Dortmund: Interview der Woche mit Sebastian Kehl (25)
"Ich gehöre einfach hier her"
Er hatte Angebote, auch aus England, doch Sebastian Kehl (25) bleibt für zumindest zwei weitere Jahre in Dortmund. Im kicker-Interview erklärt er die Gründe dafür und was der BVB noch zum Spitzenteam braucht.
Führungsspieler: Nicht zuletzt mit Sebastian Kehl soll in Dortmund ein erfolgreiches Team aufgebaut werden.kicker: Ihre Vertragsgespräche zogen sich über Monate hin. Gehen Sie in allen Lebenslagen so gründlich vor wie bei den Verhandlungen mit Dortmund, Herr Kehl?
Sebastian Kehl: Für mich ging es um eine wichtige Entscheidung. Ich habe mir intensiv Gedanken gemacht und sorgsam abgewägt. Dementsprechend lange hat es eben gedauert.
kicker: Sie haben einem neuen Kontrakt bis 2008 zugestimmt, dann wären Sie sechseinhalb Jahre beim BVB. Wird der Dauerrenner Kehl bei der Borussia auch zum Dauerbrenner?
Kehl: Das hoffe ich doch. Ich weiß, was ich an diesem Verein habe. Und der Verein weiß, was er an mir hat.
kicker: Warum verlängern Sie nur für zwei Jahre?
Kehl: Von meiner Seite standen auch Überlegungen im Raum, die Laufzeit auf vier Jahre auszudehnen, dann aber mit einer Ausstiegsklausel. Damit konnte sich der BVB nicht anfreunden. Er wollte Planungssicherheit. Deswegen haben wir uns auf zwei Jahre verständigt.
kicker: Gab es Alternativen?
Kehl: Ich hatte verschiedene Angebote aus dem Ausland, speziell aus England waren attraktive Offerten dabei.
kicker: Warum bekam Dortmund den Zuschlag?
Kehl: Das ganze Paket hat gepasst.
kicker: Für Steven Pienaar, der im Sommer sicher kommt, und für Nigel de Jong, der ihm möglicherweise folgt, soll die Borussia eine Zwischenstation auf dem Weg zu den ganz großen Adressen in Europa sein. Welche Ambitionen hegen Sie?
Kehl: Ich habe Vertrauen in unser Trainerteam - und in die Verantwortlichen des Vereins. Mit den schon feststehenden und noch geplanten Verpflichtungen setzen sie ein Zeichen, dass der Weg wieder nach oben gehen soll. Die Perspektive ist viel versprechend. Ich möchte wieder international spielen. Und diese Möglichkeit wurde mir in den Gesprächen aufgezeigt.
kicker: Bert van Marwijk hat bereits angekündigt, dass sich Borussia Dortmund in der nächsten Saison neue Ziele stecken wird. Welche?
Kehl: Wir müssen einen UEFA-Cup-Platz anstreben. Das Potenzial dafür haben wir - sonst hätte ich nicht unterschrieben.
kicker: Schon vor Ihnen verpflichteten sich Dede, Kringe, Weidenfeller, Wörns, Ricken oder Odonkor für weitere Jahre beim BVB. Was, wenn nicht die gigantischen Gagen vergangener Tage, macht für Sie den Reiz dieses Vereins aus?
Kehl: So banal es vielleicht klingt: Mir ist die Borussia ans Herz gewachsen. Ich identifiziere mich total mit dem BVB. Und mich berührt es, wenn Fans wie beim Spiel in Frankfurt Transparente hoch halten, dass ich bitte in Dortmund bleiben soll. Zu wissen, dass ich bei den Menschen gut ankomme, bedeutet mir sehr viel. Ich gehöre einfach hier her.
kicker: Speziell Wörns und Ricken mussten beim Gehalt erhebliche Zugeständnisse machen. Hat man auch von Ihnen einen Beitrag zur Klubsanierung verlangt?
Kehl: Ich bin zufrieden mit dem Vertrag, den wir gemeinsam erarbeitet haben.
kicker: Abgesehen von Dede und Christoph Metzelder, die nur bis 2007 gebunden sind, steht das Gerüst der Dortmunder Mannschaft jetzt für die nächsten zweieinhalb Jahre. Wer - oder welche Typen fehlen noch?
Kehl: Wir haben eine sehr harmonische Gruppe, müssen aber aufpassen, dass die Harmonie nicht überhand nimmt. Es muss auch mal rauchen, es muss auch mal Ärger geben. Jemand, der mal dazwischenfunkt und auch die Mannschaft auf diese Weise am Leben hält, würde uns noch gut zu Gesicht stehen.
kicker: Sie sind inzwischen das, was Ottmar Hitzfeld einen "Leader" nennt. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hält Sie für die "beste Nummer sechs der Bundesliga". Was erwarten die Bosse von Ihnen?
Kehl: Dass ich noch mehr Verantwortung übernehme, dass ich noch mehr bewege als bisher und dass ich die jungen Spieler weiter führe. Aber das erwartet nicht nur die Vereinsführung, das ist auch mein Anspruch.
kicker: Sie werden in sechs Wochen 26 Jahre alt. Gehen wir recht in der Annahme, dass Sie sich zum Geburtstag die Rückkehr in die Nationalmannschaft wünschen?
Kehl: Die habe ich mir schon zu Weihnachten gewünscht. Und zu Silvester. Ich habe die WM nie aus den Augen verloren und werde mit allem Einsatz darum kämpfen, dabei zu sein.
kicker: Gibt es Signale von Bundestrainer Jürgen Klinsmann, dass Sie am 1. März gegen Italien eine Chance erhalten?
Kehl: Es liegt an mir selbst. Ich muss gut aus den Startlöchern kommen und an meine Leistungen vor Weihnachten anknüpfen. Ich weiß, dass der Bundestrainer die Liga genau beobachtet.
kicker: Befürchten Sie, dass Ihnen bei Klinsmann Ihr Schnösel-Image von einst noch nachhängt?
Kehl: Ich glaube nicht, dass er sich davon leiten lässt, was irgendwo mal falsch geschrieben wurde. Klinsmann wird sich sein eigenes Bild machen.
Interview: Thomas Hennecke