www.tirol.com"Nicht aufgeben, aber loslassen"
Peter Schröcksnadel ist ÖSV-Präsident, Geschäftsmann, Visionär, Konfliktmanager und mitunter ein leidenschaftlicher Kämpfer für seine Sache(n).
TT: Nach der Auftaktparty mit knapp 30.000 Skifans in Sölden kann man bei den Übersee-Rennen jeden Zuschauer per Handschlag begrüßen. Wie kann man das Interesse steigern?
Schröcksnadel: Das ist nicht mein Job, sondern jener der FIS (Internationaler Skiverband, Anm.). Zumindest wurden die Rennen in Lake Louise im Vorjahr erstmals in Kanada und Amerika live übertragen. Aber gerade in den USA ist es schwierig einen solchen Event zu promoten, weil der Stellenwert des Skisports einfach nicht entsprechend ist.
TT: Obwohl Sie selbst im FIS-Vorstand sitzen, gehören Sie zu den schärfsten Kritikern des FIS-Marketings. Was hat sich in den letzten zwölf Monaten positiv verändert?
Schröcksnadel: Nicht viel, weil es nach wie vor so ist, dass die FIS den Großteil der Werbeflächen vermarktet und für die veranstaltenden Klubs vor Ort nur der Rest bleibt.
TT: Auch was die Zeitnehmung betrifft, sind sich ÖSV und FIS nicht grün?
Schröcksnadel: Eine von uns durchgeführte Untersuchung hat ergeben, dass die Zeitnehmung 15 Prozent des Werbewerts eines Weltcuprennens ausmacht. Bisher hatte Swiss-Timing (Swatch) alle Weltcuprennen ausgerüstet, ohne eine finanzielle Gegenleistung zu erbringen. Da haben wir nicht länger zugestimmt und für die Österreich-Rennen (Ausnahme Kitzbühel, Anm.) einen Dreijahresvertrag mit Siemens abgeschlossen. Schließlich kann es nicht sein, dass man eine so wertvolle Marketingschiene verschenkt.
TT: Neben Geld, das der ÖSV von Siemens bekommt, soll aber auch der TV-Konsument profitieren.
Schröcksnadel: Wir wollen in ein neues Zeitalter aufbrechen, den Fernsehzuschauer neben der Zeit mit jeder Menge Informationen füttern.
TT: Sie haben im Vorjahr von einem unabhängigen Institut gesprochen, welches die Abläufe in der FIS prüfen soll. Was hat diese Expertise ergeben?
Schröcksnadel: Da ist nicht viel passiert, das war eine relativ schwache Erhebung, die sich primär mit TV-Strukturen auseinandergesetzt hat. Was Abläufe bzw. Strukturen betrifft, waren die Aussagen unzureichend.
TT: Stichwort TV. Das Bezahl- bzw. Privatfernsehen hat sich die Übertragungsrechte der Fußball-Bundesliga gesichert. Wäre eine entsprechende Entwicklung auch im Skisport denkbar?
Schröcksnadel: Nein, weil der Skisport im Unterschied zum Fußball sehr eng mit dem Wintertourismus verbunden ist. Im Fußball werden fehlende Quoten mit Sponsorengelder abgedeckt. Beim Skisport funktioniert das nicht, weil der Tourismus die Leute braucht. Und die erreichst du nur über eine hohe Quote.
TT: Erstmals steigt bei der Alpin-WM in Bormio ein Mannschaftsbewerb. Nicht seltsam, dass ein neuer Bewerb ausgerechnet bei Weltmeisterschaften seine Premiere erlebt?
Schröcksnadel: Ich habe dieser Idee zugestimmt, auch wenn ich es für ein Risiko halte, zumal uns Erfahrungswerte fehlen. Aber ich bin überzeugt, dass die Sache zu handeln ist. Wenn nicht, dann verschwindet sie halt wieder in der Versenkung. Aber grundsätzlich kann es spannend werden, denn viele Nationen verfügen über jeweils zwei gute Damen und Herren. Da haben plötzlich viele Nationen die Chance, Gold zu holen.
