Als ich die Rückseite meiner groben Tourenplanung von vor acht Jahren betrachtete, hatte ich einen Probedruck meiner Facharbeit in der Hand. Ursprünglich hatte ich vor nach dem Abi diese Tour zu gehen, aber aus vielerlei Gründen kam es bislang nie dazu. Man sieht aber, wie lange ich mich schon mit Gedanken an diese Überschreitung getragen habe.
Im großen Maßstab betrachtet führt uns unsere dreitägige Tour von Nordwesten (vom Inntal bzw. das Mittelgebirge bei Tulfes) nach Südosten durch die Tuxer Alpen und in ihr Herz, die Wattener Lizum, über ihre höchsten Gipfel (Geierspitze und Lizumer Reckner) ins Tuxer Tal bis nach Hintertux. Der Reiz liegt am ersten Tag im weitum berühmten Zirbenweg zwischen Tulfeinalm und Boscheben am Patscherkofel, im mehr als 2000 m tiefen Blick ins Inntal und auf die Bandstadt Innsbruck-Hall sowie in der „Wolkenhaus“-Übernachtung in der 2600 m hoch gelegenen Glungezerhütte. Am zweiten Tag erfolgt dann der „Seven Summit“-Teil mit einer fast einmaligen Gipfelsammelmöglichkeit und über fünf Stunden Weg höher als 2500 m. Am dritten Tag schließlich das furiose Finale mit den höchsten Gipfeln der Tuxer Alpen und dem Proszeniumslogen-Blick auf die immer noch imposante Gefrorene Wand mit der gleichnamigen Spitze und dem alles überragenden Olperer.
1. Tag: Dienstag, 25.8. 2009: Tulfes – Glungezer Hütte
Der erste Tag ist als gemütliches Eingehen und Akklimatisieren gedacht im eindeutig am stärksten erschlossenen Abschnitt der Route. Eigentlich machen wir die große Tour zu Zweit, „der Seebär“ (Seilgefährte an der Weißseespitze und Hochfeiler, Val Tho-Mitfahrer von 2003) und ich, für den ersten Tag hat sich aber auch trimalchio noch angeschlossen, der uns dankenswerterweise nach Tulfes gefahren hat und am Nachmittag wieder von der Hütte absteigt, da berufliche und familiäre Verpflichtungen warten.
Tulfes und Bettelwürfe im Karwendel
Kleiner und Großer Bettelwurf (2725 m)
Wir sind kurz vor 8 im Südosten von München losgefahren und haben gut 1 ½ Stunden bis nach Tulfes gebraucht. Mit der DSB und dem Kombi-ESL (im Winter SL) der Glungezerbahn geht es in zwei Sektionen von 950 auf 2060 m, was viele Stunden Aufstieg mit schweren Rucksäcken erspart, gemütliche Konversation und einen Einblick ins traditionsreiche Skigebiet am Glungezer ermöglicht. Schon erstaunlich, wie eines der besten Gebiete des Jahres 1970 (wenn man Walter Pause Glauben schenken darf) heute auf der Liste der von Einstellung gefährdeten Gebiete ganz weit oben steht (letzte Investition vor 25 Jahren mit der DSB Schartenkogel). Dabei sehen die Pisten ganz und gar nicht langweilig aus, insbesondere der Parade-Hang zum Halsmarter an der 2. Sektion. Laut einem Einheimischen, den wir später auf der Hütte kennengelernt haben, hat die 1. Sektion eine Betriebserlaubnis bis ins Jahr 2018 bekommen. Wie es danach weitergeht? Die Söhne des Eigentümers scheinen nicht gerade viel Herzblut für ihr Skigebiet aufzubringen.
ESL (Kombilift) Glungezer II und Abfahrt "Halsmarter"
Letzte Stützte des ESL. Mit großem Rucksack leider unbequem zu fahren, man sieht nach vorne recht wenig...

Vom ESL der 2. Sektion bieten sich insbesondere während der langen Querfahrt vor der Bergstation bereits wunderschöne Ausblicke auf das Karwendel und die darunter liegende Agglomeration Innsbruck. „Die Stadt im Gebirg“ wird so erst ins rechte Licht gerückt, wenn man sie von oben betrachtet und die Nähe der hellen Kalkmauern gewahrt.
Das mittlere Inntal von Hall bis Jenbach.
Flachstück des ESL und schmale Passage der Halsmarter-Abfahrt. Insgesamt aber wohl gut an die Liftkapazitäten angepasste Pisten hier.
Für uns beginnt nun endlich die Wanderung (ca. 10.30 Uhr) an der Tulfeinalm auf dem berühmten und gut frequentierten Zirbenweg hinüber zur Bergstation der Patscherkofelbahn.
Tulfeinalm, 2050 m, im Vordergrund die DSB Schartenkogel
Abfahrt zum SL Tulfeinalm und zur DSB Schartenkogel
Innsbruck vom Zirbenweg, dahinter die Nordkette.
