Der Wetterdienst kündigte schon für das Anreisewochenende schlechtes Wetter an. Amüsanterweise konnten wir am Samstag Nachmittag noch im T-Shirt bei 15°C in der Sonne brutzeln, während wir uns auf eine durchwachsene Woche einstellten.
Tag 1:
Der erste Tag ist föhnig und sonnenlos, bietet jedoch eine ordentliche Neuschneeauflage. Doch schon auf der ersten Piste (Crap Sogn Gion - Plaun) wird klar, dass der Neuschnee entweder ungünstig und unerwartet kam, oder die Pisten nicht vernünftig repariert sind. Der Neuschnee ist kein bisschen mit der noch sulzig-gefrorenen Unterlage verbunden, somit ist das Pistenvergnügen eher mäßig. Auch abseits der Piste ist keine große Besserung zu spüren.
Geschlossen: Alp Ruschein, Vorab Lifte, La Siala, Cassons
Tag 2:
Eine erneute leichte Neuschneeschicht und die halbwegs kühlen Temperaturen (Gefrierpunkt nachts bis auf 1100m herunter) sorgen für verbesserte Pistenverhältnisse. Da La Siala aufgemacht hat, wagen wir uns in der alten und kultigen 3KSB nach oben. Leider ist die schwarze 26 nicht geöffnet. Bei den Verhältnissen - der Nebel lässt keine Konturen des Untergrundes mehr erkennen und bietet eine Sichtweite von knapp 20m - allerdings kein Wunder. Die Abfahrt über Grauberg wird zum amüsanten Abenteuer. Der dortige Gondelführer sticht übrigens was die Freundlichkeit angeht aus dem eh bereits sehr freundlichen Dienstleistungsklima in FLF heraus. Er wünscht jedem der wenigen Gondelfahrer einen schönen Tag und verteilt Brillenputztücher per Hand. Die schönsten Pisten heute sind die rote 10 bzw. 11 und die Pulver (42 von Treis Palais nach Plaun). Der Rest ist fahrbar, aber die Sichtverhältnisse und der bereits wieder leicht ansulzende Neuschnee bieten keinen wirklichen Pistenspaß. Dafür ist der Funpark und die Superpipe konsequent präpariert. Hier werden Prioritäten gesetzt, die sich höchstwahrscheinlich auch auszahlen. Das Freerider- und Freestylerpublikum ist nicht unbedingt in der Überzahl, aber sehr zahlungskräftig.
Geschlossen: Alp Ruschein, Cassons
Tag 3:
Erneuter Neuschneefall (5cm) sorgen nun endgültig für gute Pistenbedingungen. Besonders die Talabfahrten sind trotz Sulz einwandfrei zu fahren - ebenfalls die 4 Abfahrten von der 6KSB-B Mutta Rodunda, welche für eine perfekte Verteilung der Skifahrer sorgt. Hier hat Laax alles richtig gemacht. Nun werden auch die Freeridemöglichkeiten langsam besser. Auch hierfür bietet schon die Mutta gute Voraussetzungen. Direkt unter dem Lift führen annehmbare und breite Felder zwischen Felsen hindurch. Alles in allem ist der Dienstag ein ordentlicher Tag bei Sonne/Wolken-Mix. Wie immer runden die schönen Hütten bei Curnius und Larnags (Weißbier: 7,50SFr -> teuer) den Skitag ab. Merkwürdigerweise bleiben La Siala und der Gletscher geschlossen, obwohl kein größerer Wind weht. Doch dazu mehr bei Tag 4...
