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Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 18.11.2010 - 09:47
von Renntiger
Dachstein hat geschrieben:Es stellt sich immer die Frage, wie weit vertraut der jeweilige Jurist mit der Materie ist. Jeder Richter muss sich vermutlich erst mal in den Gesetzestext einlesen, vor allem dann, wenn es sich um Texte handelt, die nicht alltäglich sind, wie beispielsweise das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch oder das Strafrecht. Und meines Erachtens hat er zumindest die Unterscheidung FBM - Fahrzeug richtig herausgelesen. ;)
Dann hat man deiner Meinung nach einen für diesen komplexen und insbesondere technischen Ausgangssachverhalt keinen explizit sachkundigen Richter bestimmt? Einen Spezialisten für derartige Fälle hätte es doch wohl gegeben, oder nicht? Im Normalfall beruft man eine für den Sachverhalt geeignete Kammer. Lässt auch tief blicken.

Solche Vorgehensweisen kenne ich ansonsten nur aus US-amerikanischen Filmproduktionen. Da wird dann irgendein Platzhalter bestimmt, von dem man sich ein Urteil in gewünschter Richtung erhofft(erwartet). Wie es im vorliegenden Fall m.M.n. auch gekommen ist.

Nochmals zum Urteil insgesamt: Dieser Richter hat so entschieden, das Urteil hätte, von einer anderen Kammer gefällt, auch ganz anders aussehen können. Richter "Gnadenlos"(Schill) hat in Hamburg auch putzige Urteile gesprochen. In diesem Kontext geht mir jedenfalls jegliche generelle Urteilshörigkeit ab.

Gruß

Matthias

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 18.11.2010 - 10:31
von gfm49
Hallo,
Renntiger hat geschrieben:Dann hat man deiner Meinung nach einen für diesen komplexen und insbesondere technischen Ausgangssachverhalt keinen explizit sachkundigen Richter bestimmt? Einen Spezialisten für derartige Fälle hätte es doch wohl gegeben, oder nicht? Im Normalfall beruft man eine für den Sachverhalt geeignete Kammer.
unser Rechtssystem (jedenfalls in D, aber das ist schon fast eine der Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit) zeichnet sich dadurch aus, daß im Strafrecht das Gericht/der Richter/die Kammer eben nicht fallbezogen ausgewählt wird, gerade um zu vermeiden, daß durch die Auswahl im Einzelfall jemand bestimmt wird, von dem man sich eine bestimmte Richtung erwartet. Das Gericht/der Richter/die Kammer wird durch vorher festgelegte abstrakte Kriterien ermittelt (z.B. nach Deliktsart - das wären im konkreten Fall Tötungsdelikte im Gegensatz z.B. zu Eigentums- oder Rauschgiftdelikten aber nicht "technisch anspruchsvolle Taten" oder "psychisch problematische Täter" oder ähnliches; des weiteren: Richter A macht alle Fälle von A - E, Richter B von F - K usw oder nach Eingangsdatum reihum oder ähnliches). Auch ein Herr Schill hat nicht "bestimmte" Fälle zugewiesen bekommen, sondern die bearbeitet, die nach einem bestimmten Raster automatisch bei ihm gelandet sind.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 18.11.2010 - 10:45
von schafi
Renntiger hat geschrieben:Dann hat man deiner Meinung nach einen für diesen komplexen und insbesondere technischen Ausgangssachverhalt keinen explizit sachkundigen Richter bestimmt? Einen Spezialisten für derartige Fälle hätte es doch wohl gegeben, oder nicht? Im Normalfall beruft man eine für den Sachverhalt geeignete Kammer. Lässt auch tief blicken.

