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Interview über Belalp und die Walliser Bergbahnen

Verfasst: 06.07.2003 - 18:48
von Jojo
Hans-Peter Zeiter, Direktor Belalpbahnen
„Visionen sind das eine, die Finanzierung das andere“

Blatten / Die Bergbahnbranche hat zu kämpfen. Grund genug für die RZ, im Vorfeld der Jahresversammlung der Walliser Bergbahnen mit Vorstandsmitglied Hans-Peter Zeiter, Direktor der Belalpbahnen, eine Standortbestimmung vorzunehmen. Sein Grundtenor: Visionen und Fusionen lösen nicht alle Probleme.

Von German Escher und Walter Bellwald

Viel Schnee und Sonne prägten den letzten Winter. Befinden sich die Walliser Bergbahnen jetzt auf der Berg- oder der Talfahrt?
Die Branche befindet sich bekanntlich in einer schwierigen Phase. Die letzte Wintersaison hat uns klar geholfen. Ich kann mich in meiner Bergbahn-Karriere wetter- und schneemässig nicht an einen besseren Winter erinnern.

Und finanziell?
Auf dem regionalen Markt haben wir mit dem einheimischen Gast markant höhere Umsätze erzielt. Der Ferienaufenthaltstourismus – und der ist für die Bergbahnen vom Umsatz her extrem wichtig – hat davon weniger profitiert. Wer seine Ferien bereits gebucht hat, wechselt nicht kurzfristig wegen des schönen Wetters und der guten Pistenverhältnisse seine Urlaubspläne. In diesem Segment waren die Steigerungen nicht so hoch, wie viele vielleicht erwartet haben. Wir bei den Belalpbahnen können gesamthaft sicher zufrieden sein.

Wars ein Spitzenjahr?
Zumindest was die Wintersaison betrifft. Wir haben vom 1. Januar bis Ende April den Umsatz um neun Prozent gesteigert. Aber das schlägt sich erst im nächsten Geschäftsbericht nieder.

Sie sind Vorstandsmitglied der Walliser Bergbahnen, die jetzt eine Studie über die Branche in Auftrag gegeben hat. Was erhoffen Sie sich davon?
Wir haben uns an die Studie des Kantons angekoppelt. Die Branche erhofft sich dadurch fundiertes Grundlagenmaterial über die verschiedenen Bergbahnunternehmen und entsprechende Vergleichsmöglichkeiten. Wir benötigen einen Überblick über die finanzielle Situation der Bergbahnbranche in unserem Kanton.

Beginnt jetzt die grosse Strukturbereinigung?
Eine Aussage ist schwierig. Aber die Bergbahnbranche braucht, in Anführungszeichen, eine Gesundschrumpfung. Heute stehen wir vor der grundlegenden Frage: Welche Bahnen sollen vom Kanton unterstützt werden? Noch fehlen die Antworten. Selbst innerhalb des Vorstandes der Walliser Bergbahnen gehen die Meinungen auseinander. Die angesprochene Studie wird hier sicher Entscheidungsgrundlagen liefern. Aber letztlich ist es eine politische Entscheidung.

Was verstehen Sie unter Gesundschrumpfung? Wie sieht die Bergbahnbranche im Oberwallis in zehn Jahren aus?
Jede Region und jedes Dorf hängt an seinem Bergbahnbetrieb und seinem Skilift. Es stellt sich wirklich die Frage, ob alle überleben können und müssen. Es braucht eine gewisse Mindestgrösse, um längerfristig bestehen zu können. Oder man hat eine besonders kostengünstige Struktur.

Wie sieht diese Mindestgrösse denn aus? Müsste da nicht fusioniert werden?
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Die kritische Grösse hängt nicht bloss vom Umsatz, sondern auch von der Anlagestruktur ab. Die Rosswaldbahnen beispielsweise sind klein, aber dank ihrer Struktur finanziell gesund. Bei den Belalpbahnen ist der Aufwand wesentlich grösser. Wir haben ein Pistenangebot von 50 bis 60 Kilometern, das während der Zwischensaison von 600 bis 700 Skifahrern und an Spitzentagen von rund 3500 Besuchern genutzt wird. Die Kapazitätsgrenze liegt aber bei 6000 Gästen. Deshalb stellt sich die Frage: Entweder steigern wir die Gästefrequenz oder redimensionieren das Angebot. Aber solche Probleme werden mit einer Fusion nicht gelöst. Im Gegenteil: Dann bestimmen Aussenstehende, welche Anlage zu Randzeiten noch betrieben wird. Deshalb sage ich ganz offen: Ich bin kein Freund von Fusionen.

Finanzexperten unterteilen die Branche in die Championsleague und in die übrige Kategorie, die nur mit öffentlichen Geldern überleben wird. Ihre Meinung?
Man kann die bestehenden Strukturen nicht einfach so über Bord werfen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz muss man sich klar sein: Die Bergbahnen sind das Rückgrat des Tourismus. Ohne das Rückgrat ginge vieles andere auch kaputt.

Und deshalb soll der Kanton weiterhin helfen?
Jenen Bahnen, die einen gewissen Standart erfüllen und über ein Entwicklungspotential verfügen, aber sich in einem gewissen Finanznotstand befinden, sollte geholfen werden. Hier die Linie zu ziehen, ist ein schwieriges Unterfangen. Nicht Strukturerhaltung, sondern eine wettbewerbsfähige Wirtschaft müsste letztlich das Ziel sein.