Geschlossen: Alp Ruschein, Vorab-Lifte, La Siala, Cassons
Tag 4:
Über Nacht fallen rund 20cm - und gerüchteweise sollen heute La Siala + Gletscher wieder öffnen. Die zwei kultigen Rastas an der Curnius 4KSB gucken etwas neidisch, singen aber trotzdem lauthals zur laufenden Reggae-Musik mit. Wir pokern hart und fahren direkt mit der alten und dieses Jahr recht störungsanfälligen Vorab EUB Richtung Gletscher. Aus der Gondel können wir erkennen, dass die ersten Sessel die La Siala-Talstation verlassen. Fast schon sabberd jagen wir der Station entgegen und können einen der ersten Sessel ergattern. Die rigorose Schließungspolitik vom Vortag hat sich ausgezahlt. Oben erwartet uns ein von Felsen eingerahmtes weißes Meer - untouched! Die zwei folgenden Einfahrten sind mein persönliches Saisonhighlight. Zum Fotografieren bleibt da kaum Zeit. Bei strahlendem Sonnenschein wird danach auch noch der Vorab zerpflügt. Die Verhältnisse sind heute wirklich grandios und ein Kumpel von mir, der zum ersten Mal mitfährt, revidiert sein Urteil vom Vortag: dieser Tag habe Laax in seiner Beliebtheitsskala von den hinteren Plätzen ganz weit nach vorne schießen lassen. Selbst die schwarze FIS (Talabfahrt nach Laax, 65) ist heute trotz der kriminell anmutenden Buckel ein Highlight (wenn man sich auch fragt, warum die Piste nicht mehr präpariert wird). Vorher wird jedoch, wie an fast jedem Nachmittag, auf dem Crap im Cafe No Name ein Bierchen gezischt, während im gigantischen Park vor uns Amateure neben Pros ihre Tricks zeigen. Sehr chillige Atmosphäre.
Geschlossen: Alp Ruschein, Cassons
Tag 5:
Nach solch einem schönen Tag muss sich Frau Holle erstmal erholen. Bei Schneesturm und schlechter Sicht irren wir die menschenleere und komplett abgeschiedene Pulver nach Plaun herunter um dann auf der Flimser Seite ein paar Wiederholungsfahrten am beheizten Mutta-Sessel zu machen. Kurz vor der Mittagspause dann ein Defekt - wir stecken rund eine halbe Stunde in der munter schwingenden Bahn fest und bewegen uns nur sehr langsam vorwärts. Bevor es so richtig kalt wird, sind wir dann oben. Direkt hinter uns wird der Sessel dann geschlossen. Immerhin entschuldigt sich der Bahnleiter persönlich und mit Handschlag bei jedem Fahrgast und verweist auf einen "technischen Defekt". Nach einer längeren Aufwärmphase auf Nagens (Apfelstrudel&Soße -> 6SFr -> akzeptabel) geht es die neue-alte Flimser Talabfahrt "Stretg" herunter. Hier unten herrschen annehmbare Wetterbedingungen. Bei dichtem Schneefall sichten wir noch einen Fuchs, der mitten auf der Piste scheinbar ungestört ein Loch buddelt.
Geschlossen: Alles oberhalb von 2200m mit Ausnahme Mutta Rodunda (bis Mittag)
Tag 6:
Auf Sturm folgt ein wunderschöner, abschließender Bluebird-Day. Alle höheren Anlagen sind wieder geöffnet. Die Pisten haben leider vom Sturm nicht profitieren können und wirken auf den Kuppen sogar eher etwas abgetragen. Ausnahmen: die Pisten an beiden Craps. Auch im Gelände kommt nicht so viel Spaß auf wie am Mittwoch, dafür ist der Schnee zu windverfrachtet. Da heute Feiertag ist, ist der Andrang sprunghaft größer als in der gesamten Woche zuvor. Am Alp Dado SL entstehen Wartezeiten von über 20 Minuten, ansonsten muss man je nach Anlage etwa 5-10 Minuten Geduld mitbringen. Auch heute öffnet Alp Ruschein nicht. Die Begründung der Bahnleitung: die Pisten haben im unteren Teil nicht sehr viel Schnee und müssten daher für den Osteransturm geschont werden. Einerseits verständlich, andererseits hätte man den Wochenurlaubern zumindest einen Tag auf den zwei langen Pisten vom Crap Masegn und über den Sattel am Vorab hinunter zum klapprigen 2er Sessel Marke Gartenstuhl gönnen können.
