen Reiseplan änderte), im ICN 522 (InterCity Nagibni) konnte hingegen nur in der 2. Klasse reserviert werden, deshalb der handgeschriebene Vermerk und Stempel auf der Rückseite. Die neue Reservierung (Wagon 1, Platz 25) hatte ich mir am Vortag schon am kroatischen Schalter geholt.
An diesem Tag saßen einige Leute in der Wartehalle, die wohl auch denselben Zug wie ich nehmen wollten, die elektronischen Anzeiger wiesen allerdings 23min Ankunfts-Kasni (Verspätung) für den ICN 521 aus, da konnte man sich fast ausrechnen, dass der Gegenzug mit Abfahrt 14:21 auch nicht pünktlich abfahren würde.
So war zumindest noch genug Zeit, ein bisschen mehr im und am Bahnhof rumzuschaun, z.B. hingen ausgewählte landwirtschaftlich schönen Interrail-Strecken aus.
So ganz nachvollziehen konnt ich die Auswahl aber nicht, denn zwischen Knin und Karlovac war die Strecke auch sehr schön (nicht nur bei Nr. 5 zwischen Split und Knin), ebenso war der serbische Teil von Belgrad nach Bar ja auch sehr hübsch (vgl. Nr. 17).
Auf der großen Karte war neben den Hauptstädten des Baltikums nur die Weltstadt Šeštokai markiert.
Als ich die Wartehalle verließ stand auf dem Nachbargleis noch der reichgeschmückte Regionalzug nach Kaštel Stari herum.
Dann nahm ich den schon am Vortag gesehenen Autotransportwagen unter die Lupe, bzw. das Gegenstück, denn eigentlich müssten ja mindestens zwei dieser Wagen zwischen Zagreb und Split in Benutzung sein.
Platz für 10 Autos?
Hier geht’s auf den Wagen.
In einem kleinen Supermarkt besorge ich mir noch Softdrinks und was zum knabbern. Ein wenig hatte ich auf eine 1.-Klasse-Verpflegung (Getränk + Sandwich) spekuliert, die auf einer sehr alten Website erwähnt war – evtl. gabs das mal früher, jetzt auf jeden Fall nicht mehr. Aber auch egal. Ein bisschen sollte ich es allerdings noch bereuen, kein Fahrtbier gekauft zu haben. Wobei ich andererseits auch denke: alles ist ja nur genau so passiert, weil ich mich genau auf eine bestimmte Art verhalten hab und bestimmte Dinge getan oder nicht getan hab...
Direkt nach dem Bahnsteig verschwinden die Züge in einem Tunnel, der ein Großteil von Split unterquert.
Gegen 14:20 fuhr dann der ICN aus Zagreb ein.
Ein paar zukünftige Fahrgäste waren sehr ungeduldig und querten kurz vor dem Zug das entsprechende Gleis. Ein energisches Hupen hielt zumindest die restlichen Fahrgäste von der leichtsinnigen Querung ab. Vorgesehen ist wohl, dass der Zug erst einfährt und dann die Fahrgäste in Ruhe auf das entsprechende Gleis wechseln.
Auf den ersten Bahnsteig kann man mit dem Auto fahren, drive-in-Bahnhof sozusagen.
Mein Sitzplatz war noch mit ner Zeitung und leeren Bierdosen des/der Vorgänger okkupiert, naja macht ja nix.
Der Tisch war übrigens ein Ärger, man konnte ihn irgendwie hochklappen jedoch gelang es mir irgendwie nicht, diesen dann wieder komplett in eine horizontale und gleichzeitig stabile Position zu bringen, das sollte im späteren Verlauf noch zu verschütteten Getränken führen. Immerhin hatte der eine Mitsitzer auf der gegenüberliegenden Gangseite dieselben Probleme...
Bei den Fotos jetzt geh ich mal nicht ganz chronologisch vor. Witzigerweise bin ich direkt am Wochenende danach auch in Deutschland mit demselben Zugtyp (RegioSwinger) von Augsburg nach Oberstdorf gefahren. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, vorher schon mal mit diesem Zugtyp gefahren zu sein. Auf jeden Fall hab ich auch ein paar Vergleichsbilder gemacht.
Schaut etwas hochwertiger aus, der deutsche Nahverkehr, find ich.
