Anfahrt: Ettlingen - Autobahn 5 - Basel - Luzern - Gotthardautobahn - Andermatt 3:10 h
Wetter: Heiter mit Durchzug von Wolkenfeldern, hohe Berge in Wolken, zwischendurch ~1 Stunde zugezogen (Staubewölkung) mit Schneefall, Tal +3°C bis +8°C, Berg -5°C bis 0°C
Schnee: Tal 0-20 cm Nassschnee, Berg ca. 80 - 200 cm Pulver- oder Hartschnee
Anlagen geöffnet: Alle
Wartezeit: PB Gurschenalp-Gemsstock 2-4 Kabinen, also 10-20 Minuten, sonst keine
Gefallen: Anspruchsvolles Skigebiet, in dem der Skifahrer gefordert wird statt den Hintern gepudert zu bekommen

Nicht gefallen: Hauptbeschäftigungsanlage verursacht als PB zu lange Wartezeiten
Bewertung:











Website: http://www.andermatt.ch/de/bergbahnen/s ... rieb-m450/
Pistenplan:
Da es im scheidenden Winter 2011 zu Ende März allmählich nach schneebedingt vorzeitigem Saisonschluss aussah, wollte ich zwischen Faschings-Familien-Skiurlaub und Saisonabschlusstag Mitte April wenigstens noch einen einzigen Tagesskiausflug unternehmen. Die Mittelgebirge und tiefen Alpenlagen waren bereits abgetaut, also standen nur noch Höhenskigebiete zur Wahl. Weil ich in der laufen Saison bereits auf dem Zugspitzplatt und oft genug im Allgäu war, konzentrierten sich meine Tagesskiziele auf die Zentralschweiz. Nach Engelberg soll die Abschlussfahrt mit Frau Harzwinter im April führen, in Melchsee-Frutt war ich schon öfters, in Andermatt noch nie. Damit stand das Ziel fest.
In Andermatt war das Skigebiet Nätschen-Gütsch wegen abgetauter Südhänge bereits im Saisonschluss, vermutlich einen Monat früher als normal. Da das Skigebiet Winterhorn seit einigen Jahren stillgelegt ist, blieb in Andermatt nur der Gemsstock als Ziel. Über ihn ist im Forum schon viel berichtet worden, weshalb ich nur kurz die eigene Sicht der Dinge präsentiere.
Schon kurz nach halb neun Uhr traf ich auf dem Seilbahnparkplatz ein. Das Wetter war morgens noch ein wenig träge (Schichtbewölkung), besserte sich aber innerhalb der ersten Stunde vor Ort deutlich. Panoramaseitig bot der Tag trotz insgesamt recht guten Wetters nicht viel, denn die meisten hohen Berge trugen den ganzen Tag eine Wolkenmütze. Natürlich wollte ich mit der ersten Bergfahrt sofort nach ganz oben auf den Gemsstock. Alle anderen Besucher aber auch, also betrug die Wartezeit schon morgens 3 Kabinen (= 15 Minuten). Sowohl Bernhard-Russi-Run als auch St. Anna-Abfahrt präsentierten sich in recht gutem Zustand mit hohem Spaßfaktor, wenn z.T. auch wegen fehlenden Schneenachschubs teilweise ausgefahren oder hart. Während die schwarzen Bernhard-Russi-Run-Varianten skifahrerischen Einsatz fordern, bittet die St. Anna-Abfahrt als "Hintenrum-Abfahrt" hauptsächlich landschaftliche Erlebnisqualität; sie führt mal als Piste und mal als Ziehweg um den Berg. Als gegen 10:30 Uhr die Wartezeit für den Gemsstock auf 4 Kabinen (= 20 Minuten) stieg, widmete ich mich vorübergehend den anderen Pisten und Beschäftigungsanlagen.
Die klapprige, langsame, fixgeklemmte Garaventa-DSB Gurschenalp mit ihren historischen, aber zweckmäßigen Gartenbank-Sesseln ist heute schon fast als Museumsanlage anzusehen. Da sie nicht besonders lang ist, verliert man in ihr aber nicht zu viel Zeit, d.h. sie stört nicht. Die Snowboarder wissen sie zu schätzen, denn die Schlepplifte Gurschen und Lutersee stellen eindrucksvoll unter Beweis, dass in den 1960er und 1970er Jahren noch jedes Terrain mit dieser Beförderungstechnologie erschlossen werden konnte und die Skifahrer jahrzehntelang die Fähigkeit besaßen, sie adäquat zu benutzen. Ihre Trassenführungen folgen fast kompromisslos dem welligen Gelände, in dem sich Flach- und erhebliche Steilstücke abwechseln, und fordern bereits bei der Liftfahrt ganzen Einsatz (mal bremsen, mal den Bügel festhalten, um nicht abgeworfen zu werden).

