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Storzic (SLO), 2132m, 15. 10. 2006

Verfasst: 19.10.2006 - 12:40
von miki
Wir waren am Sonntag wieder mal in den Bergen unterwegs, diesmal an einem Gipfel von dem ich garantiert im Forum noch nicht schrieb - unsere letzte Tour auf den Berg war vor fast 15 Jahren. Storzic ist der westlichste 2000er der Steiner Alpen (obwohl ihn viele versehentlich zu den Südausläufern der Karawanken zählen) und steht recht einsam über dem Oberkrainer Feld, hat also gute Voraussetzungen für einen guten Aussichsberg.

Anfahrt: Maribor - Celje - Kamnik - Kranj und dann auf der Strasse Richtung Ljubelj (Loiblpass) bis zum Ort Trzic, von dort geht eine Nebenstrasse hinauf bis zur Berghütte auf 1123 m. Zuerst mal die unangenehme Überraschung: bei unserem letzten Besuch war die Strasse bis zur Hütte offen, so steht es auch in allen Bergführern. Nun aber steht auf etwa 800 m ein Fahrverbotsschild :? . Was nun? Zwei Autos von braven, systhemgläubigen Heinis parken schon dort, soll ich auch - oder doch lieber nicht? Das verlängert mir die Tour bestimmt um fast zwei Stunden! Bekanntlich bin ich keinesfalls der Meinung das man Gesetze immer und überall bedingungslos einhalten muss :twisted: , also weiterfahren, die Schotterstrasse ist nicht im besten Zustand, aber gerade noch mit normalem PKW mit normaler Bodenfrieheit befahrbar. Bei der Hütte habe ich mit Erleichterung festgestellt das vor mir mindestens schon 30 'Gesetztesbrecher' hinauf gefahren sind, darunter auch etliche mit Klagenfurter Kennzeichen (wieso habe ich manchmal das Gefühl, das sich unsere nördlichen Nachbarn zu Hause recht peinlich an Gesetze und Vorschriften halten, im südlichen Ausland nehmen sie sie aber manchmal etwas lässiger :wink: ).

Vom Parkplatz (angegebene Aufstiegszeit zum Gipfel: 3 Stunden) geht es gleich steil hinauf duch die Nordwand, in einer schattigen Rinne, wo ich auf Fotos verzichtet habe, weil sie eh nichts geworden wären (dunkle Nordseite mit hellem Hintergrund). Der halbe Weg ist mit Drahtseil gesichert, aber eigentlich keine richtige Ferrata, sondern eher steiler Wanderweg, eben zusätzlich mit Seil gesichert. Auf etwa 1900 m erreicht man dann den Westgrat, der Kontrast (dunkle, kalte, felsige Nordseite / sonige, warme, gras + latschenbewachsene Südseite) ist schon faszinierend. Und der Gipfel wird sichtbar:
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Fast eine halbe Stunde geht es noch auf und ab, man glaubt schon am Gipfel zu sein, dann gehts wieder etwas bergab, typische Gratwanderung also:
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Jetzt sind es wirklich noch wenige Schritte. Es freut mich, das auf slowenischen Gipfeln wieder mehr und mehr Gipfelkreuze stehen:
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Kurzer Ausflug in die Geschichte (wen es nicht interessiert, kann diesen Absatz auch auslassen): in den ersten Nachkriegsjahren, vor allem 1945 und 1946, wurden Gipfelkreuze auf fast allen Berggipfeln Sloweniens als Zeichen 'der Sieges des Sozialismus über den Klerikallismus' gesprengt, abgesägt oder auf irgendeine Weise zerstört. Der Wiederaufbau nach 1991 ging eher langsam voran, die ex - Kommunisten wurden auf einmal 'besorgte Umweltschützer' oder extrem langsame Bürokraten: Waas? Ihr wollt einen Kreuz am Gipfel aufstellen? Langsam. Dazu braucht ihr eine Änderung des Raumordnungplanes und ne Baugenehmigung und ne Studie über die Auswirkung des Kreuzes auf die Fauna und Flora der Region (der Rotschnabelgrünschwanzspecht könnte sich vielleicht durch den Kreuz belästigt fühlen ?) und ne Zustimmung der Luftfahtbehörden weil der Gipfel ja um 2 Meter höher wird und und und ... Einige gingen den langen und beschwerlichen behördlichen Weg, viele Gruppen (oft unter Anführung der lokalen Pfarrer) stiegen aber einfach auf den Gipfel und bauten dort die Kreuze - ohne Genehmigung - wieder auf. Keiner Behörde in Slowenien hatte Anfang der 90er den Mut, die Kreuze zu entfernen - die Erinnerungen an 1946 waren noch zu stark.

