Nachtrag und Gebietsvorstellung
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Der Bericht ist nicht mehr ganz taufrisch, aber im März wollte ich endlich mal den vielen Diskussionen um das Garmischer Kerngebiet auf den Grund gehen. Die Meinung hier ist häufig negativ, so richtig objektiv belegen kann das aber keiner der üblichen Kritiker. Also mache ich mich frohen Mutes auf nach Garmisch und es sollte ein guter Skitag werden. Es ist wochentags, also nicht los, frühlingshaft warm und strahlender Sonnenschein, was will man mehr.
Die Anfahrt zur Hausbergbahn zieht sich etwas durch den Ort, bei viel Betrieb am Wochenende ist das sicherlich stauträchtig. Das Umfeld der Talstation lässt eher weniger die Möglichkeit zum Skilauf vermuten, es ist bereits um 8:30 Uhr äußerst warm, Schnee liegt abseits der Pisten keiner, die Wiesen fangen schon an, grün zu werden. Aber der Blick nach oben zeigt mir ein weißes Band mit ein paar Schönheitsfehlern, also wird das doch was mit dem Skifahren

Gleich zu Beginn stürze ich mich die frisch präparierte, noch harte und unruhig zu fahrende Horn hinab. Der Schnee ist mengenmäßig recht grenzwertig, aber noch geht es ganz gut. Eigentlich eine typisch bayerische Abfahrt, enge Waldschneise mit vielen Kurven und Kanten, unten raus dann mehr Almwiesen zum Cruisen und Carven.
Wieder oben angekommen geht es rüber zum Adamswiesenlift, die weiterführende Talabfahrt Kochelberg ist leider gesperrt. Eigentlich hätte die Schneeauflage noch reichen müssen, die Pistenbullys waren unterwegs, aber geöffnet ist die Abfahrt im weiteren Saisonverlauf m.W. nicht mehr gewesen. Ist die im Normalfall überhaupt noch geöffnet?
Die Piste am Kurvenschlepper mit äußerst steiler Trasse, die nicht vollständig vom Bully präpariert werden kann, ist nicht schlecht aber auch nicht herausragend.
Das gilt übrigens für das ganze Hausberg-Areal. Es gibt ein paar nette Hänge auf der Horn, ansonsten aber schwer mittelmäßig, also schnell weiter.
Doch bevor man in den nächsten Sektor kommt, muss man noch den Kreuzwankl mitnehmen. Im Grunde ist das ein riesiges Anfängerareal, die KSB macht kaum Höhenmeter, dafür gibt es reichlich breite Waldschneisen in alle Richtungen mit ebenfalls sehr moderatem Gefälle. Zum Üben nett, aber meist hoffnungslos überlaufen und für den Ambitionierten äußerst uninteressant. Fotogen ist der Lift und Hang aber allemal, deshalb einige Bilder, in Anschluss trotzdem schnell weiter, nachdem ich noch den Tröglhang-Lift mitnehme.
Der mittlere Sektor um Kreuzeck und Kreuzjoch beheimatet dann die Wettkampfstrecken der Ski-WM, die berühmte und berüchtigte Kandahar. Im Zuge der Umbauarbeiten für die Weltmeisterschaft hat man hier nun moderne Liftanlagen mit nicht übertriebener Kapazität (führt an Wochenenden allerdings zu nicht unerheblichen Wartezeiten), dafür viel Pistenfläche. Dieses Verhältnis passt auf alle Fälle.
Einzig der folgende Kreuzungspunkt ist kritisch, da die Skifahrer von oben aus drei Richtungen kommen und sich auf vier weiterführende Abfahrten verteilen müssen. Hier ist Vorsicht geboten.
Über die Olympia-Abfahrt erreicht man die neueste Anlage, die 4er KSB zum Kreuzjoch. Neuerdings mit Hauben und Sitzheizung, dafür mit etwas weniger Kapazität, transportiert die Bahn einen auf extrem steiler Trasse hinauf zum Startpunkt der Kandahar.
Das Panorama reicht vom gegenüberliegenden, völlig schneefreien Wank über das oberbayrische Oberland, die Ammergauer Berge rüber zu Wetterstein und Karwendel.
Hinunter zur Talstation der Kreuzeckbahn führen inzwischen drei Varianten, die beiden Kandahars (Damen und Herren) und die Olympia. Ein Musterbeispiel für den unmittelbaren Vergleich des Pistenbaus in Vergangenheit und Gegenwart. Die Olympia ist eher schmal und kurvig, die Kandahar eine Hochgeschwindigkeitsabfahrt, breit, eher geradeaus. Insgesamt alle Abfahrten aber schön abwechslungsreich, die Kandahar insbesondere im oberen Bereich völlig zurecht schwarz markiert. Einmal mehr Respekt an die Abfahrer im Weltcupzirkus!
Die ZUB bringt einen von dort schnell wieder nach oben, sodenn man unten nicht anstehen muss. Eine tolle Bahn, leider mit ziemlich hässlichen Stützen.
Im Bergstationsbereich der ZUB erschließt die Hexenkesselbahn einen sehr kurzen, aber netten Hang.
