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Kaprun Prozess

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lanschi
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von lanschi »

baeckerbursch hat geschrieben:Der Heizlüfter hätte da nie sein dürfen!
Das mag aus heutigem Stand der Technik logisch sein, damals konnte das aber niemand ahnen, dass es in dieser Bahn zu einem solchen Inferno kommen könnte.

Und genau wie es Klosterwappen sagt, die GBK trifft in diesem Fall aus meiner Sicht die geringste Schuld - sie hat die Führerstandheizung bestellt, der Lieferant hat sie geliefert und die entsprechenden Behörden haben die Bahn abgenommen. In welcher Form sollte dann irgendeine Person der GBK eine Schuld treffen? Und genau die Verantwortlichen der GBK sind aber in den Augen der Angehörigen die Schuldigen (zumindest hackt beispielsweise eine Frau Geiger, die ja in nahezu jeder Sendung zu diesem Thema vorkommt, immer darauf rum).

Und selbst wenn die GBK ein scheinbar hochentzündliches Hydrauliköl eingesetzt hat, so ist dies bei einem Fahrzeug ohne offensichtlicher Zündquelle in meinen Augen noch kein grob fahrlässiges Verhalten, noch dazu wo das System ja dicht sein soll, ja muss.

Und zu dem Vorwurf von diesem Anwalt da in der gestrigen Sendung; welcher Sachverständige, der nicht dem Seilbahnwesen zuzuordnen ist, hätte denn die Bahn überprüfen sollen (Stichwort: Befangenheit)? Hätte man einen Sachverständigen für Schifffahrt einsetzen sollen, um eine Unabhängigkeit zu gewährleisten? Also dieser Vorwurf ist doch mehr als lächerlich.

Dass in diesem Verfahren vieles schief/unglücklich gelaufen ist, ist offensichtlich. Aber manche Auswüchse nehmen doch teils unglaubliche Ausmaße an.

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baeckerbursch
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von baeckerbursch »

Das ist falsch, weil ihn der Arbeitnehmerschutz gefordert hat. Und dieser Forderung mussten die Gletscherbahnen (ob sie wollten oder nicht, nachkommen
Das mag aus heutigem Stand der Technik logisch sein, damals konnte das aber niemand ahnen, dass es in dieser Bahn zu einem solchen Inferno kommen könnte.
So was muss man erst mal schreiben....


Also: Wenn man keine Ahnung hat sollte man sich wenigstens mit Vermutungen zufriedengeben - aber ihr schreibt ja als wäre das "Gesetz"

1, Der Arbeitsschutz kann sagen was er will. Entstehen dadurch Gefährungen wird so was nie umgesetzt.

2, Niemand ahnen - wenn ich so einen wagen baue und dann irgendwann den lüfter einbaue war das schon vor 100 Jahren der anerkannte Stand der Technik Zündquellen von Brennbaren Stoffen fernzuhalten.
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Werna76
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von Werna76 »

Dachstein hat geschrieben:Ich möchte hier auf die Stellungnahme der Gletscherbahn verweisen, wo die beiden zuständigen Personen sehr wohl die moralische Schuld am Desaster auf sich nehmen.
Moralisch zählt für mich nicht, das ist mein keinerlei Konsequenzen verbunden.
Hermann ist der Skilehrer für uns alle (Aksel Lund Svindal über Hermann Maier)
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Kris
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von Kris »

Mich nimmt etwas Wunder daß im Forum bisweilen über die "Legalität" der Kombination der fatalen Elemente diskutiert wurde.
Beispielsweise befindet Dachstein, daß ein "Fahrbetriebsmittel" aus juristischer Sicht kein "Fahrzeug" sei, und somit der Betriebshinweis, dass der Heizlüfter nicht in Fahrzeugen zulässig sei, juristisch keine Rolle spiele. Ich kann mir vorstellen, daß derartige Argumentationslinien Berge an Akten durchziehen...

Mir fehlt hier jedoch der Aspekt der professionellen Pflichten desjenigen, der den Einbau des Heizlüfters zu verantworten hat. Ich gehe davon aus, daß es sich auch um im juristischen Sinne fachspezifisch befähigte Personen gehandelt hat, zB. ausgebildete Elektriker bzw. E-Ingenieure.

Diese Personen müssen nicht nur nach wohlüberlegten Normenkatalogen handeln können (Zb. normgerechte elektrische Anlage...was man nicht auswendig weiß, schlägt man nach...oft langweilig aber es macht Sinn...), sondern -und das ist der Punkt- auch von sich aus kombinatorische Risiken erkennen und bewerten können! Das unterscheidet den Professionellen vom Hobbybastler oder Pfuscher. Und ist letztendlich Voraussetzung für jegliches Ingenieurswerk.
Derjenige, der den Heizlüfter eingebaut hat, MUSS sich auch implizit oder explizit Gedanken über das Umfeld des Gerätes Gedanken machen. Dafür ist der ausgebildet, dafür ist das ein Beruf. Noch dazu ist dies im falle des Heizlüfters (Baumarktqualität, Nähe zur Hydraulikleitung, Umbauen des Geräts...) nun wirklich evident wie wir hier alle feststellen.

Dafür trägt der auch die Verantwortung. Logischerweise auch oder erst recht wenn er die Gefahr nicht erkannt hat. Moralisch wie juristisch. Seilbahningenieure (wie andere auch) stehen strafrechtlich leider stets mit einem Bein im Gefängnis (Zivilrechtlich haftet die Versicherung der Firma).

