Sehr geehrter Herr xxx,
vielen Dank für Ihre Mail vom 13. Februar zum Thema Urheberrechtsreform. Unser Büro hat sehr viele Zuschriften zu diesem Thema erhalten und es ist mir nicht möglich auf jede Mail sehr detailliert einzugehen.
Nach Durchsicht der „personalisierten“ Nachrichten, die ich erhalten habe, habe ich zweierlei Eindrücke gewonnen: Zum einen, dass es sehr viele Menschen gibt, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben und sich die Zeit genommen haben, ihre Bedenken ausführlich zu kommunizieren - wie Sie das getan haben (Während ich diese Form der demokratischen Partizipation für sehr wichtig halte, bin ich enttäuscht, dass ein Großteil der Zuschriften automatisierte Serienbriefe waren, die lediglich den Zweck verfolgten, meine Postfächer überlaufen zu lassen).
Zum anderen war in vielen persönlichen Zuschriften deutlich erkennbar, dass etliche Falschinformationen zur Urheberrechtsreform kursieren. Viele Bürger haben wohl den Eindruck gewonnen, die EU wolle Videos im Internet gänzlich verbieten oder mit Filtern ihren gesamten E-Mail-Verkehr nach urheberrechtlich geschütztem Material durchsuchen. Außerdem wurde zum Teil mit Vorwürfen gegen die Reform argumentiert, die klarer Unsinn sind - einer der unsinnigsten ist der Vorwurf, es werde durch Artikel 13 die Meinungsfreiheit eingeschränkt oder Zensur betrieben.
Um nun auf Ihren speziellen Fall ein wenig einzugehen: Eine Überprüfung, ob urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen wird, kann z.B. auch durch Mitarbeiter/Admins vorgenommen werden. Im Text steht lediglich, dass die Plattformen nach industrieüblichen Standards größtmögliche Anstrengungen („best efforts“) machen müssen, um nicht autorisierte Werke ausfindig zu machen. Diese „best efforts“ müssen zudem nur verhältnismäßig zur Plattformgröße, Besucherzahl und Menge der Werke stehen. Eine kleinere Plattform muss daher nicht dieselben Anstrengungen vornehmen, wie eine größere.
Abgesehen davon ist es fragwürdig, ob das von Ihnen genannte Forum überhaupt in den Geltungsbereich von Artikel 13 fällt, der für ‘online content sharing service provider’ gilt. Darunter versteht die neue Richtlinie unter Artikel 2 Plattformen, deren "main purpose" die Bereitstellung großer Mengen von urheberrechtlich geschütztem Material ist.
Allgemein habe ich versucht, die Problematik, die wir generell mit der Reform des Urheberrechts lösen wollen, untenstehend in aller Kürze zu erklären. Sollten Sie nach Lektüre dieser noch offene Fragen haben, finden Sie eine detaillierte Erklärung auf meiner Webseite unter:
https://www.angelika-niebler.de/phpwcms ... ikel-13-11.
Wozu die Reform des Urheberrechts?
Kreative müssen Geld für ihre Arbeit bekommen. Was in der „analogen Welt“ niemand bestreitet, ist im Internet bisher nicht zufriedenstellend geregelt. Wer weiterhin qualitative Inhalte konsumieren will, sollte dafür eintreten, dass Urheber für ihre Werke auch im Internet fair entlohnt werden.
Große Internetplattformen in die Verantwortung nehmen. Diese Plattformen verdienen auch damit Geld (z.B. durch Werbung), dass manche Nutzer ohne Zustimmung der Urheber geschütztes Material hochladen. Deswegen sollten Plattformen die Verantwortung dafür tragen, dass Verletzungen des Urheberrechts verhindert werden.
Upload-Filter sind kein Muss. Und selbst wenn Erkennungssoftware verwendet wird (was YouTube bereits tut), werden nur dort Uploads verhindert, wo die Besitzer der Urheberrechte vorher der Plattform Informationen über geschützte Werke zur Verfügung gestellt haben.
Ausnahmen vom Artikel 13
Alles das gilt nur für Plattformen, die ein Geschäft damit machen, dass Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte hochladen können!
Nicht betroffen sind unter anderem:
• Wikipedia (oder ähnliche Plattformen)
• Open Source-Plattformen
• Plattformen, bei denen nur die Rechteinhaber selbst hochladen
• Nicht-kommerzielle Plattformen
• Dropbox (oder ähnliche Plattformen)
• Ebay (oder ähnliche Plattformen)
• Dating (oder ähnliche Plattformen)
Ausgenommen von der Regelung sind außerdem hochgeladene Inhalte zum Zweck des Zitats, der Kritik, der Rezension, Karikatur und der Parodie - darunter können auch Memes fallen.
Sollten Sie diese Ausführungen nicht überzeugt haben, dann empfehle ich Ihnen auf meiner Webseite einen Blick auf die detaillierte Erklärung zu Artikel 13 und Artikel 11 zu werfen. Sollten Sie dann noch immer befürchten, die EU wolle das Internet in seiner jetzigen Form zerstören, dann respektiere ich das ebenso und bin mir sicher, dass sich diese Furcht nach der Umsetzung der Reform für Sie bald als unbegründet herausstellen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Angelika Niebler, MdEP