Hier sieht man auch die typischen Sprachen in deutschen Zügen, der kroatische Text wurde oberhalb davon hingeklebt.
Im ICN gabs eine großzügige Gepäckablage und gegenüber eine Toilette.
Zusätzlich gabs eine zweite Toilette und eine „Minibar“, wo man Getränke kaufen konnte (in Bezug auf das vorherige Bild hinter mir, nicht fotografiert).
Im deutschen RegioSwinger gabs in diesem Bereich nur eine Toilette und einen Mehrzweckbereich mit Klappsitzen.
Die Züge zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass sich zwischen dem 1. Klasse-Bereich ganz am Ende des Zugs und dem 2. Klasse-Bereich noch ein abgetrennter Bereich mit 2 Vierergruppen befindet. In den kroatischen Zügen gehörten diese 8 Plätze zur 1. Klasse und waren relativ voll besetzt. In den deutschen Regionalzügen war hingegen eine zweitklassige Kinderspielecke eingerichtet.
Der Bereich in dem mein reservierter Platz lag war hingegen eher leer, wir waren nur zu dritt auf 16 Plätzen. Leider wurden die Fahrscheine extrem schnell kontrolliert, noch im Tunnel in Split gleich nach der Abfahrt. Das ermöglichte leider nur ein paar sehr flüchtige Bilder der Abstellanlagen in Split-Predgrađe, wo zum Beispiel ungarische Liegewagen und kroatische Zweite-Klasse-Wagen auf ihren Einsatz warteten.
In (ich vermute) Kaštel Stari kam uns ein Regionalzug entgegen.
Von dort konnte man nochmal in Richtung Split zurückschaun, die Halbinsel Marjan wirkt tatsächlich schön unverbaut.
Die Strecke verläuft oft am Hang entlang, wobei Gelände aufgeschüttet oder abgetragen wurde, teilweise auch mit Einschnitten. Vom Gefühl her gabs aber relativ wenige Brücken und Tunnel
Dieses Bild ist nicht halb-schwarz-weiß und halb in Farbe, es hat wohl diesen Sommer in dieser Gegend leider auch gebrannt.
Schön fügt sich die Strecke in die Landschaft ein, ich mags wenn keine Straßen in unmittelbarer Nähe sind.
Bevor die Strecke aus Šibenik bei Perković in unsere Strecke einmündet verlaufen beide Strecke ein Stückchen parallel.
Dort gabs dann schon wieder einen Gegenzug, wobei dieser wohl nach Šibenik und nicht nach Split verkehrte, und das etwas verspätet, vielleicht wurden wir ja abgewartet...
Auch das Bahnhofsgebäude von Drniš war recht schmuck.
Vom Stil her sind diese zwei Gebäude ja sehr ähnlich, der Unterschied liegt eher im Detail, z.B. in den etwas unterschiedlich geschichteten Steinen, einem flachen Anbau oder der Zahl der Flaggen (einmal mit EU-Flagge, einmal ohne).
In Knin standen Bauzüge rum.
Der Bahnhof bestach durch seine zweckmäßige, formvollendete Architektur.
Hier zweigt dann auch die Strecke nach Zadar ab.
Auch das Kroatien abseits der Küste ist landschaftlich sehr reizvoll, keine Ahnung, warum dieser Abschnitt auf der Interrail-Karte nicht als landschaftlich schön aufgenommen war.
Bewaldete Berge wechselten sich mit Ebenen ab. Nennenswerte Bilder hab ich dann bis Zagreb aber leider nicht mehr gemacht. Einerseits wurde es dann schon langsam dunkel, andererseits war ich da schon auch intensiv mit meiner neuen, eher ungewollten Bekanntschaft beschäftigt…
Sagen wirs mal so: die anderen zwei Leute in meinem Sitzbereich waren Kroaten, ein älterer Herr und ein Soldat. Der ältere Herr war angenehm, aber nicht kommunikativ. Der Soldat hingegen telefonierte lautstark, öffnete eine Dose Bier nach der andern und rauchte. Der ältere Herr bekam im Gegenzug immerhin ein „Bestechungsbier“, was dieser aber bis Zagreb nicht anrührte.
