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Seillebensdauer

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jojo2
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Seillebensdauer

Beitrag von jojo2 »

Bedingt durch meine Modellanlage habe ich mir überlegt, wie lange wohl ein Seil bei echten Seilbahnen hält.

Klar wird es im wesentlichen von der Anzahl Betriebsstunden, der Länge der Anlage und der Geschwindigkeit mit der diesee hauptsächlich betrieben wird abhängen.

Aber was kann man so ungefähr über die Lebensdauer sagen? Wie sieht es z.b. bei den kurzen Anlagen wie in Winterberg aus? Die laufen oft auf vollgas und sind kurz. Was kann man da erwarten?

Ich denke eine gute Größe wäre die Anzahl der Umläufe die ein Seil macht?

Dort habe ich mir bei meiner Modellanlage ausgerechnet, dass es gute 234.782 Umläufe waren die das Seil ausgehalten hat bis im Bereich des Spleißknotens zu viele Drathbrüche waren.

ThomasK
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Re: Seillebensdauer

Beitrag von ThomasK »

jojo2 hat geschrieben: 24.05.2021 - 14:31 Bedingt durch meine Modellanlage habe ich mir überlegt, wie lange wohl ein Seil bei echten Seilbahnen hält.

Klar wird es im wesentlichen von der Anzahl Betriebsstunden, der Länge der Anlage und der Geschwindigkeit mit der diese hauptsächlich betrieben wird abhängen.

Aber was kann man so ungefähr über die Lebensdauer sagen? Wie sieht es z.B. bei den kurzen Anlagen wie in Winterberg aus? Die laufen oft auf vollgas und sind kurz. Was kann man da erwarten?

Ich denke eine gute Größe wäre die Anzahl der Umläufe die ein Seil macht?

Dort habe ich mir bei meiner Modellanlage ausgerechnet, dass es gute 234.782 Umläufe waren die das Seil ausgehalten hat bis im Bereich des Spleißknotens zu viele Drahtbrüche waren.

Auf der Interalpin habe ich längere Gespräche mit Fatzer gehabt.

Gewöhnliche 6-litzige Zugseile ohne Kunststoffeinlage haben eine Lebensdauer von ca. 600000 Biegewechseln. Mit Lebensdauer ist stets die Ablegereife gemeint. Die Faustregel besagt, dass die Ablegereife etwa nach 30 % der Biegewechsel erreicht ist, wenn nach 100 % der Biegewechsel das Zugseil reißen würde.

Dabei verläuft der Verschleiß des Zugseils keinesfalls linear. Die Funktion sieht eher aus wie eine Parabel. Nach 200000 Biegewechseln ist das Zugseil fast noch neuwertig. Es gibt vereinzelte Drahtbrüche, die aber nicht alle an derselben Stelle des Zugseils sind. Durch den Gegenschlag ist es so, dass dadurch, dass diese einzelnen Drahtbrüche nicht alle im selben Querschnitt liegen, zunächst die Bruchkraft des Zugseils nicht beeinträchtigt wird.

Nach etwa 400000 Biegewechseln nehmen die Drahtbrüche zu, aber sie bleiben noch vereinzelt, sodass alles noch im grünen Bereich ist und die Bruchkraft noch nicht fällt.

Nach etwa 600000 Biegewechseln wird das Zugseil abgelegt und durch ein Neues ersetzt.

Würde man das Zugseil nicht austauschen, dann würde die Bahn etwa ab 1,5 Millionen Biegewecheln immer unruhiger fahren und die einzelnen Drahtbrüche immer mehr zunehmen. Von der Wahrscheinlichkeit her treten dann auch immer mehr Drahtbrüche im selben Querschnitt des Zugseils auf; danach nimmt die Bruchkraft rasant immer mehr ab, bis nach etwa 2 Millionen Biegewechseln das Zugseil reißen würde.

Mit der Lebensdauer ist immer die Zahl der Biegewechel bis zur Ablegereife gemeint.

Fatzer hat auf seiner Seite die Zugseile in aufsteigender Reihenfolge nach der Lebenserwartung für die Zahl der Biegewechsel sortiert.

Also Stabilo -> Compacta -> Oktura -> Performa

Würde ein Kunde ein 8-litziges Zugseil mit Kunststoffeinlage verlangen, also Oktura+Performa, dann wäre dies etwa 2,5 Mal so teuer wie ein Standardseil Stabilo.

