HANDELSBLATT, Freitag, 20. Januar 2006, 09:00 Uhr
Fifa sorgt für ein "Klima der Angst"
Der Fußballweltverband macht sich im Vorfeld der Weltmeisterschaft nicht nur Freunde. Von Flensburg bis Füssen wächst der Unmut.
HB FRANKFURT. Ob die peniblen Vorschriften der Fifa für den Stadionumbau (30 Zentimeter Rückenlehne), ihr Anspruch auf Hoheit über die Stadien oder das aggressive Durchdrücken ihrer Vermarktungsansprüche: Wirtschaft, Kommunen und Politiker fühlen sich vom Fußballweltverband zunehmend gegängelt.
Von "Knebelverträgen" schimpfte Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, von "knallharten Bedingungen" sein Kollege Bernhard Deubig aus Kaiserslautern. Am Montag platzte Peter Danckert der Kragen. Dass die Fifa nach der Absage der WM-Gala in Berlin nun angeblich auch eine geplante Ersatzparty am Brandenburger Tor verhindern wolle, "das geht wirklich zu weit". Letztlich lenkte die Fifa dann doch ein und sagte dem Berliner Senat nach zähen Verhandlungen mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit eine Million Euro Zuschuss für die Ersatzveranstaltung zu.
Dabei kommt die Einmischung aus Zürich keineswegs unangekündigt. Denn alle möglichen Partner haben dem Fifa-Diktat zugestimmt, schon bevor Deutschland vor fünfeinhalb Jahren den Zuschlag erhielt. Punktgenau nachzulesen sind viele Vorgaben im "Pflichtenheft zur WM 2006". In der Präambel heißt es: Der DFB und das Organisationskomitee unterliegen "der Überwachung und Kontrolle der Fifa, die in allen Punkten letztinstanzlich entscheidet".
Die letzte Instanz in einem der brisantesten Streitfälle hat indes noch nicht gesprochen: Es geht um den Wunsch des Schokoladeproduzenten Ferrero, seine traditionellen Sammelbildchen in "Hanuta" und "Duplo" mit der Wortbildmarke "WM 2006" zu bewerben. Ferrero wollte sich das von der Fifa nicht verbieten lassen, die wiederum den Bundesgerichtshof anrief, weil sie sich die Marke "WM 2006" hat sichern lassen. Mit einem Urteil wird vor der WM nicht gerechnet, dabei stehen erhebliche Regressforderungen auf dem Spiel.
Wie aggressiv die Fifa versucht, mit Abmahnungen oder Klagen jede Form des so genannten Ambush-Marketings von Trittbrettfahrern zu unterbinden, die nicht zu den 15 Hauptsponsoren oder sechs nationalen Förderern gehören, weiß Stefan Engels von der Sozietät Lovells. Er und seine Kollegen betreuen eine Vielzahl von Unternehmen, die Angst vor teils drakonischen Strafen haben. Der entstandene Druck sei im Interesse der Fifa, sagt Engels. "Die Mandanten werden sehr vorsichtig"; und würden so davon abgehalten, ihre rechtlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen.
Für Zähneknirschen in Kommunen und Vereinen sorgt auch die Bannmeile um die Stadien: Innerhalb eines umzäunten Sicherheitsrings darf es während der WM keine Hinweise auf Partner oder Sponsoren der Heimvereine geben, von Fanshops bis zu Zapfhähnen muss alles abgeklebt werden. Selbst die Stadionnamen müssen, wie im Fall der Hamburger AOL-Arena oder der Münchner Allianz-Arena, kostspielig abmontiert werden. Entlang der Wege von wichtigen Hotels zu den Stadien hat sich die Fifa Werbefläche sichern lassen, die mit Plakaten der offiziellen Sponsoren tapeziert werden.
Die Forderungen gehen laut Engels teilweise über deutsches Recht hinaus. So seien etwa Fragen, inwieweit die Fifa die Berichterstattung der Medien reglementieren, für das so genannte Public Viewing Lizenzen vergeben oder öffentliche Flächen vereinnahmen könne, juristisch noch nicht hinreichend geklärt, sagt er. Und nur die wenigsten hätten den Mut wie Ferrero, sich auf einen Rechtsstreit mit der Fifa einzulassen, so dass sich der Weltverband meistens durchsetze.
Den Unmut kontert die Fifa mit dem Hinweis auf ihre Pflicht, den internationalen Sponsoren und nationalen Förderern von Yahoo bis zur Deutschen Bahn Exklusivität zu sichern - immerhin zahlen diese dafür etwa 650 Mill. Euro. Ohne das Geld wäre die WM, die die Fifa und das Organisationskomitee rund eine Milliarde Euro kosten, nicht auszurichten. Dennoch hat Gregor Lentze, Geschäftsführer der Fifa Marketing & TV Deutschland GmbH, Verständnis für das Grollen in den Rathäusern. "Anfangs war das für viele sicher ein Kulturschock", zitiert ihn der "Spiegel".
Doch nicht nur Wirtschaft und Kommunen müssen sich der Fifa unterordnen, auch die Bundesregierung hat zahlreiche Garantien abgegeben. So wird sämtlichen Fifa-Mitgliedern für die WM eine Abgaben-, Gebühren- und Steuerfreiheit gewährt. Der unüberschaubare Tross des Weltverbandes aus aller Herren Ländern hat weitgehenden Anspruch auf Ein- und Ausreisefreiheit. Und für Ausländer, die mit der WM zu tun haben, wird das deutsche Arbeitsrecht teilweise außer Kraft gesetzt.
Das Pflichtenheft als Grundgesetz? Von einem "Diktat der Macht" des Weltverbandes über "Fifa"-Land schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" bescheinigt dem Veranstalter, mit seiner Regulierungswut unter Unternehmern ein 2Klima der Angst" zu erzeugen. Rechtsanwalt Engels sagt: "Die Empörung wächst.
Quelle:
www.handelsblatt.com