Zwischenzeitlich kam noch ein Franzose aus dem anderen 1.-Klasse-Bereich zu uns und schmollte. Kurz danach kam ein Mädel, wahrscheinlich seine Freundin und die beiden hatten sich ziemlich in der Wolle. Irgendwann wars aber wohl wieder OK, und er ging zurück zu seinen anderen Leuten.
In irgendeinem Bahnhof, ich vermute Gračac, kam dann eine Durchsage, ich verstand aber nur was mit dvadeset, also zwanzig. Der Soldat nahm das zum Anlass, mich zu fragen, ob ich denn rauchen würde, denn der Zug würde hier außerplanmäßig 20min halten. Das verneinte ich: „Aber ein Bier hätte ich ganz gerne. Das kann man doch im Zug kaufen, oder?“ - „Ja, aber das ist zu teuer. Hier, nimm ein Bier von meinen.“ Da war das Eis gebrochen und ich musste natürlich mit rausgehn und wir kamen ins Gespräch. Auch mit dabei war die vorher streitende Französin, die aber sehr unsicher war, ob man sich denn wirklich aus dem Zug herauswagen kann. Jedes Mal wenn sich die Tür schloss drückte sie panisch auf den Knopf, sodass sie auf keinen Fall irgendwo in der kroatischen Pampa zurückgelassen wird. Daraufhin kam der Zugbegleiter, der ebenfalls außen rauchte, und stellte die Tür auf dauer-offen, sehr zuvorkommend!
Nun ja: als es in den Zug zurückging unterhielten sich der Soldat, ich nenn ihn mal Stefan, und ich weiter. Relativ schnell erfuhr ich, dass ich sein vorletztes Bier bekommen hatte. Und ich musste mir dann gleich anhören (da ich langsamer als er trank), dass ich ja nicht so ganz typisch Deutsch/Bayrisch wäre...
Das Gespräch selbst geb ich jetzt auch mal nicht chronologisch wider, sondern die Inhalte, die mir so in Erinnerung blieben, weil ich das Ganze dann doch irgendwie surreal fand. Lief alles auf Englisch, obwohl Stefan zwischenzeitlich mal länger in Deutschland gelebt hatte.
Eine der ersten Dinge, die Stefan zu mir sagte, war, dass die Männer heutzutage ja gar keine echten Männer mehr seien. Denn man wär ja nur ein echter Mann, wenn man beim Militär war, ansonsten ist man ja nur ne Schwuchtel (faggot), und das sind wohl 60% aller Männer heutzutage. Vorsichtig entgegnete ich, dass das sicher nicht so viele sind (man redet ja so von ca. 10% etwa), worauf er entgegnete: „Na gut, vielleicht 40% der Männer...“ Außerdem würde man ja nur beim Militär so wichtige Dinge wie Zuverlässigkeit, Gehorsam und (!) Hygiene lernen. Wie soll man da nur drauf reagieren, wenn man selbst so ne Schwuchtel ist, die nicht beim Militär war…?
Naja, ich hatte keinen Bock auf Streiten, insbesondere nicht mit jemandem, den ich gar net kenn, also schwieg ich mich zu den Themen aus und erwähnte auch im weiteren Verlauf wenig von meinem Privatleben. Das Gespräch ging weiter mit typischen Angebereien, in Richtung „locker room talk“ (wie würde man das am Besten auf Deutsch sagen?). Halt ich eigentlich auch nix von, aber man kann sich ja mal diese Perlen anhören. Stefans Rekord im Biertrinken waren 40 Dosen an einem Tag und außerdem 17 Maß Bier auf der Wiesn – danach ist er umgekippt. Neben seiner Penisgröße erfuhr ich außerdem noch, dass er mal im Liegewagen mit fünf britischen Mädels in einem Abteil fuhr, mit drei von ihnen hatte er während der Nacht ZENSIERT (wie praktisch bei dem wenigen Platz… ). Außerdem wärs ja toll ins Bordell zu gehen, und seine Heimatregion Slawonien wäre ja super, um Urlaub zu machen: 1000€ für ne Woche in nem schönen Hotel mit Alkohol, Essen und ZENSIERT ohne Ende. Naja, nicht wirklich die Art von Urlaub, die mir gefallen würde. Überhaupt wäre Stefan ja lieber mit dem Bus als mit dem Zug in die Heimat gefahren, aber aus irgendeinem Grund hatte das wohl nicht geklappt.