Nochmals zum Urteil insgesamt: Dieser Richter hat so entschieden, das Urteil hätte, von einer anderen Kammer gefällt, auch ganz anders aussehen können. Richter "Gnadenlos"(Schill) hat in Hamburg auch putzige Urteile gesprochen. In diesem Kontext geht mir jedenfalls jegliche generelle Urteilshörigkeit ab.
Es hat hier keine Kammer, sondern ein Einzelrichter entschieden (damals zuständig nach § 13 StPO). Weiters haben wir den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung, das heißt, dass die Fälle unter den Richtern eines Gerichts im Vorhinein verteilt werden müssen. Man kann sich also dann nicht im Nachhinein einen Richter aussuchen, der sich zufälligerweise besonders gut bei Seilbahnen auskennen würde. gfm49 hat das ja schon ausgeführt.

Art. 87 Abs. 3 B-VG:
Die Geschäfte sind unter die Richter eines Gerichtes für die in der Gerichtsverfassung bestimmte Zeit im voraus zu verteilen. Eine nach dieser Geschäftsverteilung einem Richter zufallende Sache darf ihm nur durch Verfügung des durch die Gerichtsverfassung hiezu berufenen Senates und nur im Fall seiner Verhinderung oder dann abgenommen werden, wenn er wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 18.11.2010 - 10:53
von Renntiger
gfm49 hat geschrieben:Hallo,
Renntiger hat geschrieben:Dann hat man deiner Meinung nach einen für diesen komplexen und insbesondere technischen Ausgangssachverhalt keinen explizit sachkundigen Richter bestimmt? Einen Spezialisten für derartige Fälle hätte es doch wohl gegeben, oder nicht? Im Normalfall beruft man eine für den Sachverhalt geeignete Kammer.
Das Gericht/der Richter/die Kammer wird durch vorher festgelegte abstrakte Kriterien ermittelt (z.B. nach Deliktsart - das wären im konkreten Fall Tötungsdelikte im Gegensatz z.B. zu Eigentums- oder Rauschgiftdelikten
Das wollte ich zum Ausdruck bringen, einen Schwerpunkt sozusagen..


[/quote]
des weiteren: Richter A macht alle Fälle von A - E, Richter B von F - K usw oder nach Eingangsdatum reihum oder ähnliches). Auch ein Herr Schill hat nicht "bestimmte" Fälle zugewiesen bekommen, sondern die bearbeitet, die nach einem bestimmten Raster automatisch bei ihm gelandet sind.[/quote]
Das habe ich auch nicht geschrieben. Vielmehr, das Richter mitunter schon eigenartig urteilen, siehe den genannten "Hamburger". Viele Kammern hätten eben nicht so wie er geurteilt.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 18.11.2010 - 10:59
von Renntiger
schafi hat geschrieben: Es hat hier keine Kammer, sondern ein Einzelrichter entschieden (damals zuständig nach § 13 StPO).
War mir bekannt. Wie ich der Berichterstattung entnommen habe, hat man das bei dem Umfang des Verfahrens wohl durchaus als Problem angesehen.

Gruß

Matthias

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 18.11.2010 - 11:23
von gfm49
Hallo,
Renntiger hat geschrieben:
gfm49 hat geschrieben:Hallo,
Renntiger hat geschrieben:Dann hat man deiner Meinung nach einen für diesen komplexen und insbesondere technischen Ausgangssachverhalt keinen explizit sachkundigen Richter bestimmt? Einen Spezialisten für derartige Fälle hätte es doch wohl gegeben, oder nicht? Im Normalfall beruft man eine für den Sachverhalt geeignete Kammer.
Das Gericht/der Richter/die Kammer wird durch vorher festgelegte abstrakte Kriterien ermittelt (z.B. nach Deliktsart - das wären im konkreten Fall Tötungsdelikte im Gegensatz z.B. zu Eigentums- oder Rauschgiftdelikten
Das wollte ich zum Ausdruck bringen, einen Schwerpunkt sozusagen..
ja schon, der Schwerpunkt ist aber sicher nicht "Seilbahnspezialist" - das ist keine rechtliche Kategorie - sondern allenfalls wie oben dargestellt bestimmte Deliktarten (wenn nicht generell nach Alphabet oder Fallnummer). Und wenn ich das richtig sehe, ist in Österreich in erster Instanz außer bei schweren vorsätzlichen Delikten (was hier ja wohl kaum unterstellt werden kann) immer ein Einzelrichter zuständig

