
Zur Sache:
Von der Liftgesellschaft schon länger angekündigt ist es jetzt auch auf der Leitnerseite zu lesen: die alte PB zum Passo Paradiso wird durch eine 2S Bahn ersetzt (ich konnte nicht ersehen, ob es eine ZUB, eine DMC oder ein Funitel sein soll).
Kurz zum Gebiet:
Die Funivia del Passo Paradiso stellt derzeit die erste Sektion des Zugangs zum Presenagletscher seitens des Passo Tonale dar und ist gleichzeitig Pforte zu den rassigen und sportlichen Nordhängen südlich der Paßstraße, die die Lombardei mit dem Trentino verbindet. Die Bahn aus dem Jahr 1963 (?) stellt ein Glanzstück aus der berühmten Seilbahnschmiede Ceretti und Tafani, die einige der kühnsten Seilbahnen Italiens realisiert hat gleichzeitig Pionier auf diesem Sektor war. So ist auch diese Bahn ein Schmuckstück dar, das durch eine kühne Trassenführung durch die steile Scharte, vorbei an wuchtigen Felswänden über eine einzige Stüze hinauf zum Passo Paradiso, besticht. Oben angekommen öffnet sich ein weites und extremst schneesicheres Hochtal vom einem außerprdentlichen Landschaftlichen Reiz. Ursprünglich schloss sich an diese Bahn ein Grafferkorblift an, der zum Fuße des Gletschers reichte und heute durch eine (Leitner?) DSB ersetzt wurde. Die ursprünglichen Graffer Schlepplifte auf den Firnfeldern des Presenageltschers wurden mittlerweile ebenfalls ernuert, leicht versetzt und durch die zwei weitere Gletscherlifte erweitert. Außerdem wurde unterhalb im Hochtal zwischen Presenagletscher und Passo Paradiso eine weitere DSB installiert, die mehrere sehr lange und schöne Abfahrten erschloss, mittlerweile aber stillliegt (und mir an Sylvester 2002 bei 4m Schnee meine bis jetzt einzige Gelegenheit bot, auf einem Stützenkopf zu frühstücken

Zu der neuen Bahn:
laut Plan müssten die Arbeite im April begonnen haben. Da ich wohl in der ersten Juniwoche zwecks Sommerski dort sein werde, kann ich dann aktuelles berichten.
Vorteile:
- die neue Bahn wird ihre Talstation direkt an der Paßhöhe haben und nicht wie die jetzige PB deutlich oberhalb, so dass der bisher nötige zehn minütige Fußmarsch vom anderen Gebiet - nördlich des Passes - entfällt.
Nachteile:
- also erstmal geht hier natürlich ein Schmuckstück italienischer Seilbahnbaukunst verloren, was höchst bedauerlich ist. Aber zu den objektiveren Nachteilen:
- kapazitätsmäßig wird die neue (teure!) Bahn nicht gebraucht. Selbst bei strahlend blauem Himmel in der Sylvesterwoche konnte man jedesmal mit der ersten Gondel ohne Wartezeit mitfahren. Das liegt vor allem daran, dass der Passo Tonale jedemenge hervorragend erschlossene, sonnige Südhängemit leichten bis mittelschweren Pisten in diversen Variationen und ausreichernder Länge bietet. Die schattigen und steilen Nordhänge sind also nur für Könner interessant. Die etwas abgeschiedene Lage der Bahn tat ein Übriges. Die Bahn ist ihrer Aufgabe auch nach heutigen Ansprüchen mehr als gerecht geworden.
- die Fahrzeit dürfte sich bei der langen Trasse und geplanten 5 m/s wohl kaum verkürzen - im Gegenteil hab ich mir schon sorgen gemacht, dass sie nicht sogar länger wird!
- die optisch spektkuläre Scharte, die in ihrem extremst steilen Finale kaum Platz für die Bergstation der Seilbahn bietet, wird durch die vielen Stützen, die die 2S Bahn vermutlich benötigt, mit hoher Wahrscheinlichkeit ziemlich verschandelt. Auch wird wohl bei geringerem Bodenabstand der atemberaubende Ausblick aus der Kabine leiden.