Dann kamen noch härtere Sachen, denn Stefan kam aus Afghanistan, wo er als Schafschütze diente und unzählige Leute erschoss. Da schwang einerseits Stolz, aber auch unheimlich viel Trauer mit, denn eigentlich möchte er keine Menschen umbringen. Aber die Amerikaner in Afghanistan seien ja auch wiederum richtig dumm… Naja, seine Frau und sein kleines Kind hatte Stefan auch fast ein Jahr lang nicht gesehn und er war auch gerade auf dem Weg zurück zu ihnen. Generell wurde aber hier die Ambivalenz in seiner Person deutlich. Auf der einen Seite verurteilte er den Krieg generell, andererseits kamen dann wieder so Aussagen wie: „Wir müssen uns an den Serben für das rächen, was in den 90ern passiert ist, dieser Rachetag wird eines Tages kommen und dann werde ich für Kroatien kämpfen...“ Dabei muss auch noch erwähnt werden, dass Stefan mit seiner großen, privaten Waffensammlung prahlte.
Weitere Aussagen wären wohl eher Verschwörungstheoretikern zuzuordnen. Steht das im Widerspruch zu seinem angeblichen IQ von über 140 oder kann nur solch eine Person diese „Zusammenhänge“ überhaupt erst erkennen? Auf letztere Idee brachte mich aber erst mein Freund als ich zu Hause von der Reise erzählte…
1. Die Baltischen Staaten sind immer noch Russland und auf der russischen Seite (hier widersprach ich mal, da ich ja sogar mal in Litauen lebte, und ich genau weiß, dass Estland, Lettland und Litauen in der EU und in der NATO sind; Stefan wollte das aber wohl nicht hören bzw. glauben)
2. Osama Bin Laden lebt noch und zwar in den USA, er arbeitet jetzt mit dem amerikanischen Geheimdienst zusammen.
3. Hitler lebte auch bis 1983 und starb friedlich in Argentinien – und überhaupt war ja in seinen Augen Hitler nicht sooo schlecht, sondern ein Genie, genau wie Napoleon. Sowas will ich ja überhaupt nicht hören...
Zwischen unseren Gesprächen, die insgesamt ca. 4h dauerten, wollten wir noch mehr Bier haben, und Stefan bestand drauf, dass er für diese bezahlen will. Glücklicherweise (oder unglücklicherweise?) gabs in diesem Zug aber nur Radler. Verkauft wurde dieses aus in Schränken versperrten Kühlboxen. Der Zugbegleiter wühlte darin ziemlich lang rum, fand aber wirklich kein Bier. Ein Radler kostete übrigens 12 Kuna (ca. 1,60€), Stefan bestellte zunächst mal vier. Immerhin durfte ich dann die zweite Runde ausgeben.
Irgendwann während der Unterhaltung gab mir Stefan aus heiterem Himmel seine „normale“ Militärmütze als Geschenk, er hätte ja eh 6 Stück davon. Gefragt danach hatte ich übrigens nicht, aber ich tauschte diese dann gleich mal gegen die Cappy aus, die ich an dem Tag aufhatte. Ich bin ja an sich wirklich pazifistisch, und war auch vor über 10 Jahren Kriegsdienstverweigerer, aber vom Aussehen her gefallen mir Uniformen oder Teile davon irgendwie schon, muss ich zugeben…
Dann wollte ich, dass Stefan ein Bild von mir und der neuen Mütze macht, aber er bestand darauf, dass ich stattdessen seine Ehrenmütze aufsetzen solle.