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 18.11.2010 - 11:29
von schafi
gfm49 hat geschrieben:Und wenn ich das richtig sehe, ist in Österreich in erster Instanz außer bei schweren vorsätzlichen Delikten (was hier ja wohl kaum unterstellt werden kann) immer ein Einzelrichter zuständig
Die Zuständigkeit richtet sich, von einigen Ausnahmen abgesehen, nach der Strafdrohung und die fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst, die den Tod einer größeren Zahl von Menschen nach sich gezogen hat, fällt dabei gerade noch in die Zuständigkeit des Einzelrichters am Landesgericht.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 18.11.2010 - 14:46
von Dachstein
Renntiger hat geschrieben: Dann hat man deiner Meinung nach einen für diesen komplexen und insbesondere technischen Ausgangssachverhalt keinen explizit sachkundigen Richter bestimmt? Einen Spezialisten für derartige Fälle hätte es doch wohl gegeben, oder nicht?
Ich sage dezitiert nicht, dass der Richter nicht sachkundig war. Nur überleg dir mal bitte selber, wenn du Recht sprechen musst, ohne dich technisch auszukennen, wie es dir dann geht (ich weis aber gleichzeitig nicht, in wie weit der Richter mit Technik im Allgemeinen vertraut war). Du musst dich blind auf andere verlassen und kannst dann womöglich entscheidende Dinge nicht hinreichend hinterfragen. Für Richter ist es also gar nicht so leicht, wie sich das so mancher vorstellt. Er hat sich sicher in die Materie eingelesen, nur kann er nicht das Wissen haben, was ein Experte hat. Darauf will ich hinaus, auf nicht mehr oder weniger. Das Urteil selbst hätte in Österreich nie von einer Kammer gefällt werden können, sondern immer nur von einem Einzelrichter (schafi hats oben schon besser erleutert). Es ist aber nicht auszuschließen, dass ein anderer Richter anders entschieden hätte.

Für mich beispielsweise hat man sich im Prozess verzettelt. In den Gutachten wird davon gesprochen, dass es warscheinlich der Heizlüfter war. Das Wort Warscheinlich bedeutet, dass die Möglichkeit besteht, aber es auch nicht sicher ist. Der Richter sah es aber offenbar als erwiesen an, dass es der Heizlüfter war (sonst käme man ja nachher nicht auf die Idee, den Hersteller des Heizlüfters belangen zu wollen). Er hat somit aus einem warscheinlich ein sicher gemacht. Ich sehe das nicht so (und nicht nur ich übrigens) und es wäre nach dieser Argumentation ein Freispruch nach der Devise "in dubio pro reo" rausgekommen. So gesehen ein gleiches Urteil bei einem anderen Verfahrensverlauf.

MFG Dachstein

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 18.11.2010 - 18:59
von Klosterwappen
Um dem Richter den erforderlich Sachverstand an die Hand zu geben, gibt es Sachverständige.
Wüßte er alles, bräuchte es diese nicht.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 19.11.2010 - 09:52
von Tyrolens
schafi hat geschrieben:Grundsatz der festen Geschäftsverteilung