Meine Mittagspause zog ich nach vorn (keine Empfehlung für SB-Restaurant Gurschen - arg rudimentäre Verpflegung!), um während der mehrheitlichen Pause der anderen Besucher wieder Gemsstock-PB mit reduzierter Wartezeit fahren zu können. Der Plan ging auf. Leider sank die Wolkengrenze ab 13 Uhr stetig und verschluckte gegen 13 Uhr zunächst den Gemsstock, weshalb ich wieder zu den Schleppliften zurückkehrte, und eine Stunde später sogar die Bergstation des SCHL Lutersee. Zudem begann es zu schneien. Der größte Teil der Tagesgäste verließ umgehend das Skigebiet per PB-Talfahrt, da die Talabfahrt offiziell gesperrt war. Gegen 14:30 Uhr wurde der Schneefall kurzfristig so stark, dass auch ich an den Abbruch des Skitages dachte und mich bereits vor dem Einstieg in die gesperrte Talabfahrt positionierte. Ein letzter beleidigter Blick zurück ... doch was war das?? Was erkannte ich da hinter dem dichten Flockenwirbel? Blauen Himmel, oder ... ? Tatsächlich! Und nur zwei Minuten später war auch die Silhouette des Gemsstocks wieder zu erkennen. Das war knapp! Am Gemsstock hatte sich also lediglich eine gestaute Schneeschauerwolke aufgelöst. Also ging es statt der Talabfahrt wieder mit der DSB Gurschenalp hinauf zur PB-Station, und anschließend mit nur noch einer Kabine Wartezeit bis zum Betriebsschluss immer wieder auf den Gemsstock, dessen Abfahrten schön in der Nachmittagssonne lagen. Abschließend fuhr ich wie geplant über die zwar offiziell gesperrte, aber auf Restschnee noch sehr gut befahrbare Talabfahrt (übrigens bemerkenswert steil!) zurück zum PB-Parkplatz in Andermatt.
Ein paar Auffälligkeiten im Rahmen des Skitags am Gemsstock:
- Der Seilbahnparkplatz ist gebührenpflichtig. Das kann ich nicht nachvollziehen, denn der größte Teil der Skibesucher am Gemsstock dürfte sich aus Tagesgästen rekrutieren. Ein Teil der Schweizer Tagesgäste reist sicherlich mit dem ÖV an. Aber wer verbringt schon in Andermatt einen einwöchigen Skiurlaub? Ehrlicherweise sollte man hier lieber den Skipass entsprechend verteuern.
- Steht der Schlepplift Gurschen vor der Stilllegung? Im Anlagenverzeichnis des Andermatter Pistenberichts ist er nicht mehr aufgeführt.
- Ist für die Talabfahrt Beschneiung geplant?
- Als Skibesucher in Andermatt kommt man sich verschaukelt vor, wenn man bei guter Nordhang-Schneelage die stillgelegten Seilbahnanlagen am Winterhorn sieht - vor allem dann, wenn Nätschen/Gütsch geschlossen ist und man an der PB Gemsstock 20 Minuten warten muss.
- Beim Blick von oben in den Andermatter Talkessel entsteht aktuell der Eindruck einer Halbwüstenregion - bis auf punktuelle Aufforstungen ist das Tal nach wie vor weitgehend entwaldet, und das auf 1400 Metern. Das kenne ich aus der Schweiz so nicht. Für den Raum Andermatt sollte über ein umfassenderes Aufforstungsprogramm nachgedacht werden - Natur und Tourismus werden es danken.