Zusätzlich klettete er die kroatische Flagge ab, die seine Uniform zierte. Diese gab er mir ebenfalls als Geschenk und meinte, dass ich jetzt die beste Erinnerung an Kroatien haben soll. Nach ca. einer Stunde fiel ihm aber wohl ein, dass er ja gar nicht ohne die Flagge rumlaufen dürfe, also musste er sie zurückfordern. Dann sagte Stefan aber: „Ich hab sogar noch was Besseres für Dich.“ Und wirklich: er wühlte in seinem Gepäck und gab mir dann seine Zweituniform als Geschenk, also Hose und Jacke (die Mütze hatte ich ja eh schon). Dabei wurde ich aber von ihm auch aufgefordert, die Uniform an der Grenze zu verstecken, denn haben durfte ich sie ja nicht. Und wirklich: ich wollte ja an sich überhaupt nix von Stefan haben, aber das war dann wohl auch ein Teil der kroatischen Gastfreundschaft… ein Bild der Uniform werd ich übrigens nicht öffentlich posten, rechtlich bin ich mir nämlich etwas unsicher, wie das so mit Trageverbot usw. in Deutschland ausschaut…
Was bleibt also? Neben ein paar neuen Kleidungsstücken als wichtigstes eigentlich, dass ich mit einem Menschen kommuniziert hab, mit dem ich normalerweise nie geredet hätte, weil wir doch sehr unterschiedlich sind. Aber man sollte ja dennoch offen sein und nicht nur in seiner eigenen Filterblase bleiben. Sicher kann man hier auch rauslesen, dass ich mit vielen Aussagen Stefans überhaupt nicht einverstanden bin. Dennoch war er zu mir sehr nett, nicht nur wegen der Geschenke sondern auch so von der Art her, wie er mit mir geredet hat.
Was auch bleibt ist die Facebook-Freundschaft mit Stefan. Im Zug hab ich nicht erzählt, dass ich schwul bin, wollte ich doch nicht in Schwierigkeiten kommen und Stefan war ja doch eher homophob (getan hätte er mir aber wohl nix, denk ich). Andererseits weiß man ja auch nie: die größten homophoben Menschen haben ja auch oftmals schwule Neigungen, die übertönt werden müssen – so zumindest die Theorie von manchen Leuten... Nun ja: jedenfalls gab Stefan mir sein Telefon in die Hand und bat darum, dass ich mich selbst in Facebook hinzufüge. Etwas nervös war ich da schon, weil mein damaliges Profilbild inklusive Regenbogen doch eher eindeutig war. Lügen und sagen, dass ich kein Facebook hab, wollt ich aber auch net. Nach dem Hinzufügen klickte ich mich dann aber gleich weg und wenige Minuten später war der Akku von Stefans Telefon komplett leer, so konnte er zumindest für den Moment nix persönliches von mir sehn, Glück gehabt…
Die Verabschiedung in Zagreb war dann sehr kurz aber ebenfalls nett. Stefan meinte noch, er wäre wohl sehr spät in der Nacht erst daheim, während mich eine ehemalige Kollegin, Irina, mit ihrem Freund, Toni, am Bahnhof abholten. Davon, dass unser Zug ca. 30min „Kasni“ hatte waren sie übrigens nur wenig überrascht…
Wir gingen dann noch kurz in die Innenstadt und aßen mit einem weiteren Freund meiner Freunde zu Abend. Irina und Toni waren wirklich total lieb und herzlich mal wieder, so schnell konnt ich gar net schaun, hatten die Beiden mein Essen bezahlt. Das ist mir aber immer eher unangenehm. Bei anderen Freunden, die sie besuchen, machen sie das aber auch so. Das ist vielleicht auch wieder so ein Mentalitäts-Unterschied zwischen Deutschland und Kroatien, würde ich doch eher meine Gastgeber einladen wollen, wenn ich bei ihnen schon übernachten darf.
Danach gings noch in ne Bar mit Dachterrasse, wo es leckeres Craft-Beer gab. Ich trank ein Saures, ähnlich wie Leipziger Gose, voll mein Geschmack, und die andren warn auch sehr positiv davon überrascht beim Durchprobieren. Immerhin konnte ich hier „heimlich“ zahlen bevor es jemand anders tat. Dafür sparten wir uns dann das Busticket nach Hause. Die Theorie: wenn der Busfahrer beim Einsteigen nicht hinschaut und einen ignorieren will, dann darf man einfach vorbeilaufen. Find ich zwar etwas gewagt, aber man passt sich halt an die Locals an.
Das Ganze war übrigens der Mittwoch Abend. Ursprünglich hatte ich mit anderen Freunden geplant, von Freitag Morgen bis Sonntag wandern zu gehen. Dementsprechend wollt ich bis Donnerstag Nachmittag zu Hause zu sein, um das Wandern in Ruhe vorbereiten zu können. Also hatte ich den Zug um 6:55 ab Zagreb gebucht, der um 15:40 in München sein sollte. Da aus mehreren Gründen das Wandern aber auf die zwei Tage des Wochenendes verkürzt wurde, wollte ich hier dann doch noch umdisponieren und entschied mich für die Verbindung um 12:37 mit einmal Umsteigen in Villach, Ankunft in München 21:42. So musste ich zwar ein neues Ticket von Salzburg nach München lösen, für den Rest hatte ich aber keine Zugbindung, konnte also flexibel fahren.