_________________

Ein Standardseil Stabilo hat etwa eine Lebensdauer bis zur Ablegereife von ca. 600000 Biegewechseln.
Ein Zugseil Oktura+Performa käme nach den theoretischen Berechnungen auf etwa 2,5 Millionen Biegewechsel.

Allerdings muss man dazu sagen, dass es zwischen den einzelnen Anlagen erhebliche Streuungen gibt, obwohl die übrigen Vorschriften wie mindestens 80-Facher Durchmesser der Antriebsscheibe im Vergleich zum Zugseildurchmesser und mindestens 80-Facher Durchmesser der Gegenscheibe im Vergleich zum Zugseildurchmesser alle eingehalten werden.

Beispielsweise hat die 375-Standseilbahn Kabatas - Taksim in Istanbul ein Standardzugseil, das aber bisher mehrere Millionen Biegewechsel im Einsatz ist. Trotzdem ist nach 13 Jahren Einsatzzeit die Ablegereife noch nicht erreicht (Stand Frühjahr 2019 bei Gesprächen auf der Interalpin). Aber: Eine Lebensdauer von mehreren Millionen Biegewechseln bei einem Standardseil Stabilo kann eben a priori nicht garantiert werden!
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markus
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Re: Seillebensdauer

Beitrag von markus »

Erfahrungswerte von uns;
Rossalmlift Bj. 1972 lief bis 2004 im Schnitt 120 Tage pro Winter. 1800 meter lang. 24mm Seil von Schweigers Witwe. Immer noch das erste Seil und alle 2 jahre MI Prüfung. Fast keine Drahtbrüche.
Seit 2004 läuft der Lift noch 40 Tage im Schnitt als Backup.

Rossalmbahn seit 2004 im Schnitt 120 Tage 41mm Seil von Teufelberger 12 Drahtbrüche verteilt auf 3600 meter.

Kurvenlift mit Zwirbelkurve Bj. 1975 Seilwechsel im Jahr 2000 wegen unzulässig vielen Drahtbrüchen vermutlich wegen der 5 Umlenkscheiben.
Inzwischen auch wieder einige Drahtbrüche, aber noch im Rahmen.

Seile werden nicht Geschmiert, nur die Spleissknoten und der Spleisbereich wo nötig.

Scheibelberg 6er seit 2012 Fatzer. Noch nie Nachspleissen müssen und bei der letzten MI 2 Drahtbrüche im Spleissbereich sonst nichts.
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Ram-Brand
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Re: Seillebensdauer

Beitrag von Ram-Brand »

Schön. :top:



24-DLM Gaislachkoglbahn.
Alle 4 Jahre neues Seil. :roll:

Ich weiß jetzt nicht was mit Biegewechsel gemeint ist.
Aber wenn ich nur die großen Umlenkseilscheiben zähle und ich hoffe ich verzähle mich nicht... :?
Dann macht das:
10x Talstation
12x Mittelstation
10x Bergstation
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Drahtseil
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Re: Seillebensdauer

Beitrag von Drahtseil »

Ram-Brand hat geschrieben: 25.05.2021 - 21:14 Ich weiß jetzt nicht was mit Biegewechsel gemeint ist.
Ein Biegewechsel ist der Übergang von der linearen in eine rotatorische "Form" und anschließend zurück in die lineare. Eine normale Sesselbahn hat also (Stützen außer Acht gelassen) genau zwei Biegewechsel, nämlich je 2x 1/2 Biegewechsel an der Seilscheibe in der Talstation und je 2x 1/2 Biegewechsel an der Seilscheibe in der Bergstation. Es lässt sich also sagen, dass pro Seilscheibe ein Biegewechsel wirkt. Bei Windenbahnen findet beim Aufwickeln 1/2 Biegewechsel statt (Seil bleibt ja in der rotatorischen Form) und beim Abwickeln ein weiterer 1/2 Biegewechsel.

Interessant wird es dann, wenn die Biegewechsel in unterschiedliche Richtungen wirken und unterschiedliche Wirkdurchmesser der Seilscheiben und Rollen auftreten.
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GIFWilli59
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Re: Seillebensdauer

Beitrag von GIFWilli59 »

jojo2 hat geschrieben: 24.05.2021 - 14:31 Aber was kann man so ungefähr über die Lebensdauer sagen? Wie sieht es z.b. bei den kurzen Anlagen wie in Winterberg aus? Die laufen oft auf vollgas und sind kurz. Was kann man da erwarten?
Vollgas ist natürlich auch relativ, denn die beiden kürzesten Anlagen mit 351 und 354 m laufen ja nur 3,5 m/s.
So hätte man dann bei Vmax alle 100s einen Biegewechsel. Also 36 pro Betriebsstunde, macht dann bei 7,5 h x 80 Betriebstage = 21.600 Biegewechsel. Ich weiß es leider nicht genau, aber z. B. der QuickJet mit 351 m von 2005 hat schon mindestens das 2. Seil drauf (36 mm).

