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Tiroler Zugspitzbahn, Museumsexponat

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PHB
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Tiroler Zugspitzbahn, Museumsexponat

Beitrag von PHB »

Hallo Sportsfreunde,

seit drei Jahren steht im Museum der Tiroler Zugspitzbahn ein besonderes Exponat.
Es handelt sich hierbei um ein Funktionsmodell von der Talstation der ersten Tiroler Zugspitzbahn.

Das Modell ist im Maßstab 1:20 gehalten und in Hybridbauweise aus Metall, vorwiegend Messing, und Kunststoffbauteilen entstanden.

Dargestellt wird die Talstation im Betriebszustand um 1960.
1960 wurde die Tiroler Zugspitzbahn grundlegend erneuert. Im Gamskar entstand zwischen Stütze 3 und 4 entstand eine durch SGP (Simmering-Graz-Pauker Werke) gebaute Mittelstation. Dies ist dem Umstand gescholten, dass der 4 Wagen Betrieb eingeführt wurde.
Die Seilbahn wurde mit neuen Kabinen, samt neuem Laufwerk und Gehänge ausgestattet. Die zuvor im Jahre 1954 angeschafften Aluminium Kabinen samt Laufwerk und Gehänge, gebaut von den Jenbacher Werken, wurden eingelagert und sollten bei der späteren Gipfelbahn eine neue Verwendung finden.
Antriebsseitig wurden die Sicherheitsbremsen verstärkt und neue Seilscheiben eingebaut. Der Ehemalige Hilfsantrieb wurde abgetragen und an seiner Stelle der neue Hauptantrieb eingebaut. Das Getriebe wurde wie zuvor im Jhre 1954 von Renk geliefert. Hierbei ist anzumerken, dass die Getriebe eine besondere Konstruktion Darstellen. Später mehr dazu.
In der Talstation wurde ein neuer Einfahrtsbinder mit neuer Seilauflage errichtet.
Streckenseitig erhielten alle Stützen neue Überlaufschuhe und die Stütze 1 wurde ihres Portalaufbaues beraubt, welcher gegen eine herkömmliche Fachwerkkonstruktion getauscht wurde. Federführend war bei diesem Umbau das Wiener Büro der Firma Pohlig.


Was ist eigentlich das besondere an dem Antrieb der ersten Tiroler Zugspitzbahn?
Vergleicht man das Terrain in welches die Seilbahn gesetzt wurde mit jenen der um Mitte der 1920er Jahre Errichteten Seilbahnen wie der Raxseilbahn (9. Juni 1926, Länge 2160m, Höhenunterschied 1017m auf 1545 m ü.m.), Kreuzeckbahn (Mai 1926, Länge 2320m Höhenunterschied 91m auf 1652m ü.m.) mit der Zugspitzbahn: 5. Juli 1926, Länge: 3360m, Höhenunterschied 1580m auf 2805m ü.m.
Verglichen mit der Zugspitzbahn sind die Anlagen aus dem gleichen Jahr "Einfach".
Nun sag das Bleichert-Zuegg System vor, dass der Antrieb der Seilbahn am Berg erfolgte. Dies stellte die Ingenieure vor die Besondere Herausforderung die Antriebsmaschinen, etc. inkl. Infrastruktur auf knapp 3000m zu bringen. Sie entschieden sich dafür, ein vom Standart Abweichendes System zu entwickeln. Die erste Personenseilbahn mit kombinierter Antriebs-Spannstation entstand.
Bei dieser Anordnung ergibt sich mit dem Verfahren des Spannwagens eine Längenänderung und folglich eine Differenz zwischen den Drehzahlen der beiden Antriebsscheiben.
Man hätte mit einem Stärkeren Antrieb nur eine Seilscheibe antreiben können. Dies reduziert jedoch den Umschlingungswinkel und die Fläche auf der die Kraftübertragung erfolgt. Die Ingenierue ließen sich in Leipzig etwas anderes einfallen. Sie konstruierten ein Differenzial-Ausgleichsgetriebe. Dank diesem Getriebe ist es möglich beide Seilscheiben für den Antrieb zu nutzen.
Wie bei allen anderen Bleichert Anlagen wurden die Seilscheiben mit einem gradverzahnten Zahnkranz ausgestattet über den die Schaltbaren Ritzel eintreiben.

Das Modell zeigt diese besondere Konstruktion.

Ursprünglich war die Seilbahn mit einem Hilfsseil ausgestattet. Da es jedoch aufgrund der schroffen und exponierten Lange zu häufigen Seilüberschlägen kam, wurde das Hilffsseil samt Seilscheiben und Spanneinrichtung bereits 1927/28 abgebrochen.

Nun zum Modell:

Das Gebäude ist komplett aus Plexiglas entstanden. Die Technik ist aus Messingprofilen, lasergeschnittenen Feinblechen und gedrehten Modellnieten zusammengesetzt. Die kleinste Niete hat 0,4mm Durchmesser und die kleinste Schraube ein M 0,6 Gewinde. Selbstverständlich mit Unterlegscheibe und Mutter.
Nach dem verlöten, verputzen, verschleifen der Messingkonstrukion wurde das Modell Grundiert und lackiert.