TT: Mit Eberharter, Trinkl, Rzehak und Co. haben einige namhafte Athleten ihre Karriere beendet. Gibt’s Ihrerseits Bestrebungen, diese Fachkräfte in den ÖSV-Apparat einzugliedern?
Schröcksnadel: Natürlich, man muss ja nur an einen Toni Innauer oder Ernst Vettori denken. Aber das braucht Zeit. Die zurückgetretenen Athleten sollen ruhig mal woanders Luft schnuppern, sich weiterbilden, aber unsere Türe steht offen.
TT: Ein anderer verdienter Sportler, Pepi Strobl, startet diesen Winter für Slowenien. Sofern der ÖSV dem Wechsel bei der FIS-Vorstandssitzung (12. November, Anm.) zustimmt. Zuletzt gab’s darum ja einige Aufregung?
Schröcksnadel: Die nicht von uns initiiert worden ist. Fakt ist, dass eine Freigabe keine Verpflichtung, sondern ein besonderes Entgegenkommen ist. Wir lassen uns deshalb von niemanden unter Druck setzen, aber der Pepi wird seine Freigabe bekommen.
TT: Zum Bergisel-Stadion. Abgesehen von Vierschanzen-Tournee und dem Fed-Cup-Abstecher hielt sich die Anzahl der Events in bescheidenen Grenzen. Ganz in Ihrem Sinne oder wird sich diesbezüglich etwas ändern?
Schröcksnadel: Ich habe immer gesagt, dass es nicht unsere Absicht ist, besonders viele Events zu veranstalten. Nur hat mir das niemand geglaubt. Wir nützen den Bergisel vornehmlich touristisch und waren mit 160.000 Besucher durchaus zufrieden. Und man muss sich vorstellen: Sperre ich den Bergisel für eine Woche, verliere ich täglich 500 bis 1000 Besucher, die jeweils 5 ¤ bezahlen. Das musst du mit einem Event erst verdienen.
TT: Wie steht’s um die Pläne eines Flutlichtspringens anlässlich der Vierschanzen-Tournee?
Schröcksnadel: Nicht, dass wir es nicht gerne machen würden, aber noch fehlt es an Grundsätzlichem. Anrainer, Behörden, Finanzen - alles noch ungeklärt. Aber prinzipiell wäre solch ein Projekt innerhalb ein paar Wochen umsetzbar.
TT: Der Air & Style-Snowboardcontest findet heuer letztmalig in Tirol statt. Wäre für Sie eine Rückkehr auf den Bergisel denkbar gewesen?
Schröcksnadel: Nein, weil wir - wie bereits erwähnt - nicht auf Events setzen. Und weil der Bergisel gegenwärtig für ein Tages-Sportereignis, aber nicht für einen Abendevent geeignet ist. Es reicht beispielsweise nicht, ein paar Scheinwerfer aufzustellen, da wäre schon eine Flutlichtanlage notwendig.
TT: Abschließend: Wann gibt’s das nächste Weltcuprennen am Patscherkofel?
Schröcksnadel (lacht und klopft mit beiden Fäusten mehrmals auf den Tisch): Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Es ist mühsam, wenn man bewusst Prügel zwischen die Beine geschmissen bekommt. Ich bin keiner, der Problemen aus dem Weg geht, aber die entscheidende Frage ist: Welche Zielsetzung habe ich? Ich brauche kein Rennen, wenn ich gewisse Leute auf Biegen und Brechen auf etwas hinprügeln muss. Hier geht es nicht gegen eine Sache, sondern gegen meine Person. Ich werde nicht aufgeben, aber loslassen. Weil es für mich wichtigere Dinge gibt.
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Das Gespräch führte Max Ischia
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