Die Gipfel der Hauptgruppe der Steiner Alpen, in meinen Berichten oft aus östlicher Richtung fotografiert, diesmal von ihrer Westseite:
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Richtung Westen liegen die Julischen Alpen mit dem 'König Triglav', die Sicht ins Tal war leider fast gleich Null. Irgendwie begleitet mich in diesem Herbst auf jeder Bergtour entweder Nebel oder Hochnebel oder Dunst, kein Vergleich mit dem Herbst 2005:
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Die Gipfelpause gönnten wir und diesmal besonders lange, es lagen ja nur 2 Stunden Abstieg vor uns, es war oben mild (T - shirt temperatur :wink: ), windstill, einfach zum geniessen. Dieses Foto der Steiner Alpen entstand fast 2 Stunden nach dem ersten (mit der Dohle) - interessant, wie wenig sich die Wolken/Nebelschicht um die Gipfelgruppe in 2 Stunden verändert hat:
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Der Abstieg geht zuerst auf dem Nordgrat und dann durch die Westflanke zum Parkplatz, ist wesentlich leichter und weniger steil als die Nordroute, vor allem bieten sich aber am Übergang von der Latschenregion in den Wad ganz tolle Herbstmotive:
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Fazit: sehr gelungener Tag, sympatischer Berg mit ausgezeichneter Lage, mit 1000 HM Aufstieg nicht allzu anstrengend, zwei verschiedene Wege vom Parkplatz zum Gipfel ermöglichen eine interessante Rundtour. Wir kommen noch!

Verfasst: 19.10.2006 - 22:15
von Gletscherfloh
Toller Bericht. Deine eindrucksvollen Herbstfotos lassen jedes Jahr beinah vergessen, dass man sich eigentlich sehnsuchtsvoll "schlechteres" Wetter mit Schneefällen wünscht :wink:

Irgendwann muss ich mich auch mal aufmachen in die Berge Sloweniens (bin da bislang nur durchgefahren ...)

Verfasst: 19.10.2006 - 22:47
von Emilius3557
Wieder ein klasse Bergsteiger-Bericht aus der Feder von Miki!

Die Geschichte mit den Gipfelkreuzen ist sehr interessant - Berge sind einfach Plätze, Räume an denen man sich - sofern einem religiöse Gefühle nicht fern liegen - Gott durchaus näher fühlen kann, weshalb Gipfelkreuze eine durchaus sinnvolle Einrichtung sind. Ich halte mich immer sehr gerne daran fest...
Findest Du dann die Wiedererrichtung der Gipfelkreuze denn positiv? Schön ist egtl die Aufstellerei in Eigenregie, da sieht man gut, dass auch totalitäre Systeme nicht alles unterdrücken können bzw. niederhalten können. Ob das in Ost-Deutschland auch so wäre? Aber Gipfelkreuze zum Wiederaufstellen gibts dort ja nicht so viele...

Verfasst: 19.10.2006 - 23:06
von Andre_1982
Herrlich diese herbstliche Bergwelt !! Bei den Bildern sind wirklich einige Schnappschüsse dabei und dadurch wird die Wartezeit auf den kommenden Winter doch sichtlich verschönert...

Verfasst: 26.10.2006 - 09:26
von miki
@Marius:
Findest Du dann die Wiedererrichtung der Gipfelkreuze denn positiv?
Sorry wegen der späten Antwort (du weisst ja, Wintersemeseter ...) :wink:. Generell: ja, ich stehe der Wiedererrichtung der Gipfelkreuze sehr positiv gegenüber. Zweitens: ich bin kein gläubiger Katholik, die beste Definition für meine Weltanschauung ist Agnostiker (vor langer langer Zeit hatten wir ja auch im Forum mal ne Diskussion zu diesem heiklem Thema). Wiederspruch? Nicht unbedingt, ich sehe die Gipfelkreuze in erster Linie als ein sichtbares Symbol dafür, das Slowenien wieder mal ein kleines Stück dem mitteleropäichen Kulturkreis näher rückt, wo wir schon einmal waren, aber leider zweimal (1918 und 1945) aus ihm weggerissen wurden. Vereinfacht gesagt: Gipfelkreuze gibt es auf benachbarten österreichischen und italienischen Gipfeln, warum sollte es bei uns anders sein? Weiteres per PN!

Verfasst: 26.10.2006 - 09:47
von gerrit
Zum Ersten: von dem Berg hab ich noch nie etwas gehört :oops: , hab also wieder was dazugelernt.
Zum Zweiten: Ich sehe das Gipfelkreuz eigentlich keineswegs als "christliches" Symbol, das Kreuz an sich ist ja als Symbol deutlich älter als der christliche Glaube, für mich ist ein Gipfelkreuz - völlig konträr zu jeglicher transzendentaler Interpretation - vielmehr ein "menschliches" Symbol für die Tatsache daß dieser Gipfel "bezwungen" und in irgendeiner Form in die "Zivilisation" "eingegliedert" worden ist. Dürfte aber durchaus so sein, daß andere anders darüber denken, sonst wäre auch die lachhafte Diskussion über die "Halbmonde" anstelle der Kreuze während des Wahlkamps nicht zustande gekommen.