Die Vertuschung
Die Bozner Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen zur Masken-Affäre eingeleitet. Dabei wird man auch auf einen Vorgang stoßen, der noch weit skandalöser ist.
Christoph Franceschini 08.04.2020
Die Ermittler waren diesmal fast zu schnell.
Am frühen Montagnachmittag wurden Beamte der Carabinierisondereinheit NAS am Sitz des Südtiroler Sanitätsbetriebes vorstellig. Der Besuch erfolgte auf Weisung des stellvertretenden Staatsanwaltes Igor Secco, der Vorermittlungen zu der von Salto.bz enthüllten Affäre um die chinesischen Atemschutzmasken aufgenommen hat.
Die Ermittler ersuchten Generaldirektor Florian Zerzer um die Aushändigung von zwei Dokumenten.
Zum einen um die Zertifikate der gelieferten Masken.
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In einem freundlichen Gespräch händigte Florian Zerzer Kopien dieser Zertifikaten umgehend den Carabinieri aus.
Warten auf das Gutachten
Auf das zweite Dokument mussten die Ermittler länger warten. Die NAS-Beamten ersuchten auch um die Aushändigung einer Kopie des von Salto.bz exklusiv veröffentlichen Prüfgutachtens des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT) zu den Atemschutzmasken
Doch das zentrale Dokument in dieser Affäre konnte merkwürdigerweise auf die Schnelle in der Sanitätsdirektion nicht aufgefunden werden. Erst nach einiger Zeit konnte es Florian Zerzer auftreiben; Das Gutachten wurde ausgedruckt und den Ermittlern übergeben.
Ein skurriler Zwischenfall? Eine Anekdote der Südtiroler Bürokratie?
Es wäre schön, wenn man diesen Zwischenfall als kleines verwaltungstechnisches Missgeschick ad acta legen könnte.
In Wirklichkeit ist es aber nur das letzte Indiz in einer Reihe von Vorgängen, die diesen Skandal auf eine völlig neue Ebene heben.
Denn es wird immer deutlicher, dass die Spitze der Südtiroler Sanität rund um das brisante Gutachten den Versuch einer Vertuschungsaktion unternommen hat. Es ist eine Operation, der Salto.bz durch die Veröffentlichung des amtlichen Gutachtens einen völlig unerwarteten Strich durch die Rechnung gemacht hat.
Verschwundenes Gutachten
Was bisher anscheinend noch niemandem aufgefallen ist: Das Gutachten des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik trägt keinen Protokollstempel des Südtiroler Sanitätsbetriebes. Dabei muss jedes Dokument, das in einem öffentlichen Amt eingeht, einem standarisierten Vorgang zur amtlichen Erfassung unterzogen werden. Umso mehr ein Dokument von dieser Tragweite, das zudem aus dem österreichischen Verteidigungsministeriums stammt.
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Das Gutachten des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik trägt keinen Protokollstempel des Südtiroler Sanitätsbetriebes. Diese fehlende Protokollierung ist alles andere als ein Zufall.
Offiziell existierte dieses Dokument in den Akten der Sanitätsbehörden damit über eine Woche lang nicht. Offiziell protokolliert wurde das Gutachten in der Sanitätsdirektion erst am Dienstag. ...
Diese fehlende Protokollierung ist alles andere als ein Zufall.
Krisensitzung am Sonntag
Die Prüfung der Masken in Wien dürfte von höchster österreichischer Stelle und mit besonderer Eile angeordnet worden sein. Das geht aus den Dokumenten deutlich hervor.
Laut Prüfbericht werden die 50 Südtiroler Masken im Amt für Rüstung und Wehrtechnik am 28. März 2020 um 16.30 Uhr angeliefert. Es ist ein Samstag. Die Testreihe wird noch vor dem Abend abgeschlossen. Bereits am nächsten Tag schreibt der zuständige Sachbearbeiter das Prüfgutachten und übermittelt es nach Südtirol.
Nach gesicherten Informationen von Salto.bz wird das Wiener Gutachten aus dem Verteidigungsministerium am Sonntag, den 29. März recht formlos per E-Mail an die Generaldirektion des Südtiroler Sanitätsbetriebes übermittelt. ... Es ist durchaus üblich, dass man in solchen Fällen die Erfassung am Montag nachholt.
Die Mail wird auch an den Führungsstab des Südtiroler Sanitätsbetriebes weitergeleitet. Florian Zerzer & Co merken schnell, welche Bombe sie damit in den Händen halten. Das Gutachten lässt jene Erfolgsstory um die Maskenbeschaffung, die man fast zwei Wochen lang publicitywirksam zelebriert hat, wie einen Luftballon platzen. Nach der Lektüre des Gutachtens wird allen klar, in welchem Schlamassel man sich plötzlich befindet. ...
Gelöschter Email-Verkehr
Nachdem Wiedermann die Konferenz verlassen hat, kommt man im engen Kreis aber zu einer verhängnisvollen Entscheidung, die für die Beteiligten nachhaltige Folgen habe könnte.
Man beschließt, das Gutachten ganz einfach verschwinden zu lassen, in dem man die eingegangene Email löscht. Das Problem dabei: Das Gutachten war nicht nur an den engsten Führungsstab weitergeleitet worden, sondern auch an eine ganze Reihe von Sanitätsverantwortlichen.
Es ist Florian Zerzer, der am späten Sonntagabend jeden Empfänger persönlich kontaktiert und ihn ersucht, die Email zu löschen. Gleichzeitig wird der gesamte Mailverkehr auf dem Mailserver der Generaldirektion gelöscht. Damit soll jede Spur des Gutachtens getilgt werden.
Da es keine offizielle Protokollierung gibt, geht man davon aus, dass die Vertuschungsaktion niemandem auffällt.
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https://www.salto.bz/de/article/0704202 ... ertuschung