Gelassenheit im Ober- Hoffnung im ... Tourismus-Situation in Pontresina «...
Ohne Kälte kein Kunstschnee
Ein warmer Oktober mit Folgen für das Engadin
Der goldene Oktober hat
die Oberengadiner Tourismusbranche gefreut. Vor allem Bergbahnen, Hotels und Restaurants, die in der zweiten Monatshälfte noch geöffnet waren, profitierten von der Präsenz von Tages- und Wochengästen, denen sich das Tal bei strahlend blauem Himmel, milden Temperaturen und exzellenter Fernsicht quasi im Sonntagsgewand zeigte.
Erste Snow Night vielleicht erst am 25. November
Doch das andauernd schöne und milde Wetter der letzten Wochen hat auch eine Kehrseite. Denn wenn im Oberengadin gegen Ende Oktober Tageshöchsttemperaturen von über 20 Grad und frostlose Nächte gemessen werden, beginnen sich vor allem die Bergbahnbetreiber Sorgen zu machen. Die Skihänge sind noch aper und an die Produktion von Kunstschnee ist nicht zu denken. «Es ist viel zu warm», meint Andreas Venzin, Direktor der Corvatschbahn zu diesem Thema. Und gibt auch gleich zu, dass ihn diese Wetterlage etwas nervös macht. Denn per 18. November ab 16.00 Uhr ist die Skiwelt eingeladen, mit einer Snow Night die Wintersaison in der Region zu eröffnen, das ist in zwei Wochen. Nicht nur einheimische Ski- und Snowboardfahrer wollen dann auf perfekt präparierten Pisten von Murtèl zur Talstation hinuntergelangen. Auch auswärtige Wintersportler, die ein Hotelangebot gebucht haben, zählen auf die Ouvertüre des Skigebiets. Sollte demnächst der erhoffte Schnee nicht vom Himmel fallen, bliebe nicht mehr viel Zeit, ihn künstlich herzustellen. Nach dem Test der Beschneiungsanlage Mitte Oktober hätte man eigentlich gerne per Stichtag, also am ersten November, mit der Beschneiung des Skigebiets beginnen wollen, doch wo die Temperaturen nicht mal in der Nacht unter Null rutschten und tagsüber dann bei einer Nullgradgrenze auf 4000 Metern Höhe noch zweistellige Werte aufwiesen, sei dieses Unter-
fangen schlicht ein Unding. «Es braucht konstante Minustemperaturen von minus drei bis minus vier Grad», skizziert Venzin das Idealszenario zur Inbetriebnahme des
eschneiungssystems. Doch auch Faktoren wie Luftfeuchtigkeit und Windstärke hätten einen Einfluss auf die Kunstschneeproduktion. Als Faustregel gelte jedenfalls ein Zeitraum von zehn Tagen, der für die Fertigstellung der Talabfahrt mit Kunstschnee genüge.
Noch sei es aber zu früh für Schwarzmalerei. Schlimm wäre es erst, wenn bis Weihnachten kein
Angebot für die Schneesportler zur Verfügung stünde, meint der Direktor der Corvatschbahn. Doch wer abhängig von den Launen der Natur sei, müsse sich eben darauf einstellen. Das hiesse beispielsweise, dass die Eröffnung der Wintersaison um eine Woche verschoben würde, sollte die Wärmeperiode noch etwa andauern. Nach wie vor hofft Venzin aber auf einen baldigen Wetterumschwung und Temperatursturz. Dann würden nämlich alle Beschneiungsanlagen rund um die Uhr in Betrieb gehen. Zwölf Mann wären andauernd damit beschäftigt den produzierten Schnee zu verteilen und zu einer kompakten Pistenschicht zu präparieren. Doch bei Beschneiungskosten von rund 30 000 Franken pro Pistenkilometer hätte Venzin doch lieber, wenn der weisse Rohstoff «von alleine vom Himmel fiele».
Start in die Langlaufsaison könnte sich verschieben
Keine Freude am warmen Herbst haben im Tal auch all diejenigen, welche für die Bereitstellung des Loipennetzes verantwortlich sind. Ivo Domaso, Präsident der Beschneiungskommission in Pontresina, spricht stellvertretend für viele von ihnen. Zwar habe man erst vergangene Woche die letzte Bauetappe für die Pontresiner Kunstschneeloipe abschliessen können, womit den Langläufern künftig schon anfangs Dezember vier Trainingskilometer zur Verfügung stehen sollten, doch bei diesen Plustemperaturen und Tag-/Nacht-Unterschieden von mehr als 15 Grad sei an Beschneiung nicht zu denken. Sollte es am kommenden Wochenende nicht kälter werden und Schnee fallen, wie prognostiziert, könnte es «etwas knapp» werden mit der geplanten Eröffnung der Langlaufsaison in Pontresina. Gemäss Domaso ist vorgesehen, am 20. November zwei Loipenkilometer (Nacht-
loipe und Übungsgelände) bereit zu haben. Dies könne nur gelingen, wenn drei Wochen lang nachts oder zwei Wochen lang tagsüber und nachts beschneit würde. Immer vorausgesetzt, dass die Rechnung ohne Naturschnee gemacht werden müsste. Klar, wäre es schade, wenn die Saison nicht in zweieinhalb Wochen beginnen könne, meint der Präsident der Pontresiner Loipenkommission auch im Hinblick auf die Rennläufer und Clubs, die gerne trainieren möchten. Doch im Vergleich zu den Bergbahnen, die den Saisonstart mit allen möglichen Werbemitteln angekündigt hätten, laste ein weit weniger hoher Druck auf all denen, die für die Bereitstellung des Loipennetzes zuständig seien, relativiert Domaso.
Sorgen macht das anhaltend warme und trockene Wetter auch den Eismeistern. Beispielsweise Toni Jovic, der gerne in zehn Tagen mit der Eisherstellung auf dem Silvaplaner Sportzentrum Munterots begonnen hätte. Doch erst wenn die Temperaturen auf minus sieben oder minus acht Grad sinken würden und es tagsüber ebenfalls kühl bleibe, mache das Verspritzen von Wasser Sinn. Und von einer solchen Ausgangslage sei man noch weit entfernt.
Auch die Eisbildung wird problematisch
Unter Zeitdruck gerät man punkto Eisherstellung auch in Samedan. Zwar verfügt man bei Sper l’En über eine Kunsteinbahn, doch ist diese Anlage im Vergleich zu anderen im Tal (Ludains in St. Moritz oder Celerina) nicht effizient genug. Der unebene Boden auf dem sie ruht, sowie die fehlende thermische Dämmung führen zudem zu sehr variablen Eisdicken und Eisaufweichungen an der Oberfläche. In zehn Tagen sollen die ersten Eishockeyspiele der Saison stattfinden. Danach ist die Anlage bis weit in den Dezember ausgebucht. Ob und bei welchen Eisbedingungen die ersten Pucks am 14. November gespielt werden, sei deshalb mehr als fraglich, meint Reto Mettler vom Samedner Gemeindebauamt.
Quelle: Engadiner Post Autor: Marie Claire Jur
Ort: 7500 St. Moritz
Datum: 03.11.2005
Rubrik: Tourismus
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