Einzig die Querfahrt hinüber zur Kandahar und 4KSB ist ziemlich lästig, ansonsten ist der Sektor optimal ausgebaut. Eine alternative Erschließung „direkt“ zu den Hauptabfahrten hätte allerdings zusätzliche Anlagen zur Verbindung zum Hexenkessel und weiter zum Osterfelder-Sektor nötig gemacht. Außerdem dürfte der Standort für den Sommerbetrieb besser sein, in Garmisch eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle.
Wieder unten angekommen – inzwischen zeigte das Thermometer 17° an – geht es in die etwas höheren Gefilde des Osterfeldergebiets, dem dritten großen Sektor in Garmischer Classic. Mit der Alpspitzbahn vollzieht sich der Wechsel ziemlich rasch, die Pendelbahn besitzt beachtliche Daten: 1300 Höhenmeter auf 3,8 km Länge, nette Strecke, da kommt ein schönes Fahrfeeling auf!
Oben gilt es zunächst die Aussichtsplattform zu inspizieren, die harmloser aussieht als einen die kontroversen Diskussionen vermuten lassen. Der Bergstationskomplex ist wahrlich auch keine Augenweide. Das Panorama ist jedenfalls exzellent, der Flachlandblick ist immer wieder genial, dazu die Zugspitze, Wetterstein, Karwendel, etc.
Hier oben herrscht eine gemütliche – neudeutsch chillige – Atmosphäre, auf der Terrasse dröhnt noch der Radio aus alten Lautsprechern, davor dreht der geniale Osterfelderlift seine Runden. Genial? Diesen kurzen Schlepper? Richtig, ich finde den Lift mit seiner Atmosphäre richtig toll. Lang ist er freilich nicht, nicht flach, aber auch nicht steil, hier macht es das Flair aus.
Keinerlei Sicherheitseinrichtungen wie Zäune, kein überflüssiges Schild, die Lifttrasse führt zum Teil mitten über die Piste, bei den Frühjahrsbedingungen sitzen die Liftler im T-Shirt vor ihrem Häuschen in der Sonne, einfach perfekt! Ich glaube, jetzt kann ich mir den Reiz des Sommerschis vorstellen, das ist jedenfalls ein Hauch davon.
Deshalb auch unbegreiflich, warum der Lift nicht im offiziellen Pistenplan verzeichnet ist? Hatte ich nur Glück und der ist so selten in Betrieb? Mir fällt generell kein vernünftiger Grund ein, einen Lift einfach zu verschweigen, aber diesen sowieso nicht. Denn die ganze Hochalmabfahrt ist für Wiederholungsfahren aufgrund der Ziehwege nicht so reizvoll, auch wenn die Landschaft äußerst spektakulär ist.
Leider ist der Bernadeinlift geschlossen, somit fehlt eine der besten Abfahrten in Garmisch. Schade, aber bei dem Wetter zu verkraften.
Weiter geht es zum Längenfelderhang. Ebenfalls recht kurz und aufgrund der direkten Sonneneinstrahlung weich und tief. Da aber noch nicht viele runtergefahren sind, ziemlich genial. Nach der dritten Fahrt geht sich ein kurzes Schwätzchen mit dem Liftler aus, es passt einfach alles gerade

Die warmen Temperaturen mahnen mich, wieder weiter rauf zum Osterfelderkopf zu fahren und auf der Terrasse bei einem kühlenden Getränk die Seele baumeln zu lassen…
Als die Sonne langsam verschwindet, heißt es sich langsam zum Hausberg zurückzukämpfen. Kämpfen trifft es in diesem Fall ganz gut, der Schnee ist schwer und zerfahren, außerdem fast nur Querfahren, Ziehwege und auch ein paar wenige kurze Anstiege.
Was bleibt als Urteil übrig? Ich weiß immer noch nicht, warum es hier ein solches Garmisch-Bashing gibt. Sicher ist hier nicht alles perfekt, aber das ist es anderswo genauso wenig. Das Gebiet ist für deutsche Verhältnisse sehr gut ausgebaut, einzig am Osterfelderkopf gibt es noch Nostalgie-Faktor. Dort passt er aber auch perfekt hin, das Gelände dort ist im Grunde nicht sonderlich skitauglich, die Hänge eher kurz. Da passen die Schlepper und DSB’s auch hin. Und an der Topographie können die Bergbahnen sowieso nichts ändern.
Letzlich weiß das sowieso keiner mehr so genau, aber es ist wohl leider zur unter vielen Usern verbreiteten Meinung gekommen, dass Garmisch schlecht ist. Stimmt nicht!
Wenn man nicht mit den Erwartungen an ein Gebiet zum Höhenmeterfressen und Speedcarven à la Saalbach oder Ischgl nach Garmisch fährt – was für einen Alpinforumler mit dem vorhandenen Hintergrundwissen nicht passieren sollte – sondern auch die anderen bayerischen Gebiete im Hinterkopf behält (da gibt es mindestens genauso viele Ziehwege, zusätzlich meist mehr herumstehenden Liftschrott), ist das Garmischer Classic-Gebiet ein wirklich nettes Skigebiet für einen oder ein paar Tage! Empfehlen würde ich aufgrund der vielen Nordhänge aber eher das Frühjahr. Ich werde sicher wieder einmal herfahren, wenn auch nur unter der Woche.