Die Kabine entstand wie im Original aus Aluminiumblech.

Die Seile wurden der einfacheren Tauschbarkeit wegen aus Nylon gewählt.

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Re: Tiroler Zugspitzbahn, Museumsexponat

Beitrag von Petz »

Geniale und absolut sehenswerte Konstruktion wobei ich mir immer wieder die Frage stelle ob PHB als Hersteller aufgrund seines riesigen Knowhows heute nicht den Platz der Doppelmayrgruppe einnehmen würde wenn man konsequenter am Ball geblieben wäre; beispielsweise durch primäre Sicherung einer Exklusivlizenz für Giovanolaklemmen (um sie z. B. nicht mit C&T teilen zu müssen) und parallel dazu dann Entwicklung eines eigenen Einseilkuppelklemmensystems.
Paar mehr Bilder der Details wären allerdings nett und ein Hinweis auf den Erbauer des wunderschönen Museumsmodells ebenfalls angebracht.
Petz beendet seine Mitgliedschaft mit Ende Juni 2020 aufgrund unüberbrückbarer Differenzen bez. der Auslegung der Forennettique welche ich in der aktuell von den Moderatoren praktizierten Form als Zensur einstufe. Ich bleibe aber bis auf weiteres im persönlichen Ausstiegstopic und per PN für Fragen, Hilfe beim Modellbau etc. noch aktiv.
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Re: Tiroler Zugspitzbahn, Museumsexponat

Beitrag von B-S-G »

Vor ein bisschen mehr als einem Jahr war ich auch dort oben in dem Museum und kann noch zwei Aufnahmen beisteuern, wobei auch nur das zweite Bild ein bisschen mehr ins Detail geht.

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Die Ausstellung wurde vom Team Eiswelten (Homepage) gestaltet, ob sie allerdings auch für den Bau des Modells verantwortlich sind, weiß ich nicht. Dies lässt sich aber sicherlich durch Kontaktaufnahme klären.
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PHB
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Re: Tiroler Zugspitzbahn, Museumsexponat

Beitrag von PHB »

B-S-G hat geschrieben:Die Ausstellung wurde vom Team Eiswelten (Homepage) gestaltet, ob sie allerdings auch für den Bau des Modells verantwortlich sind, weiß ich nicht. Dies lässt sich aber sicherlich durch Kontaktaufnahme klären.
Das ist richtig, die Ausstellung wurde von den Eiswelten erstellt. Allerdings wurde das Modell von mir gebaut, bzw. seilbahnshop.com So steht es auch auf dem Informationsbanner.
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Re: Tiroler Zugspitzbahn, Museumsexponat

Beitrag von B-S-G »

PHB hat geschrieben:
B-S-G hat geschrieben:Die Ausstellung wurde vom Team Eiswelten (Homepage) gestaltet, ob sie allerdings auch für den Bau des Modells verantwortlich sind, weiß ich nicht. Dies lässt sich aber sicherlich durch Kontaktaufnahme klären.
Das ist richtig, die Ausstellung wurde von den Eiswelten erstellt. Allerdings wurde das Modell von mir gebaut, bzw. seilbahnshop.com So steht es auch auf dem Informationsbanner.
Sag das doch gleich;). Aber gut, dass das Rätsel so einfach zu lösen war:).
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Re: Tiroler Zugspitzbahn, Museumsexponat

Beitrag von Christoph Lütz »

Ein wirklich phantastisches Modell der ungewöhnlichen Antriebsstation, ich bin sehr beeindruckt. Vielen Dank für die Vorstellung und die Fotos. :D

Zu den Antriebsystemen von Bleichert, PHB und Co möchte ich in diesem Zusammenhang noch einiges ergänzen:

Üblicherweise befand sich bei Pendelbahnen des Systems „Bleichert-Zuegg“ der Antrieb in der Bergstation, so dass eine einfache Umschlingung genügte. Um die Zugseile zu schonen, wurden die Seilumlenkungen auf ein notwendiges Minimum reduziert. Dies führte zu horizontalen oder in Bahnneigung angeordneten Antriebsscheiben, so dann die Kraftübertragung allerdings meist kompliziert war. Zum Spannen der Zugseilschleife wurde im Regelfall ein ebenfalls in Bahnneigung laufender Spannwagen mit Spannseil und Spanngewicht in der Talstation eingesetzt.

