Es ist wohl mehr eine Frage des Könnens und weniger des Wollens. Die Mittelschicht in Deutschland schrumpft wie in den USA seit einigen Jahren. Nur wollen das noch nicht alle wahrhaben. Angenommen eine 4-köpfige Familie kommt ausserhalb der Saison günstig unter und zahlt 200 Franken pro Nase für Kost, Logie und Nebenkosten pro Tag. Dann reden wir hier von 5600 Franken / Euro für 7 Tage, die erst einmal netto verdient werden müssen. Wegen der tollen Steuern und Abgaben in Deutschland sind das Pi*Daumen 11.000 € brutto (das Durchschnittsgehalt liegt in D übrigens bei 32.000 € brutto). Zu früheren Kursen von 1,50 waren das noch fast 4000 € weniger. Ich glaube nicht einmal, dass man im Winter damit hinkommt. Hinzu kommen ja noch die Kosten für Skiklamotten und die Kosten für An- und Abreise sowie ggf. Parken. Es ist kein Wunder, wenn unter diesen Voraussetzungen in der Schweiz immer mehr Mittelklassehotels schliessen bzw. in Eigentumswohnungen oder Luxusressorts umgewandelt werden. Dennoch wird die Strategie der Fokussierung alleine auf eine zahlungskräftige Klientel nicht aufgehen. Die wenigsten Orte können eine aufwändige Infrastruktur wie ein Skigebiet alleine mit Trägern teurer Uhren finanzieren.Der breite Mittelstand will sich die Schweiz zum aktuellen Kurs nicht leisten. Wir wollen jetzt eine zahlungskräftigere Kundschaft und ausgewählte Gästegruppen gezielt ansprechen.
Der Supermarkt vor Ort ernährt auch Familien aus dem Ort. Beschäftigt lokale Handwerker und zahlt seine Steuern in die Gemeindekasse. Und gibt ggf. auch lokalen Anbietern eine Chance auf den Vertrieb ihrer Waren. Der Discounter versteuert seine Gewinne in der Oase, Waren und Handwerker werden von weit her rangeholt. In Deutschland kennen wir diese Entwicklung nur zu gut. Im Dorf meiner Eltern (ca. 700 Seelen) gab es noch vor ca. 35 Jahren ein Bank, eine Post, einen Supermarkt, einen Pfarrer und 3 Kneipen. Geblieben ist nur eine Kneipe. Und selbst in den Städten sind die kleinen Läden und Ämter in Fußnähe verschwunden. Dafür hat man jetzt in jeder Stadt das selbe einfältige Angebot der großen Ketten und benötigt zum Einkaufen ein Auto. Und einen Termin beim Facharzt gibt es oft erst nach 3 Monaten Vorlauf.oberländer hat geschrieben:Es darf sich jeder Schweizer die gleiche Frage stellen: Was ist mir wichtiger: billige Preise, oder die Möglichkeit vor Ort einkaufen zu können...
Auch das kommt mir alles bekannt vor. Die kleinen Existenzen vor Ort sind den großen Wirtschaftsverbänden eh schnuppe. Die sind in dem Denken verfangen, dass alleine die Größe zählt. Dabei bieten viele kleine Läden unterm Strich mehr Arbeitsplätze als ein großer Discounter. Und haben in der Summe ein vielfältigeres Angebot. Überall in Deutschland gibt es die selben nur auf Optik und Transportfähigkeit gezüchteten Lebensmittel, z.B. Äpfel. Von einst über 100 Sorten kriegst Du heute nur den selben Jazz/Cox/Granny Einheitsbrei. BTW, viele der verschwundenen Sorten waren/sind auch für Allergiker verträglich. Gleiches sagt man auch der Milch nach, die von nicht enthornten Kühen gemolken wird. In der EU zählt aber nur Quantität, nicht Qualität. Die Politiker feiern sich für jeden neuen Supermarkt auf der grünen Wiese (oft noch subventioniert) und erkennen nicht, wieviele kleine Existenzen dabei am Ende dafür draufgehen. Die Schweizer haben aber einen riesen Vorteil: Ihr braucht Euch nur in Deutschland anzuschauen, wohin diese Entwicklung führt. Und es gibt heute Internet, um sich jenseits der Medien zu informieren.oberländer hat geschrieben:sämtlichen bisherigen Bemühungen von der liberalen Wirtschaftslobby blockiert wurden
Unterm Strich hat die Entwicklung überwiegend Verlierer produziert. Der Verbraucher hat längere Wege und weniger Auswahl. Viele selbstständige Händler haben ihre Existenz verloren, dafür sind ein paar Brüder steinreich geworden. Arbeitnehmer finden heute die überall gleichen (meist schlechten) Bedingungen. Die Produzenten und das liebe Vieh leiden unter dem Preisdiktat der großen Handelsketten. Der Kuchen ist nicht grösser geworden, er wird jetzt nur ungerechter verteilt.
Ich fahre auch deswegen gerne in die Schweiz, weil ich dort noch das vorfinde, was ich als heile Welt bezeichne. Intakte dörfliche Gemeinschaften, überwiegend freundliche und hilfsbereite Mitarbeiter, die auch mal Zeit haben, einen durch den Betrieb zu führen. Leider hat auch da in den letzten 10 Jahren deutlich sichtbar ein Wandel eingesetzt. Geht das so noch ein paar Jahre weiter dann kann ich meinen Urlaub auch gleich in Deutschland verbringen.