Das machte den Donnerstag auch sehr gemütlich: ausschlafen und zusammen lange frühstücken. Meine Gastgeber frotzelten sich noch ein bisschen, wie man denn „richtig“ Kaffee kocht: erst Kaffeepulver, dann Wasser, dann aufkochen, oder erst Wasser aufkochen und dann Kaffeepulver dazu? Das führte aber zum Glück nicht zu einem ernsthaften Ehekrach.
Dabei fiel dann auch die Geschichte eines ihrer Kollegen, der in Bosnien Kaffee bestellte, mit der Vorgabe, er habe nur 30min Zeit während einer Konferenzpause. Doch der Kaffee kam und kam einfach nicht, es dauerte wohl wirklich fast die komplette halbe Stunde um diesen Kaffee zu bringen. Der Kollege, etwas gestresst, trank dann den Kaffee auf einmal innerhalb kürzester Zeit leer. Dies brachte den Café-Menschen richtig in Rage, er habe ja so viel Zeit aufgewendet um den Kaffee zu kochen und das würde ja gar nicht gewürdigt werden und überhaupt solle er jetzt aus seinem Kaffeehaus verschwinden und zwar ohne zu bezahlen. So unterschiedlich kann Kaffeekultur und Zeitempfinden sein, und das schon zwischen Kroaten und Bosniern...
Gegen halb 12 nahmen wir den Bus nach Kaptol, diesmal wiederum mit gültigem Ticket, das ich aber auch nicht bezahlen durfte. Immer wenn ich in Zagreb war, waren übrigens irgendwelche Bautätigkeiten an der Kathedrale zu sehn, dieses Mal aber relativ wenig.
Sie ist wohl aus einem Stein gebaut, der sich schnell zersetzt und aus Denkmalschutzgründen dürfen aber keine anderen Materialien verwendet werden, deshalb muss ständig etwas erneuert werden.
Den kurzen Weg zum Bahnhof legten wir dann zu Fuß zurück, wo wir unter anderem am Kunstpavillon Zagreb vorbeikamen.
Fast nebendran befindet sich der Hauptbahnhof.
Zuerst gings noch an den Schalter um zu fragen, ob mein neu-auserkorener Zug reservierungspflichtig ist, war er aber nicht. Danach gings nochmal in den kleinen Konzum-Supermarkt, um noch Mitbringsel für daheim und etwas zusätzlichen Proviant zu besorgen, auch wenn meine Gastgeber mich beim Frühstück schon aufgefordert hatten, mir Sandwiches zu machen. Die Ankunft des Zuges aus Vinkovci war um 9min verspätet.
Umso mehr war noch Zeit für einen Abschlusskaffee. Im Bahnhofscafé wurde man dazu aufgefordert seine Freunde zu ignorieren, ich machte das natürlich nicht.
12:32 – Einfahrt B210.
Am Bahnsteig standen viele Leute, der Zug war auch sehr gut gefüllt. Die 1.-Klasse-Abteile waren ganz vorne und wurden größtenteils von Asiaten mit riesigen Koffern belagert.
Mein Wagen war ein Slowenischer, in diesem hängt eine öffentlich einsehbare Inventarliste aus.
3 Kleiderhaken, 12 Aschenbecher, 9 + 3 Handtuchkörbe, 2 Abortständer, 24 Spitzenüberwurf, 1 Lichtmaschine, 3 Waschbecken, 3 Ventile für Waschbecken…
Bei der Grenzkontrolle in Dobova war ich aufgrund der Uniform etwas nervös, aber das Gepäck wurde dort zum Glück nicht kontrolliert. In diesem Falle hätte die Grenzkontrolle aber auch deutlich länger als 30min dauern müssen.
Das sah mir nach einem Getreidezug aus.
Eine recht hübsche Rangierlok sah ich auch rumfahren.
Geschwindigkeitsbegrenzungen, würd ich mal vermuten, kurz vor Ljubljana.
Warum man in Slowenien immer 3 Zahlen hat, weiß ich allerdings nicht.