Wenn man allerdings eine Verschwörungstheorie bedienen will, muss man etwas weiter denken: Und zwar stellt sich dann die Frage, wann in diesem Fall die Anklage erhoben wurde und ob zwischenzeitlich die Geschäftsverteilung geändert wurde und wenn ja, ob man auf diese Einfluss nehmen kann.
Im Übrigen gibt es seit geraumer Zeit die Tendenz, doch so etwas wie Fachrichter zu bestellen. Ich denke, langsam kapiert auch die Justiz, dass es heutige komplexe Fälle notwendig machen, auch Richter speziell zu schulen. Im Arbeitsrecht gibt es das ja schon, im Finanzstrafrecht soll es kommen und um ehrlich zu sein, das Duo Richter/Sachverständiger ist oftmals ein gefährliches. Wenn der Richter so gar keine Ahnung von der Materie hat, muss der Sachverständige schon sehr sehr fähig sein, um den Richter zu jenen Fragen zu bewegen, die für die Lösung des Falles notwendig sind. Eigentlich darf er das ja nicht, weil der Prozess vom Richter geleitet werden muss und der Sachverständige nur auf Fragen die seinen Sachbereich betreffen antworten darf. Der Richter muss also die richtigen Fragen stellen. Wie soll er das können, wenn er keine Ahnung hat?

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 19.11.2010 - 10:11
von Dachstein
Tyrolens hat geschrieben:
schafi hat geschrieben:Grundsatz der festen Geschäftsverteilung
Wenn man allerdings eine Verschwörungstheorie bedienen will, muss man etwas weiter denken: Und zwar stellt sich dann die Frage, wann in diesem Fall die Anklage erhoben wurde und ob zwischenzeitlich die Geschäftsverteilung geändert wurde und wenn ja, ob man auf diese Einfluss nehmen kann.
Jetzt wird es aber schon sehr weit hergeholt für mein persönliches Empfinden. Ich meine, dass sowas frühzeitig aufgefallen wäre.
Im Übrigen gibt es seit geraumer Zeit die Tendenz, doch so etwas wie Fachrichter zu bestellen. Ich denke, langsam kapiert auch die Justiz, dass es heutige komplexe Fälle notwendig machen, auch Richter speziell zu schulen.
Jetzt ja, nur war der Fall vor 10 Jahren, die Verhandung ist auch nicht erst gestern gewesen.

MFG Dachstein

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 19.11.2010 - 11:13
von Tyrolens
Die Argumente für Fachrichter sind ja allgemein gültig.

Vieles mag weit her geholt erscheinen, vor allem denn, wenn es in AUT keine Justizskandale gäbe. Habe wir aber. Das fängt bei Noricum, AKH und Lucona an, spannt sich über Gross und Co. und endet derzeit in der Aufarbeitung der Finanzkrise.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 19.11.2010 - 12:51
von Dachstein
Gibt es wo anders etwa keine Justizskandale? Das wäre mir neu... Der Schluss, dass Kaprun ein Justizskandal wäre, nur weil es andere Skandale gegeben hat, ist in meinen Augen unzulässig. Das hat von Causa zu Causa entschieden zu werden.

MFG Dachstein

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 19.11.2010 - 20:59
von Tyrolens
Beim Fall Kaprun ist die Wahrscheinlichkeit höher als bei anderen Fällen.
Das liegt an der Konstellation.

Aber es muss ja gar kein Skandal sein. So wie der Fall derzeit da steht reicht er aus, um Österreich als ein sehr sehr schlampiges Land hinzustellen. Es wurden zu viele Fehler gemacht, die auf eine allzu große Sorglosigkeit schließen lassen.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 19.11.2010 - 21:29
von Petz
Tyrolens hat geschrieben:Ich denke, langsam kapiert auch die Justiz, dass es heutige komplexe Fälle notwendig machen, auch Richter speziell zu schulen.
Nicht unbedingt erforderlich aber sinnvoll; allerdings würde ich es beim aktuellen Stand der Richterbestellungen zu den Prozessen als Pflicht des Richters sehen, sich in so einem hochspezifischen Fall in der Vorbereitung auch vorab Auskünfte mehreren von fachkundigen Personen (außerhalb des beim Prozeß anwesenden Sachverständigenkreises) einzuholen um abschätzen zu können, ob ein Sachverständiger auch wirklich neutral argumentiert. Dies ist leider trotz der dementsprechenden Regelungen nicht unbedingt als selbstverständlich anzusehen.