Geschlossen: Alp Ruschein, Cassons
Grundsätzliche Bemerkung:
Da in letzter Zeit die Politik der Weissen Arena oft Gegenstand von hitzigen Debatten war, hier meine Einschätzung anhand eigener Beobachtungen in den letzten Jahren:
Reto Gurtner kann man für seine konsequente Ignorierung diverser Bauprojekte im Bereich Bergbahnen und seine millionenschweren Bauprojekte im Bereich Unterkunft/Resort hassen oder feiern. Hassen, weil FLF es auch nach mehreren Jahren Anlauf nicht schafft, den uralten Alp Ruschein Sessel in Rente zu schicken, neue Anlagen an interessanten Hängen wie z.B. der Pulver-Piste zu bauen, und bei einem der teuersten Skipasspreise der Schweiz ein verhältnismäßig altmodisches Liftangebot mit z.B. gerade einmal 2 6KSBs besitzt. Feiern, weil durch diese Politik das konkurrenzlos gute Verhältnis von Pistenfläche zu Bahnen nicht beeinträchtigt wird und auch zu Stoßzeiten kaum Warteschlangen entstehen. In jedem Fall verfolgt Gurtner ein ehrgeiziges und m.E. richtiges Ziel: er will FLF für Nicht-Graubündener interessanter machen, die aufgrund der vielen kalten Betten (Zweitwohnungen von vermögenden Schweizern, die jedoch nicht vermietet werden [müssen] und somit fast das ganze Jahr kaltstehen), einem Problem vieler Schweizer Skiorte, kaum eine Möglichkeit besitzen, in FLF zu übernachten. Das Riderspalace und das neue Rocksresort, eine Gruppierung von monolithartigen Apartmentblöcken mit Resortcharakter (Restaurants, Bars, Shops, Information, ...), werden jedenfalls sehr gut angenommen. Das Rocksresort vermittelt inzwischen eine echte Piazza-Atmosphäre und lädt zum Verweilen ein. Die neu geplante Indoor-Halle mit ihrem 365-Tage Angebot für Freizeit- und Funsportler (siehe Projekte) soll dieses Clubfeeling vermutlich noch verstärken. Nur, dass damit kein Familien- oder Seniorenclub gemeint ist, sondern konsequent auf junges Publikum gesetzt wird. Der Wandel vom mondänen Skiort für reiche Schweizer zum HotSpot der ebenfalls recht vermögend wirkenden Freestyle-Szene (sowohl Ski als SB) dauert also weiter an.
Zurück zu den Bahnen: ein Ersatz für die Sesselbahnen bei La Siala oder Alp Ruschein halte ich weiterhin für vorerst überflüssig. Alp Ruschein, sofern geöffnet, bietet einmalig schöne Hänge mit großzügigen Freeride-Arealen, die es zu schützen gilt - auch vor Überfüllung. La Siala kann lediglich vom Vorab und von einer der 5 Mutta Rodunda-Abfahrten aus angefahren werden und besitzt ebenfalls nur dann einen außergewöhnlichen Reiz, wenn der Ansturm der Massen "zwangsreguliert" wird. Viel eher gehört m.E. der Alp Dado SL durch eine 4/6KSB ersetzt, der dann die momentan fast menschenleere, aber qualitativ hochwertige "Pulver"-Abfahrt angemessen befüllen kann. Denkbar wäre auch eine Sesselbahn für Wiederholungsfahrten, die am Fuße der Pulver startet.
Dass sich die hier vorgestellte und von mir tendenziell eher unterstützte Politik der Bergbahnen nicht mit dem in der Hauptsaison sehr hohen Ticketpreis verträgt, ist freilich ein schlagendes Argument. Hier sollte FLF dringend einen mindestens zweijährigen Freeze einlegen, um das Preis-Leistungs Verhältnis anzupassen.
