süddeutsche, 30.11.04
Zwei Tage Klinik: 13.257 CHF
Wie teuer ein gebrochener Finger in der Schweiz werden kann.
Von Thomas Kirchner
An einem Freitag im April fiel der deutsche Tourist Joachim M. beim Skifahren in Davos vier Meter tief in ein Bachbett. Der 60-Jährige brach sich vier Rippen und den kleinen Finger der linken Hand. Die Bergrettung brachte den Patienten mit einem leichten Schock am Nachmittag ins Spital des Schweizer Touristenortes. Dort röntgte man ihn, schiente den Finger, versorgte ein paar Schürfwunden und behielt ihn zur Beobachtung zwei Nächte im Krankenhaus.
Teuer? Sehr teuer!
Am folgenden Samstag musste der Lehrer aus München 7000 Franken Kaution hinterlegen. Am Sonntagmittag konnte er nach Hause. Zwei Wochen später erhielt er die Rechnung für die Spitalbehandlung: 13.257,10 Franken. Der Tourist wusste, dass die Schweiz teuer ist, aber 8600 Euro für einen gebrochenen Finger?
Das fragte er die Spitalleitung, die auf zwei E-mails und einen Brief aber nicht reagierte. Seine Kasse ersetzte M. das Geld nicht, sie zahlt nur den entsprechenden in Deutschland üblichen Tarif, der mehr als dreimal niedriger ist. Letztlich erklärte sich seine Auslandskrankenversicherung bereit, zu zahlen.
Korrekte Abrechnung
Doch wie kam es zu dieser Rechnung? Korrekt erstellt wurde sie jedenfalls, das bestätigen zwei Schweizer Patienten-Organisationen und das Gesundheitsamt Graubünden. Mehrere preistreibende Umstände trafen zusammen: Die Schweiz hat nach den USA das zweitteuerste Gesundheitssystem der Welt, und seit 1. Januar gilt eine neue Tarifordnung in Graubünden.
Abgerechnet werden nicht Einzelleistungen, sondern Pauschalen. Sie sind unabhängig von der Behandlungsdauer: Wer drei Tage bleibt, zahlt kaum weniger als ein 30-Tage-Patient. So sollen Krankenhäuser auf wirtschaftliches Handeln getrimmt werden, sagt der Davoser Spitalchef Markus Hehli. Alle Patienten insgesamt komme diese Regelung nicht teurer, doch würden Kurzaufenthalte benachteiligt.
Benachteiligter Beamtenstatus
Am teuersten kam es Joachim M., dass er als Beamter nicht gesetzlich versichert ist. Das Davoser Spital stufte ihn als halbprivaten Selbstzahler ein: Zwei-Bett-Zimmer und Chefarzt-Behandlung. Bei Privatpatienten sei es den Spitälern weitgehend freigestellt, welche Leistung sie anböten, sagt Albert Curtins vom kantonalen Gesundheitsamt. Wäre M. gesetzlich versichert, hätte er 5383 Franken bezahlt, kaum mehr als in Deutschland.