Tatsache ist für mich auf jeden Fall, daß es Schuldige gibt die zumindest grob fahrlässig gehandelt haben; auch ist es aber korrekt wenn man ohne eindeutig feststehende Ursache niemanden verurteilen kann. Zumindest hätten aber jene Aufsichtsbehördenbeamte (ohne Zusammenhang mit dem Unglück) einer Dienstaufsichtsbeschwerde zu unterliegen, die den Einbau des Heizlüftertyps nicht moniert hatten. Jener Personenkreis sollte sich aufgrund der Prüfprotokolle eigentlich nachträglich problemlos eruieren lassen.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 19.11.2010 - 22:35
von gfm49
Hallo,
Petz hat geschrieben: ... als Pflicht des Richters sehen, sich in so einem hochspezifischen Fall in der Vorbereitung auch vorab Auskünfte mehreren von fachkundigen Personen (außerhalb des beim Prozeß anwesenden Sachverständigenkreises) einzuholen
das wäre ein schwerer Verstoß gegen den Grundsatz der Prozeßunmittelbarkeit. Nur das, was im Prozeß vorgetragen wird, darf in die Urteilsfindung eingehen - auch damit die Prozeßbeteiligten die Möglichkeit haben, sich damit auseinanderzusetzen. Das gilt auch für die Frage, ob und inwieweit ein Sachverständiger neutral argumentiert. Das kann nur im Prozeß geklärt werden.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 19.11.2010 - 23:47
von Petz
gfm49 hat geschrieben:Das wäre ein schwerer Verstoß gegen den Grundsatz der Prozeßunmittelbarkeit. Nur das, was im Prozeß vorgetragen wird, darf in die Urteilsfindung eingehen
Dies sollte auch nicht während des Prozesses sondern ausschließlich in der Vorbereitungsphase erfolgen; dies wäre meiner Meinung nach dann auch nicht relevant für die Prozeßunmittelbarkeit, da die Vorbildung eines einschlägig bewanderteren Fachrichters ja ebenfalls nicht gegen diese verstieße.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 21.11.2010 - 14:12
von Yeti01
Wenn meine Tante einen Zipfel hätte, wäre sie mein Onkel Margret...

Ich habe das Gefühl, ihr kommt grade auf einen spekulativen Weg, den das Gericht damals zum Glück nicht gegangen ist.

Hätte die GBK damals medial anders reagiert, bzw. überhaupt reagiert, hätten die - vor allem deutschen Privat- Medien anders (gemäßigter) reagiert, hätte sich die Situation nicht so aufgeschaukelt, wäre ein Prozeß gleich oder anders verlaufen, wären die Fahrgäste nach unten statt nach oben gelaufen, hätte man in den 70-ern keine SSB gebaut, wäre ich nur nie auf die Welt gekommen...

What so ever...