Neue und alte, verzierte Triebzüge kurz vor Ljubljana.
Auch im Bahnhof selbst überall Graffiti-Züge.
Ein Gegensatz dazu war das Ende des Zugs Wien – Ljubljana – Wien.
Das eigentliche Bahnhofsgebäude von Ljubljana sieht man erst wenn man in Richtung Westen aus dem Bahnhof rausfährt, da sind Bahnsteige und Gebäude also etwas versetzt.
Ab Ljubljana wurde es übrigens etwas leerer im Zug und man konnte sich auf der durchgehenden Bank sogar hinlegen, was zumindest mein einziger verbliebener Abteilkollege auch ausnutzte.
Aber auch ich streckte meine Beine etwas aus, ist doch viel gemütlicher.
Mit dem Abteilkollegen unterhielt ich mich im Laufe der Fahrt bis Villach auch noch ein wenig, er fuhr wohl nach Ulm zu einer Zahn-OP. Und er redete lieber Deutsch als Englisch mit mir, ich fall aber immer wieder drauf rein, erstmal Englisch als vermeintlich gemeinsame Fremdsprache zu benutzen…
Endlich kam ich auch dazu mein Buch (Max Frisch – Mein Name sei Gantenbein) auszulesen, das zweite Buch hatte ich also fast grundlos mitgeschleppt. Aber man weiß ja immer nicht, was sich so ergibt, und worauf man in ner konkreten Situation Lust hat – geht mir zumindest so…
Die Landschaft in Slowenien ist auch recht reizvoll: Ebene, Felder, Berge.
Neigezug?
Am Grenzbahnhof Jesenice wurde nicht kontrolliert.
Auch die österreichischen Berge können sich sehn lassen.
In Villach nahm ich dann Abschied vom D210 (B210 in Kroatien, EC210 in Slowenien und D210 in Österreich, zumindest laut vagonweb) und stieg am selben Bahnsteig gegenüber in den rj110 in Richtung München um.
Eines der Mitbringsel (typische, kroatische Kekse) war außen am Rucksack angebracht und hatte sich leider gelöst, sodass dieses zurück nach Kroatien fahren musste. Gemerkt hab ich das aber erst als der Railjet schon losgefahren war.
Die Fahrt war sonst ohne weiter Ereignisse, ein paar Bilder machte ich aus dem Fenster heraus, aber durch die Scheibe und mit Gegenlicht ist das nur mäßig gut. Das war im Gasteinertal, bei Böckstein kurz nach dem Tauerntunnel.
Eigentlich wollt ich auch im weiteren Verlauf des Gasteinertals noch aufpassen, und die Bautätigkeiten an der Schlossalm beobachten (wird ja die bekannte Standseilbahn im Verlauf des nächsten Jahres abgebaut und durch eine EUB ersetzt). Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt schon sehr intensiv damit beschäftigt, meine Fotos zu sichten und zu sortieren, weshalb ich diese Stelle verpasste.
Kurz vor Salzburg kaufte ich mir dann ein Online-Ticket für die 2. Klasse und zog dann in selbige um. Die war aber auch relativ leer und auch wenn manche Leute meckern (z.B. dass man im Railjet in der 2. Klasse die Sitze nicht verstellen kann), saß ich dort – wie immer – ebenfalls sehr gut.
Die Ankunft am Münchner Ostbahnhof war dann sogar 1min vor Zeit, sodass ich es ohne Probleme schaffte den passenden Bus zu bekommen. Um kurz vor 10 war ich dann zu Hause.
Fazit
Irgendwie hatte ich vor dieser Reise immer Vorbehalte, alleine zu verreisen, hatte ich das doch vorher noch nie gemacht. Also alleine irgendwo hingefahren bin ich auch früher schon, dann aber immer um Freunde oder Bekannte zu treffen, oder um Kurse zu besuchen, wo man eh Leute schnell kennen lernt. Diese Reise hat mich aber wirklich davon überzeugt, dass alleine Reisen auch sehr schön sein kann, dass man immer auf interessante Leute treffen kann, und dass es beim Reisen sowieso nie langweilig wird.
Selbstverständlich würd ich aber auch niemanden davon abhalten, mit mir gemeinsam zu reisen, wenn die entsprechende Person Lust dazu hat.