- ein Hauptkritikpunkt ist aber, dass die Bahn derezit im gesamten Sektor das stärkste Glied darstellt. Viel dringender sind zwei andere Baumaßnahmen erforderlich:
a) der Anschlusssessellift: eine ewig lahme DSB, die oft sehr kalt ist und eine halbe Ewigkeit hinauf zum Gletscher braucht. Man kommt auch bei gutem Wetter ziemlich durchgfroren oben an, da von den Gletscherfeldern immer ein kalter Wind herab bläst. Im Sommer ist die Bahn sowieso total fehl am Platze, weil eine Sesselbahn als Sommerzubringer eines Gletscherschiegebiets einfach total unkomfortabel ist und speziell diese auch noch einen Fußmarsch zum Gletscher erfordert, da sie ein Stück entfernt vom Gletscherrand entfernt ankommt. Diese Bahn müsste viel dringender als die PB durch eine schnelle und sommertaugliche Bahn ersetzt werden.
b) die andere DSB, die seit Jahren stillliegt, müsste dringend durch eine KSB ersetzt werden. Sie erschließt nicht nur die interessantesten Pisten des Sektors (im Übrigen auch die längsten mit dem größten Höhenunterschied (1000m statt derezeit maximal 500m im oberen Sektor)), sondern sorgt auch für die nötige Vielfalt dort oben. Der ganz große Vorteil dieser Bahn war aber immer die Tatsache, dass man die extrem lange Flachstück zwischen Gletscher und Passo Paradiso umgehen konnte, indem man zu dieser DSB abgefahren ist und von dort zurück zum Passo Paradiso. Heute muss man gewungermaßen den direkten Weg fahren, was eine Mordschieberei bedeutet. Auch der Ersatz dieser Bahn ist viel wichtiger als der der PB
- schließlich ist gar nicht auszuschließen, dass die bessere Anbindung der neuen Bahn und psychologische Faktor, dass eine von einer Gondelbahn erschlossene Piste eventuell weniger abschreckend wirkt als eine durch eine kühne PB erschlossene Scharte, dafür sorgen, dass künftig deutlich mehr Skifahrer auch in diesen Sektor vordringen. Allerdings führt spätestens das zu einem endgültigen Kollaps der Anschlusslifte - wo noch dazu oben derzeit ohne die andere DSB gar nicht genug Pisten existieren für mehr Leute. Andererseits ist aber die Talabfahrt durch die Paradisoscharte nach wie vor eine schwierige Piste - eine Menge weniger gute Fahrer, die sich hier herunterquälen, weil sie mal die andere Seite ausprobieren wollen, tun weder sich, noch denjenigen die diese Piste in leerem Zustand genießen könnten, einen Gefallen. Gerade wenn man bedenkt, dass der Passo Tonale auf der anderen Seite wirklich genug Pisten aller Schwierigkeitsgrade bietet, die ebenfalls beachtliche Höhenunterschiede aufweisen und teilweise mehrere Kilometer lang sind. Bis jetzt hat sich durch die etwas abgeschiedene Lage der PB die ganze Sache immer selbst geregelt - die meisten Leute sind auf den Sonnenhängen geblieben und für die restlichen 20% hat das bestehende Liftsystem ausgereicht. So wird hier ein funktionierendes Gleichgewicht angerührt.
Fazit: Am Passo Tonale ist in den letzten Jahren viel geschehen. Diverse Bahnen sind durch moderne KSBs ersetzt worden, sogar eine Neuerschließung hat es gegeben. Das Gebiet war bis dato Musterbeispiel für einen vernünftigen Ausbau, wenn man mal davon absieht, dass gerne mal Bergstationen von Ersatzbahnen ein paar Meter weiter unten standen als ihre Vorgänger. Gerade an den beiden Rändern ist das Schigebiet mit seinen schnellen und effizienten KSB mit Wetterschutzhauben aber sehr attraktiv geworden - lange schöne Pisten mit Liften die zu Wiederholungfahrten einladen.
Um so bedauerlicher ist jetzt dieser Fehlgriff. So schön die Lage der neuen Talstation auch sein mag - der Ersatz dieser Bahn war weder dringend noch überhaupt nötig, das Geld hätte sinnvoller investiert werden sollen. Darüber hinaus bildete dieser Sektor des Gebiets ein kleines, aber feines und eigenständiges System, das jetzt aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Schließlich wird vermutlich auch die weithin sichtbare, wuchtige und beindruckende Nordflanke des Adamellomassifs durch eine größere Anzahl Stützen verschandelt - es bleibt abzuwarten inwiefern diese geschickt in dei Landschaft integriert werden, auch wenn die bsiherige Erfahrung mit solchen Bahnen nichts Gutes ahnen lässt. IN drei Wochen weiß ich mehr.
Alles in allem eine vertane Chance - Schade drum!