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 22.11.2010 - 13:45
von Balou
Zumindest hätten aber jene Aufsichtsbehördenbeamte (ohne Zusammenhang mit dem Unglück) einer Dienstaufsichtsbeschwerde zu unterliegen, die den Einbau des Heizlüftertyps nicht moniert hatten. Jener Personenkreis sollte sich aufgrund der Prüfprotokolle eigentlich nachträglich problemlos eruieren lassen.
Wobei sich die Frage stellt, ob ein Prüfer diesen Bereich des "rollenden Dingsda" überhaupt zu prüfen hat.
Wenn Du mit Deinem Auto zum TüV fährst und irgendwas eingebaut hast (z.B. einen Heizlüfter unter dem Fahrersitz :wink: ), was der TüV nicht prüft dann ist liegt das nicht in der Verantwortung des Prüfers. Außerdem ist eine Prüfung/Abnahme immer nur eine Momentaufnahme, schließlich weiß keiner, was Du mit dem Auto machst, nachdem die Prüfung erfolgt ist. Man geht immer davon aus, dass das Auto nicht verändert wird, aber es gibt genug Leute, die vor und nach der Prüfung umbauen.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 22.11.2010 - 14:28
von gfm49
Hallo,
Balou hat geschrieben:
Zumindest hätten aber jene Aufsichtsbehördenbeamte (ohne Zusammenhang mit dem Unglück) einer Dienstaufsichtsbeschwerde zu unterliegen, die den Einbau des Heizlüftertyps nicht moniert hatten.
wie lautet doch die klassische Definition der Dienstaufsichtsbeschwerde?: formlos - fristlos - fruchtlos
Petz hat geschrieben:Dies sollte auch nicht während des Prozesses sondern ausschließlich in der Vorbereitungsphase erfolgen; dies wäre meiner Meinung nach dann auch nicht relevant für die Prozeßunmittelbarkeit, da die Vorbildung eines einschlägig bewanderteren Fachrichters ja ebenfalls nicht gegen diese verstieße.
Wenn sich der Richter aber im Vorfeld "der Koryphäe" der Sachverständigen bedienen würde, wäre der für den Prozeß "verbrannt" und den "Pfeifen"-Sachverständigen im Prozeß hätten dann weder der Richter eigene wrkliche Fachkenntnis noch die anderen Prozeßbeteiligten den wahren Fachmann entgegenzusetzen.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 22.11.2010 - 18:58
von Dachstein
Yeti01 hat geschrieben: Ich habe das Gefühl, ihr kommt grade auf einen spekulativen Weg, den das Gericht damals zum Glück nicht gegangen ist.
Allerdings...

MFG Dachstein

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 22.11.2010 - 21:38
von Petz
gfm49 hat geschrieben:Wenn sich der Richter aber im Vorfeld "der Koryphäe" der Sachverständigen bedienen würde, wäre der für den Prozeß "verbrannt" und den "Pfeifen"-Sachverständigen im Prozeß hätten dann weder der Richter eigene wirkliche Fachkenntnis noch die anderen Prozeßbeteiligten den wahren Fachmann entgegenzusetzen.
Müsste auch nicht ne Koryphäe oder ein beeideter Sachverständiger sein sondern wenn sich der Richter bei einigen sachkundigen Praktikern (Betriebsleitern, Feuerwehrleuten etc.) deren Einschätzungen zu prinzipiellen Brandursachenmöglichkeiten einer Standseilbahn einholt hätte er schon erweiterte technische Kenntnisse die in solchen Fachprozessen sicher immer hilfreich wären um z. B. gezielte Nachfragen an die Sachverständigen stellen zu können.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 24.11.2010 - 17:06
von Dachstein
Und noch eine Episode...

http://salzburg.orf.at/stories/483595/

Es stellen sich folgende Fragen: was hat die Ministerin Bandion-Ortner mit der Sache zu tun (vermutlich nichts, denn die Korruptionsstaatsanwaltschaft ist nicht dem Justizministerium unterstellt...)?
Und der höchstbefangene Richter aus der Tourismusbranche ist für mich der Hammer... Ein Touristenführungsbüro in Salzburg hat was mit der Gletscherbahn zu tun? Nichts. Und nur weil zwei Personen in der gleichen Institution tätig sind, heißt das noch lange nicht, dass sie befangen sind...

MFG Dachstein

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 24.11.2010 - 18:12
von Kris
Dachstein hat geschrieben: [...] Und der höchstbefangene Richter aus der Tourismusbranche ist für mich der Hammer... Ein Touristenführungsbüro in Salzburg hat was mit der Gletscherbahn zu tun? Nichts. Und nur weil zwei Personen in der gleichen Institution tätig sind, heißt das noch lange nicht, dass sie befangen sind...

