TOURISMUS / IM DEZEMBER SOLL DIE LÄNGSTE DEUTSCHE UMLAUFBAHN AM FELLHORN IN BETRIEB GEHEN
Gondeln über seltenen Orchideen
Die Betreiber haben für den einst geschundenen "Blumenberg" ein ökologisches Konzept verwirklicht
Viel Geld ist bei der Sanierung der 30 Jahre alten Liftanlagen am Fellhorn bei Oberstdorf auch in den Natur- und Umweltschutz geflossen. Drei Sessellifte und die neue "Fellhornbahn II" ersetzen sieben Schlepplifte. Auch Kritiker hat das ökologische Konzept überzeugt.
Die längste deutsche Gondelbahn entsteht zur Zeit in Oberstdorf. Mit der 13,5 Millionen Euro teuren Umlaufbahn schließt das Allgäuer Skigebiet Fellhorn die Sanierung seiner über 30 Jahre alten Liftanlagen ab. Dafür hat die Bergbahngesellschaft in den vergangenen zehn Jahren nach eigenen Angaben insgesamt 35 Millionen Euro ausgegeben.
Ein erheblicher Teil dieser Summe sei für Natur- und Umweltschutz ausgegeben worden, sagt Vorstandsmitglied Augustin Kröll. Drei Sesselbahnen und die neue "Fellhornbahn II", die im Dezember in Betrieb gehen soll, ersetzen sieben alte Schlepplifte, deren Trassen schon jetzt kaum noch erkennbar sind. Mit neuen Bauverfahren habe die Bahngesellschaft ökologische Maßstäbe im Alpenraum gesetzt, betont Kröll.
"Im Sommer werden wir an dieser Stelle von Wanderern oft gefragt, wo denn hier Ski gefahren wird", schmunzelt der Bergbahnchef und deutet auf die ausgedehnten, von Alpenrosen bewachsenen Flächen ringsum. "Dabei stehen wir hier mitten in der Damenabfahrt."
Purpurnes Knabenkraut
Nach oben zum Grat hin ist der Hang mit Büschen und Latschen überwuchert. Unterhalb des Wanderweges, der den Pistenbereich zwischen dem Fellhorn und der österreichischen Kanzelwand im Kleinwalsertal quert, leuchtet eine hellgrüne Wiese wie eine Insel aus der übrigen Vegetation heraus. Mitten in dieser Fläche stechen die purpurnen Blüten des Knabenkrautes ins Auge.
"Die Hangmoore und die Vielfalt seltener Orchideen haben dem Fellhorn den Ruf als Deutschlands schönster Blumenberg eingetragen", erläutert Thomas Dietmann. Der Diplom-Geograph aus Immenstadt, der sich vor 30 Jahren einen Namen als Pionier und Spezialist für Hochlagenaufforstung im Allgäu erworben hat, arbeitet inzwischen als externer Ökologie-Berater der Fellhornbahn. Er erinnert sich noch gut an die Widerstände gegen die Erschließung des Fellhorns, gegen die Liftbauten in dieser einzigartigen Flora und gegen die großflächige Beschneiung.
Die Kritiker seien verstummt, seit der Österreicher Augustin Kröll die Geschicke der Oberstdorfer Bergbahn bestimmt und 1988 über den einst geschundenen "Blumenberg" ein ökologisches Konzept gestülpt hat, das nunmehr sichtbar Früchte trage und von den Genehmigungsbehörden "mit Wohlwollen" unterstützt werde. Dazu zählt vor allem ein Wanderwegenetz, das die Routen bündelt.
"Von der Vielzahl verzweigter Trampelpfade sieht man so gut wie nichts mehr", sagt Dietmann. Ein gepflegter Weg werde akzeptiert, auch wenn manche besonders wertvollen Flächen am Rande mit einem Litzendraht abgetrennt werden müssen, um Trittschäden zu vermeiden. Der gleiche Effekt wird im Winter erzielt, indem man dem vorwiegend jugendlichen Publikum den größten Fun-Park in Bayern anbietet. "Seitdem schaffen wir es zum allergrößten Teil, die Snowboardfahrer aus den sensiblen Bereichen heraus zu halten", versichert der Bahnvorstand.
Zur Vermeidung von Vegetationsschäden hat die Bergbahn bei ihren "erzieherischen Maßnahmen" aber nicht nur die Gäste im Visier. Die Fahrer der Pistenraupen sind im Sommer für die Landschaftspflege und den Unterhalt der Wege eingesetzt. "Die passen auf, dass sie im Winter nichts kaputt machen, was sie im Sommer selbst reparieren müssten", beschreibt Kröll das Prinzip. Und mit den beiden Alpgenossenschaften, die im Sommer die Pistenbereiche am Fellhorn beweiden, hat die Bergbahn eine Vereinbarung getroffen: Pistenkreuzungen und andere im Winter intensiv genutzte Flächen werden im Sommer eingezäunt und nicht beweidet. Den größten finanziellen Aufwand aber treibt die Fellhornbahn, die ebenso wie die benachbarte Kanzelwandbahn dem regionalen Stromversorger "Allgäuer Überlandwerk" in Kempten gehört und zusammen genommen das größte Skigebiet der bayerischen Alpen erschließt, bei seinen Bauprojekten. "Für die Fundamente kann man auch ein großes Loch ausheben und ringsum alles kaputt machen", erklärt Bahnvorstand Kröll. Mit der speziell entwickelten Bohrpfahlgründung und der so genannten "Nagelwand" seien die Bauverfahren am Fellhorn hingegen "sicher führend in Deutschland".
Bis zu 17 Meter lange Stahlbetonpfähle werden wie Spinnenbeine im Untergrund verankert und erübrigen großvolumige Betonklötze als Fundamente von Seilbahnstützen im Boden. Mit einem ähnlichen Prinzip sichert die "Nagelwand" den Hang oberhalb und unterhalb der Baustelle ab. An den Berg- und Talstationen der Sesselbahnen wurde damit der Aushub von mehreren Tausend Kubikmeter Humus vermieden.
Als eher freiwilligen Mehraufwand bei Bauprojekten in "seinem" Skigebiet bezeichnet der Bahnvorstand auch den Verzicht auf Baustraßen. Die wenigen notwendigen Baumaschinen werden ebenso wie die Stützen mit dem Hubschrauber vor Ort abgesetzt. "Der Einsatz von Spezialmaschinen, die den Eingriff in die Landschaft minimieren, ist zwar teuer, aber er erspart uns später viel Geld bei der Pflege", erläutert Kröll die Geschäftspolitik der Bahn.
Schutz alpiner Vegetation
Auf die aufwändigen Bauverfahren zur Schonung der alpinen Vegetation ist die Fellhornbahn so stolz, dass sie die Baustelle der neuen "Fellhornbahn II" wie eine Touristenattraktion ausgeschildert ist. Infotafeln mit Bildern klären über die ökologisch orientierten Bauverfahren auf, auf die Kröll und sein Berater Dittmann so gern hinweisen.
Die am meisten betrachteten Tafeln im Wandergebiet am Fellhorn bleiben aber weiterhin diejenigen mit Abbildungen der alpinen Flora. Kröll: "Wenn man sieht, wie groß das Interesse für die seltenen Alpenblumen ist, freut man sich umso mehr über den großen Aufwand, den wir zu ihrem Schutz treiben."
VON KLAUS SCHLÖSSER