In welcher Liga spielen die Belalpbahnen?
Es gibt verschiedene Ligen (lacht). Aber ich muss offen gestehen: Die Belalpbahnen sind derzeit nicht in der Championsleague. Unser Unternehmen gehört zu jenen Bergbahnunternehmungen, die ein grosses Entwicklungspotenzial haben, aber aufgrund der Strukturen die nötigen Investitionen nicht tätigen können, um auf einem höheren Niveau mitspielen zu können.

Also müsste doch auch die Belalpbahn über Fusion oder Kooperation mit den Aletsch- oder gar den Jungfraubahnen nachdenken?
Wenn es keine direkte Verbindung zum Partner gibt, macht ein Zusammenschluss wenig Sinn. Jene Unternehmen, die geografisch isoliert dastehen, müssen versuchen, ihre Probleme alleine zu lösen.

Das wäre ein Grund, die Verbindung Belalp-Riederalp zu bauen?
Das ist ganz klar. Ohne eine Bahnverbindung zum Aletschplateau bringt eine Kooperation wenig. Damit möchte ich eine Zusammenarbeit – etwa im Bereich Tarife, Marketing, Einkauf etc. nicht ausschliessen.

Vorerst ist die neue Zubringerbahn Blatten-Belalp ein Thema, die aber an der Finanzierung zu scheitern droht. Warum?Seit dem Planungs- und Projektierungsbeginn haben sich die Rahmenbedingungen wesentlich verändert. Wir müssen auch die Anlagestruktur in unserem Gebiet genau prüfen. Hier wird der Bau von Ersatzanlagen ein Thema. Vor diesem Hintergrund muss der Verwaltungsrat die Strategie überdenken. Bevor man eine neue Bahn auf die Belalp baut, muss auch die Finanzierung der Ersatzanlagen im Gebiet gewährleistet sein.

Aber es gibt eine Art Moratorium bei zinslosen IHG-Geldern für Bergbahnen. Das verschärft die Finanzierungsproblematik?
Ich messe dem nicht derart grosse Bedeutung bei. Sobald die Studie über die Bergbahnbranche vorliegt, verfügt der Kanton über die Grundlagen, um zu entscheiden, welche Bahnen künftig unterstützt werden sollen und welche nicht. Er erfüllt damit die Voraussetzungen, dass der Bund wieder IHG-Kredite an Walliser Bergbahnen ausrichtet.

Wie sieht der Zeitplan für die Belalp Bahnen aus?
Die gegenwärtige Wirtschaftssituation lässt keine riskante Vorwärtsstrategie zu. Wir sollten nur jene Schritte wagen, die wir auch verkraften können. Visionen sind das eine, die Finanzierung das andere.

Im regionalen Leitbild der Gemeinden Naters und Brig ist von einer Bahn auf Talgrund die Rede. Wie sieht das der Bahndirektor?
Wir lehnen diese Bahnidee nicht ab, aber das Projekt gehört sicher nicht zu unseren wichtigsten Aufgaben. Wir müssen zuerst unsere internen Probleme lösen. Eine Bahn vom Talgrund in Richtung Blatten-Belalp würde auch unsere finanziellen Möglichkeiten übersteigen.

Aber es müsste in ein Gesamtkonzept Blatten-Belalp integriert werden?
Das eine schliesst das andere ja nicht aus. Aber einen Strich auf die Karte zu zeichnen, ist einfach. Schwieriger ist die technische Realisierung eines solchen Projekts. Eine Zubringerbahn vom Talgrund mit einem Zwischenhalt in Blatten schliesst ja unser Projekt nicht aus. Zu prüfen wäre allenfalls eine Verbindung Blatten in Richtung Riederalp für den Fall, dass eine direkte Bahn ab dem Aletschbord nicht machbar wäre. Aber noch sind das alles Ideen und keine konkreten Projekte.

Bahnen sind das eine, Marketing das andere. Verschlafen die Bahnen und der Tourismus insgesamt die Chancen des Unesco-Labels?
Nach aussen mag dieser Eindruck stimmen. Aber erstens ist die Vermarktung nicht so einfach und zweitens fehlt uns im Aletsch noch immer eine schlagkräftige Marketingorganisation. Die Destination Aletsch ist aufgrund der finanziellen Möglichkeit nicht in der Lage, mehr zu leisten.

Sind die Bergbahnen bereit, sich künftig finanziell stärker in der Destination Aletsch zu engagieren?
Ganz klar. Wir stehen hinter der Destination. In der Arbeitsgruppe zur Destination haben wir das auch klar zum Ausdruck gebracht. Aber eines ist auch klar: Die Bergbahnen allein können nicht das touristische Marketing einer gesamten Region finanzieren.

Mit welchen Gefühlen gehen Sie in die Sommersaison?
Mit gemischten Gefühlen. Auch wenn SARS etc. dazu führen könnte, dass die Schweizer im Inland bleiben, stellt sich die Frage, wo in der Schweiz Urlaub gebucht wird. Die grossen Stationen, die auf dem ausländischen Markt Mühe bekunden, könnten die kleineren Ferienorte mit Billig-angeboten in Bedrängnis bringen. Deshalb habe ich gemischte Gefühle, ob wir eine gute Sommersaison haben werden.
Quelle: http://www.rz-online.ch/news2003/Nr21-6juni/10.htm