An der Kappe käme man dank Sommerbetrieb auf mehr Verschleiß (600 m und 4,5 m/s): 7,5 h x 250 Betriebstage = 50.752

An der Ettelsberg-Seilbahn in Willingen wären es unter normalen Umständen ca. 330 Betriebstage à 8 h = 2640 h. Die 6 m/s werden aber nur im Notfall gefahren, realistisch sind vielleicht 3,5 m/s, also bei 1400 m Länge 9 Biegewechsel/h.
2640 x 9 = 23.760. Also seit 2007 etwa 340.000.
markus hat geschrieben: 24.05.2021 - 17:52 Scheibelberg 6er seit 2012 Fatzer. Noch nie Nachspleissen müssen und bei der letzten MI 2 Drahtbrüche im Spleissbereich sonst nichts.
Muss man bei den neueren Seilen eigentlich nur mehr selten nachspleißen (= Qualitätsmerkmal)?
Übersicht über meine Berichte
2020/21: 101 Tage
Skitouren (75): 18x Willingen, 15x Steinach, 12x Winterberg, 7x Gr. Inselsberg, 6x Ilmenau, 6x Ernstthal, 5x Schneekopf, je 1x Elkeringhausen, Döllberg/Suhl, Goldlauter, Jena, Kassel, Oberhof
Ski Alpin (14): 8x Willingen, 5x Winterberg, 1x Winterberg+Willingen
Resteski (12): 8x Winterberg, 2x Schneekopf, 2x Steinach
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Latesn
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Re: Seillebensdauer

Beitrag von Latesn »

GIFWilli59 hat geschrieben: 25.05.2021 - 23:01
markus hat geschrieben: 24.05.2021 - 17:52 Scheibelberg 6er seit 2012 Fatzer. Noch nie Nachspleissen müssen und bei der letzten MI 2 Drahtbrüche im Spleissbereich sonst nichts.
Muss man bei den neueren Seilen eigentlich nur mehr selten nachspleißen (= Qualitätsmerkmal)?
Die Seile weisen inzwischen deutlich geringere sowohl bleibende als auch wärmebedingte Dehnungen auf. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass man bei Pendelbahnen inzwischen immer häufiger (auf Kosten eines etwas größeren Seildurchmessers) auf Fixabspannungen zurückgreifen kann bei denen die Wärmebedingten Dehnungen so gering sind, dass die Treibfähigkeit immer erhalten bleibt und man nur die bleibende Dehnung durch eine z.B. absteckbare Verstellung der Zugseilumlenkung ausgleichen muss.

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Kris
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Re: Seillebensdauer

Beitrag von Kris »

Am Seilkopf gibt es überhaupt keine der oben vielzitierten Biegewechsel. Man kann im Bereich des Kegelkeils auch nicht mit Seilprüfgeräten reinschauen, weder unmittelbar davor, und noch weniger in den Kegel selbst. Allenfalls Ultraschalluntersuchungen sind im gewissen Masse möglich.
Und dennoch ist es der delikateste Seilabschnitt überhaupt. Man kann den Seilabschnitt allenfalls nach hoffentlich periodischer Seilkürzung im Labor untersuchen....


Unser Theo hatte die Herstellung eines Seilkopfes "im Zuge einer Totalrevision" vor 11 Jahren hier im AF sehr schön detailliert dokumentiert, auch die Frage der Prüfbarkeit wurde gestellt. "Der Seilkopf selber hat einen 3-Jahres Rhythmus".
viewtopic.php?t=31505

(Glaube in IT war (ist?) noch lange Verguss Pflicht, wie es am Mottarone war weiss ich nicht, vermute aber eher Guß da das Laufwerk ursprünglich von Agudio-Poma stammte. Was aber bzgl. der mechanischen Qualitäten und der inhärenten Probleme am Seilkopf egal sein dürfte)
>> Die unaufhaltsame Industrialisierung des Skiraums führt zu Banalisierung und somit zum Verlust der magischen Skisportfreude<<
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