Fazit:
Das Andermatter Skigebiet Gemsstock ist ein Skigebiet mit Ecken und Kanten, in dem der Skisportler als solcher noch gefordert wird. Das betrifft sowohl Pisten als auch Anlagen und ist gut so, denn damit profiliert sich der Gemsstock gegenüber anderen Zentralschweizer Skigebieten. Ein bis zwei zusätzliche Beschäftigungsanlagen in der obersten Etage würden dem Gebiet gut tun, nicht zuletzt, um die PB zum Gemsstock zu entlasten.
30 Fotos:
Talstation PB Andermatt-Gurschen. Foto ist wegen besserer Beleuchtung vom Nachmittag.
Steile Trasse PB Andermatt-Gurschen. An diesem Hang fehlt für mich - wie an vielen anderen im Andermatter Tal - trotz bereits erfolgter Teilaufforstung immer noch Wald.
PB-Bergfahrt hinauf zur Gurschenalp. Blick auf Andermatt und seine Militärgelände. Wenig Schnee für die Jahreszeit. Hinten beginnt die Schöllenenschlucht.
PB Andermatt-Gurschen mit Solarantrieb.

PB Gurschen-Gemsstock. Eine Pendelbahn als Hauptbeschäftigungsanlage ist im 21. Jahrhundert wegen der Wartezeit bei Andrang keine gute Idee mehr ... wenn sie in ferner Zukunft ersetzt wird, sollte man über eine Zweiseil-Umlaufbahn-Lösung nachdenken.
PB Gurschen-Gemsstock. Interessante Stützen.
PB Gurschen-Gemsstock vor der Einfahrt in die Bergstation Gemsstock. Links auf dem Grat sieht man noch die Fundamentreste der Stütze der Vorgängeranlage.
Leider wenig Aussicht heute ... hier von der Plattform auf dem Gemsstock. Die meisten hohen Berggipfel stecken in den Wolken.
Einstieg in die Anfahrten unterhalb der PB-Bergstation auf dem Gemsstock.
Einstieg in die Anfahrten unterhalb der PB-Bergstation auf dem Gemsstock. In Bildmitte links der Einschnitt des Oberalppasses.
Bernhard-Russi-Run am Gemsstock. Anspruchsvoller Pistenspaß, schön steil!
Bernhard-Russi-Run-Variante von oben gesehen. Hier erkennt man die Steilheit der Trassierung.
Bernhard-Russi-Run-Variante von unten gesehen. Sieht aus dieser Perspektive längst nicht so steil aus, wie sie tatsächlich ist.
Rückblick von der Gurschenalp zu den Bernhard-Russi-Pisten am Gemsstock.
DSB Gurschenalp. Garaventa-Geklapper von 1962.
SCHL Gurschen und DSB Gurschenalp. Garaventa Style 1962, wobei der Schlepplift laut ATV von Bühler gebaut und von Garaventa lediglich montiert wurde.
DSB Gurschenalp. Macht trotz ihrer Betagtheit einen gepflegten Eindruck.
Skipisten auf der Gurschenalp mit Blick zum Oberalppass.
SCHL Gurschen von 1962. Damals wurde noch fast jedes Terrain per Schlepplift erschlossen, egal wie viele Flach- und Steilstücke die Trasse enthielt.

Fahrt im Schlepplift Gurschen mit PB-Mittelstation.
SCHL Lutersee. Was für eine Anlage! Die Trasse sieht von unten harmloser aus, als sie ist, und ist schwieriger zu fahren als die Piste. Mir macht's Spaß.

Kurve des SCHL Lutersee.
SCHL Lutersee. Einige Trassenstücke lassen sich nur noch durch totale Vertikale toppen.

Nach Eintrüben und Schneefall am Frühnachmittag reißt es wieder auf. DSB Gurschenalp.
St. Anna-Abfahrt am Morgen. Hier ist wenig Betrieb.
St. Anna-Abfahrt am Nachmittag. Wie schön wäre hier eine zusätzliche Beschäftigungsanlage ...
Blick zur Oberalpstraße und zu dem, was von den Skihängen Nätschen-Gütsch Ende März 2011 übrig geblieben ist. Dort ist bereits Saisonschluss - kein Wunder.
Skigebiet Nätschen-Gütsch am Südhang Ende März schon weitgehend abgetaut. Da geht nix mehr.

Talabfahrt. Offiziell wegen Schneemangels gesperrt, aber auf dem reichlich vorhandenen Restschnee mit etwas Orientierungsvermögen sehr gut zu fahren.
Andermatt hat auch schöne Seiten ... erinnert mich an Splügen.