Flughafen Innsbruck und Martinswand
Patscherkofel vom Zirbenweg
Wir gehen aber nicht einmal bis zum Gasthaus Boscheben, sondern wenden uns an der Abzweigung wieder nach Osten in Richtung Viggarspitze, 2308 m, dem ersten Gipfel der Tour wo wir Mittagsrast halten und den Tiefblick auf Innsbruck genießen, den freien Blick nach Westen über den markanten Patscherkofel ins Stubaital, auf die Eisfelder des Zuckerhütls und des Gletscherskigebiets, nach Süden auf den bekannten Skitourenberg Morgenkogel sowie nach Südosten auf die Tour von Morgen, den Gratübergang vom Glungezer zur Kreuzspitze.
Viggarspitze, 2308 m von Westen
Patscherkofel, 2246 m, von Osten
Das Zuckerhütl, 3507 m und der Sulzenauferner. Rechts die Schaufelspitze, 3333 m
Das Zuckerhütl im Zoom
Glungezer und Sonnenspitze von der Viggarspitze. Unten der Weiterweg hinauf zur Glungezerhütte
Kreuzspitze, 2746 m und Verbindungsgrat zum Glungezer
Aufstiegsroute zur Glungezerhütte von der Viggarspitze aus gesehen
Zoom auf Innsbruck
Über den unmarkierten Ostgrat der Viggarspitze kürzen wir ab zum Panoramaweg der direkt zur Glungezerhütte führt und der bis auf den Schlusssteilhang immer angenehm und gut zu begehen bergan führt. Wir steigen nicht direkt zur Hütte sondern nehmen die fünf Minuten Umweg zum nahen Gipfel der Sonnenspitze (2639 m) in Kauf, erreichen dann gegen 15.00 Uhr die Hütte, auf der wir heute beinahe die einzigen Übernachtungsgäste sind, was sich sehr positiv auf die Stimmung und den Zusammenhalt auswirkt. Offenbar hat die gewitterträchtige Wettervorhersage andere Aspiranten für die Gratüberschreitung abgeschreckt. Trimalchio verabschiedet sich gegen 15.30 Uhr um die 550 Hm zur Tulfeinalm und zum Lift abzusteigen, SeeBär und Ich verbringen den Rest des Tages auf der Terrasse mit Lesen, Kartenstudium und Gesprächen.
Ostgrat der Viggarspitze. Ist leichter als es aussieht.
Viggarspitze von Osten, 2308 m. Schöne Pyramide
Aufstieg zur Glungezerhütte
Glungezerhütte, ÖAV Hall, 2610 m
Intensiv agrarisch genutzte Flächen bei Thaur (Thünen´sche Ringe)
Nordflanke des Glungezers mit viel Blockschutt und der Militärseilbahn. Rechts die Bergstation Schartenkogel und die Pisten
Der Olperer, 3476 m von der Sonnenspitze gesehen
Innsbruck 2100 m tiefer als die 2639 m hohe Sonnenspitze
Gipfelbereich Glungezer mit ÖAV-Hütte, Militärstation (setzt sich unterirdisch unter dem Gipfel fort) von der Sonnenspitze
Glungezer Nordflanke mit Hall i. Tirol
Patscherkofel und Viggarspitze von der Sonnenspitze
Nach dem Abendessen steigen wir noch kurz in 5-10 min auf den Glungezergipfel um den Sonnenuntergang hinter Wolken zu verfolgen und die schöne Abendstimmung auf diesem Eckpfeiler der Gebirgsgruppe auf uns wirken zu lassen. Im Süden schimmert der Tuxer Ferner uns bereits entgegen und weist den Weg für die beiden folgenden Tage, im Westen blättert sich das Stubai auf wie ein großes Buch, hinter dem Zuckerhütl geht der Mond auf und man fragt sich, welches Paradies hier oben hinter den Firnfeldern des Sulzenauferners liegen mag. Im Osten liegt eine Gewitterzelle über dem Inntal aus der es immer wieder wetterleuchtet, was beeindruckend ist, da man sie quasi von der Seite sieht und die Blitze innerhalb des Wolkenturms schön sehen kann. Der Glungezer genießt seinen exzellenten Ruf als Aussichtsberg aller ersten Ranges also nicht zu unrecht.
Glungezer Gipfelkreuz, 2677 m
Ausblick vom Glungezer nach Osten. Eindrucksvoll die Wolken auf gleicher Höhe wie wir.
Stubaier Hauptkamm vom Glungezer. Von links: Zuckerhütl, Gletscherskigebiet, Ruderhofspitze, Schrankogl
Gefrorene Wand Spitze und Olperer vom Glungezer
Stubaier Alpen vom Glungezer. Serles und Habicht im Mittelgrund