Ein kurzes Wort noch zur scheinbar/anscheinend sehr vorschnellen Schließungspolitik der Bergbahnen: viele von uns haben sich (wie in vielen Jahren zuvor) wieder einmal gewundert, warum bei akzeptablen Windverhältnissen Anlagen wie La Siala oder Alp Ruschein geschlossen bleiben. Im Falle La Siala haben sich die 2 Aussetzer zumindest voll gelohnt. Durch den jeweils eintätigen Stop wurden das begehrte Freeride-Areal und die schwarze 26 dermaßen geschont, dass am nächsten Tag dort perfekte Verhältnisse vorgefunden werden konnten. Diese Politik mag gerade für Österreich-Fans befremdlich erscheinen - wird doch in vielen Skigebieten dort auf Ach und Krach jede halbwegs stein und dreckfreie Piste geöffnet bzw. offen gehalten. Das Resultat in Extrem kann man sich dann jeden Herbst auf dem Stubaier Gletscher anschauen, wo Menschenmassen den Gletscher beackern.
Im Fall Alp Ruschein stößt die rigorose Schonungsmasche jedoch auch bei mir auf Unverständnis. Nach den heftigen Schneefällen am Dienstag und Donnerstag hätte an einem der zwei Bluebird-Tage der Lift geöffnet werden können, ohne große Einbußen für die Feiertage hinnehmen zu müssen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass FLF wie jedes Jahr den Besuch wert war. Unschöne Vorkommnisse (teilw. Wetter, Anlagenpolitik, Pistenverhältnisse an Tag 1%2) werden durch die freilich nicht weiter investitonsbedürftigen Vorteile (Weitläufigkeit, Länge und Breite der Pisten, Pisten- und Offpiste-Verhältnisse nach Schneefall, Freundlichkeit der Mitarbeiter) wieder ausgeglichen. Durch die nicht schlafende Konkurrenz verliert Laax jedoch nach und nach als reines Skifahrgebiet an Bedeutung, wenn gleichzeitg der Preis steigt. Der Fokus liegt eindeutig im Bereich Lifestyle/Freestyle. Und dort kann man wirklich keine Kritik üben. Die verschiedenen Parks suchen alpenweit ihresgleichen. Der Wandel ist durch den Bevorzugung des Freestyle-Hallen-Baus zuungunsten der Erneuerung div. Anlagen nun endgültig nicht mehr aufzuhalten. Ich prophezeihe mal, dass Laax wirtschaftlich in 5 Jahren besser als heute stehen wird (mehr Übernachtungen durchs Rocks).
Insgesamt möchte ich gerne den eventuell etwas befremdlich anmutenden, aber m.E. akkuraten Vergleich ziehen: Laax ist wie ein iPod. ER bestimmt, was du darfst und was nicht, er ist ziemlich teuer und viele Leute mögen ihn, weil er "in" ist. ER ist jedoch in manchen Bereichen state of the art, er sorgt für Innovationen und er bietet ein Flair, mit dem 0815-Produkte nicht mithalten können.
Insgesamt: 4,5/6
Piste: 4/6
Powder: 5/6
Park: 6/6
Anlagen: 3/6
Apres-Ski: 5/6
Preis/Leistung: 3/6
Empfehlenswert für Leute, die
- ein weitläufiges und abwechslungsreiches Gebiet schätzen
- gerne abseits der Pisten fahren
- ein jugendliches Flair bevorzugen
- gerne im Park fahren
- Wert auf Freundlichkeit legen
Nicht empfehlenswert für Leute, die
- hohe Ansprüche an Pistenpflege haben
- Schlager-Après-Ski bevorzugen
- sehr moderne Anlagen bevorzugen
- reine Pistenfahrer sind
Sooo, ich hoffe, mein erster ausführlicher Bericht hier ist einigermaßen gelungen und gibt ein informatives Bild vom Skigebiet FLF. Ich hatte es in einem anderen Thread bereits erwähnt: hier habe ich das Skifahren gelernt, hier bin ich quasi großgeworden, hier fühle ich mich im Winter (und zunehmend auch im Sommer) zuhause. Insofern mag der Bericht auch etwas durch die "rosa Tastatur" geschrieben worden sein. Ich bitte, das zu verzeihen. Vielleicht sorgt er ja für den notwendigen Ausgleich zu manchen Stunk-Berichten (Zitat: "man findet die Talstation nicht", "ich habe mich auf der Talabfahrt Flims verfahren und fand die Sesselbahn nicht" scnr ).