Es stellen sich halt viele die Frage, wie dieses strange Urteil zustande gekommen ist. Die Summe der wenig nachvollziehbaren Handlungen, Darstellungen und Beurteilungen ist wohl nur schwerlich auf eine etwaige Ungeschicklichkeit des Richters zurückzuführen (zB. die gemeint ist aber ein Kraftfahrzeug und kein Fahrzeug obwohl Fahrzeug da steht-Geschichte in der Betriebsanleitung zum Haushaltsheizlüfter):
Nahezu alle möglicherweise (oder auch nicht) zweifelhaften Teilaspekte tendieren nicht zufällig in beliebige Richtungen, sondern gehen zu eindeutig in diese eine bekannte der vollständigen auch fachlichen Schuldlosigkeit auf allen in Frage kommenden Ebenen. Das ist durchaus eigenartig.

Für diese Eigenartigkeiten sucht man nach Motiven, und in weiterer Folge nach jenen, die davon Profitieren könnten und sich zugleich auf jene Machtebenen bewegen, um dies bewirken zu können. Derartiger Frage nachzugehen ist extrem mühsam, meist lösen sich derartige Fälle erst nach Jahrzehnten wenn maßgebliche Protagonisten in Ruhestand treten oder das zeitliche gesegnet haben...

Da kannst Du noch so viele Kopfstände machen Dachstein...
Ist nun mal so daß das gesamte Verfahren entweder naiv schlampig, korrupt oder beides war.
Aber keinesfalls wurde es der Mächtigkeit der Dinge angemessen korrekt durchgeführt.


***

Die Verbindung zwischen Richter und AR der GBK ist aber wohl zu mindestens sehr wohl ungeschickt, wenn nicht sogar überaus fragwürdig unter Betrachtung der Funktionsweise von Lions Clubs:
Seiss sei ein "höchst befangener Richter", der im selben Lions Club wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Gletscherbahnen Kaprun AG (GBK) sitze
Man müsste der Frage nachgehen, wie und von wem der Richter Manfred Seiss effektiv (also nicht nur theoretisch...) ausgesucht wurde.

Re: Kaprun Prozess

Verfasst: 24.11.2010 - 18:26
von Dachstein
Kris hat geschrieben: Dies hier ist aber sehr wohl zu mindestens schon bedenklich:
Seiss sei ein "höchst befangener Richter", der im selben Lions Club wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Gletscherbahnen Kaprun AG (GBK) sitze,
Dann wäre es mindestens genau so bedenklich, wenn jemand im gleichen Landesverband vom Roten Kreuz tätig sein würde... Und bei den Mengen von Mitglieder in solchen Vereinen.... Ich kenne beispielsweise auf unserer Dieststelle beim Roten Kreuz lange nicht alle Mitglieder. Dass die Sache aber wieder einen Teil zum "strange" beiträgt ist auch klar.

Für mich ist das wieder einer dieser letzten Strohhalme, an die man sich zu klammern versucht... Gewisse Argumentationen der Kritiker sind aber für mich nämlich genau so "strange".
Das gesamte Verfahren war halt entweder naiv schlampig, korrupt oder beides, aber keinesfalls korrekt.
Nicht vergessen, das Urteil wurde in zweiter Instanz bestätigt. Den Berufungen wurde also von einem zweiten Richter nicht stattgegeben; die Urteile wurden bestätigt. Warum wird jetzt also nicht auch auf diesen Richter geschossen? Seltsam...

Dass der Prozess Eigenartigkeiten hat, habe ich bestrittennirgens. Beweisen müsste man halt die geäußerten Vermutungen auch. So lange das nicht passiert, ist die Sache gegessen. Schließlich gilt hier imo. auch ein Rechtsgrundsatz, nämlich der, der Unschuldsvermutung. Auch wenn da jetzt einige Kopfstände machen werden. ;)

MFG Dachstein