Die Schweizer Hersteller großer Pendelbahnen (Von Roll, Habegger, Garaventa) haben dagegen schon früh begonnen, durch Umlenkungen des Zugseils die Antriebsscheibe senkrecht anzuordnen. Gegenscheiben ermöglichten die Erhöhung des Umschlingungswinkels und damit die Anordnung des Antriebes in der Talstation. Dies hatte große Vorteile bei Energieversorgung, beim Bau der Bahn sowie bezüglich der Betriebsführung. Die Zugseilschleife wurde über mehrere Umlenkräder direkt ohne Spannwagen und Spannseil abgespannt. Die schweizerische Seilindustrie lieferte entsprechende Zugseile, die für Umlenkungen ausgelegt waren. Diese Erfahrung spielte später bei der Entwicklung brauchbarer Förderseile für neue Seilbahnsysteme mit zahlreichen Seilumlenkungen (DLM, Funitel) eine große Rolle. In der Schweiz war man so überzeugt von dem System der senkrechten Antriebsscheide und der direkten Abspannung des Förderseiles, so dass man dieses System auch gelegentlich bei Einseilumlaufbahnen angewandt hat.
Weil bei dem schweizerischen System für Pendelbahnen die Antriebs und Spannstation der Zugseilschleife nie in der gleichen Station waren, konnten die Fahrzeuge in die Stationen eingezogen werden und auf Poller fahren. Dadurch waren ebene Bahnsteige in beiden Stationen möglich. Vier-Wagen-Pendelbahnen zur Erzielung einer brauchbaren Förderleistung waren aufgrund der wesentlich größeren Kabinen gegenüber dem System Bleichert-Zuegg nicht notwendig.

Aber auch Bleichert bzw. später PHB konnte bei seinen Pendelbahnen nicht immer den Antrieb bergseitig anordnen. Man konstruierte daher in mehreren Fällen einen sogenannten kombinierten gespannten Antrieb in der Talstation. Die geschah erstmals bei der Tiroler Zugspitzbahn und hier zusätzlich noch mit Antriebscheibe und Spannwagen zur Schonung des Zugseiles in Bahnneigung.

Nach dem zweiten Weltkrieg ging man dann auch bei der Firma PHB als Nachfolger von Pohlig, Heckel und Bleichert dazu über, die Antriebsscheibe zur Vereinfachung der Kraftübertragung und Bremskräfte nach schweizerischem Vorbild senkrecht anzuordnen. Es blieb aber bei der einfachen Umschlingung der Antriebscheibe, aber mit Spanngewicht unter der Antriebsscheibe. Dieses Prinzip wurden durch Von Roll bei einer großen Pendelbahn nur meines Wissens nur sehr selten (z. B. Klein Matterhorn) gebaut. Um einen Treppenbahnsteig in einer der Stationen zu vermeiden, musste die Zugseilumlenkung bergseitig verschiebbar ausgeführt werden, um Längenunterschiede der Zugseilschleife durch Temperaturunterschiede und Recken der Seile ausgleichen zu können. Das gleiche Prinzip hat PHB bei der Hausbergbahn in Garmisch angewendet, hier allerdings ohne Platznot in der Bergstation.
Die Jakobshornbahn (Sektion II) in Davos hatte PHB 1957 ebenfalls mit gespanntem Antrieb gebaut. Weil dieser sich nicht bewährte, wurde die Anlage durch Garaventa im Jahr 1983 auf das in der Schweiz übliche System mit getrennter Antriebs und Spannstation umgebaut.
Die Eibseeseilbahn auf der deutschen Seite der Zugspitze verfügt ebenfalls über einen gespannten Antrieb in der Talstation entsprechend dem System PHB. Platz für ein Regulierungssystem der Zugseilschleife war am Berg nicht vorhanden. Um hier einen Treppenbahnsteig in der Talstation zu vermeiden, mussten Laufwerke entwickelt werden, die mit Seilklemmen an der Zugseilschleife befestigt sind und bei Bedarf versetzt werden können.
Inzwischen gilt das schweizerische System als Stand der Technik und wird beider neuen Eibseeseilbahn wie auch bei der aktuellen Tiroler Zugspitzbahn durch Garaventa ebenfalls realisiert.

Zum Hilfsseil der Tiroler Zugspitzbahn:
Die Rettungsbahn mit umlaufendem Hilfsseil der aktuellen Tiroler Zugspitzbahn hatte sich übrigens wegen regelmäßigem Eisbehang ebenfalls nicht bewährt, und wurde bei dem Umbau nach dem Stationsbrand durch ein Windensystem ersetzt. Andere Seilbahnen (z. B. Säntis) haben wiederum keine Probleme mit dem umlaufenden Hilfsseil, obwohl ähnliche Anlagenverhältnisse vorliegen.

Ohne das System Bleichert-Zuegg schmählern zu wollen, so muss man aus heutiger Sicht sagen, dass nicht mehr viel davon bei modernen Anlagen übrig geblieben ist. Doppelmayr hatte zwar aus dem "Nachlass" der PHB bzw. PWH Patente und Konstruktionen erworben, aber praktisch nie bei Projekten verwenden können. Stand der Technik ist heute bei fast allen Konstruktionsteilen moderner Pendelbahnen, wie ich bereits geschrieben habe, eher das schweizerische System.

Gruß
Christoph
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Petz
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Re: Tiroler Zugspitzbahn, Museumsexponat

Beitrag von Petz »

PHB hat geschrieben:Allerdings wurde das Modell von mir gebaut, bzw. seilbahnshop.com So steht es auch auf dem Informationsbanner.
Genau das wollt ich hier von Dir doch deutlich erwähnt wissen - mir war es ja schon "etwas" (räusper) länger bekannt... :lach:
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