Das zuvor von Bäckerbursch aufgeführte Extrembeispiel mag das Prinzip besser verdeutlichen: Baut ein Elektroingenieur einen Heizlüfter in eine Zapfsäule ein, weil der Chef seinem Tankwart eine warme Zapfsäulenumgebung gönnen will (oder muss), so ist es sehr wohl unstreitbar evident, dass der Elektroingenieur strafrechtlich haftet. Denn dieser hätte seinen Chef darauf hinweisen müssen, dass diese Variante nicht zu verantworten ist. Dies trotz aller VDE oder sonstiger Zeichen auf Heizlüfter und Zapfsäule....

(In Analogie zum Kaprun Urteil würde hier ein österr. Gericht wohl befinden, dass der Hinweis auf der Zapfsäule "kein offenes Feuer im Umkreis von... " hier nicht wirkt, weil die Heizspirale ja glüht und nicht brennt....)

***

Interessant wäre zu erfahren, wie die Entscheidungsfindung über den Einbau des Heizlüfters im Gletscherdrachen vonstatten gegangen ist: Welche Personen waren hier involviert und wie haben diese gewirkt?

Ordnet beispielsweise ein fachlich nicht qualifizierter Übergebener (zB. Betriebswirt) seinem wohl qualifizierten Untergebenen (Elektromeister) an "Hey, bau da mal einen Heizlüfter aus dem OBI ein" entsteht das klassisches Problem, welches jeder Facharbeiter wohl zu genüge kennt: Ja sagen um den Frieden zu bewahren, oder Bedenken anmelden ("=nerven").

Zusätzlich existiert noch eine dritte Variante: Diejenige dass die Fachkraft das Risiko erst gar nicht erkennt, obwohl dies 1.) seine Pflicht gewesen wäre und 2.) mit seinem Ausbildungsstand (Prüfungen, Zertifikate...) tatsächlich zumutbar erkennbar gewesen wäre. Dieses Szenario sei im folgenden durchgespielt:

Schlimm kann es also werden, wenn fachlich qualifizierte Angestellte nicht umfassend in Eigeninitiative nachdenken und diskutieren, weil die Betriebskultur diese Arbeitsweise nicht fördert oder gar behindert. Das kommt im Anlagenbau leider oft genug vor. Ständiges (implizites) Nachdenken und Hinterfragen von Routineprozessen und Vorgaben ist jedoch Voraussetzung, um nicht erst aus Fehlern lernen zu müssen...

Insbesondere Österreich (verglichen mit anderen Ländern in denen ich bisweilen längerfristig tätig war) ist stets sehr auf eine "wohlige Harmonie" im Betrieb aus, d.h. man ist sich alle lieb und nett ....was ja schön ist... und geht damit unbewusst Problemen grundsätzlich so gut es geht aus dem Weg.... womit aber das kritische Denken auf die Lange Sicht flöten geht.
Das Liebenswerte an Österreich ist dann jedoch wieder, dass Fehlhandlungen kaum getadelt werden. Es macht einfach nichts...wir sind uns ja alle lieb. Das Verblüfft mich hier stets aufs neue... Es lässt sich in dieser Kultur jedoch angenehmst leben wenn man diese erst mal selbst verinnerlicht hat...
Derartige Beobachtungen darf ich -da subjektiv- wohl nicht verallgemeinern, aber Näherungsweise birgen diese schon ihren Anteil an Wahrheit...

Die Vorgehensweise des "mache es so wie es alle machen, wie es immer schon gemacht wurde (außerdem muss das Projekt gestern fertig werden)" durfte ich in jenem Betrieb erleben, in dem ich vor Jahren in Österreich arbeitete. Der Betrieb stellte elektrische Ausrüstungen für Seilbahnen her...
Zuletzt geändert von Kris am 08.11.2010 - 14:20, insgesamt 2-mal geändert.
>> Die unaufhaltsame Industrialisierung des Skiraums führt zu Banalisierung und somit zum Verlust der magischen Skisportfreude<<
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baeckerbursch
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von baeckerbursch »

Danke Kris für den fundierten Beitrag.

Ergänzen möchte ich hier noch, daß auch in der ständigen Überprüfung der Anlage der Tüv (oder wer da in At auch kommt) schlicht versagt hat. Er hätte ein solchen Gefährungspotential auch erkennen müssen.
Genauso wie der Brandschutz im Betrieb (den gibts in AT bestimmt auch?), genauso wie die Feuerwehr (die machen in AT bestimmt auch Betriebsbegehungen?)

Die sind es jedenfalls immer, die auch um mir in den Betrieb kommen und an mir hermummäkeln.
lsap freak
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von lsap freak »

Nach dem Artikel in der Zeit, war dem Betriebselektriker sehr wohl bekannt, dass der Heizlüfter seine Zertifizierungen und seine Zulassung verliert, wenn er auseinandergenommen wird. Dies hat er in den Befragungen mehrfach angegeben.

http://www.zeit.de/2009/33/A-Kaprun

Frage: Wo ist der Eingang zum Zugangsstollen der Mittelstation der SSB? Hier?
http://maps.google.de/maps?f=q&source=s ... 8&t=h&z=18
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jens.f
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von jens.f »

lsap freak hat geschrieben:Nach dem Artikel in der Zeit, war dem Betriebselektriker sehr wohl bekannt, dass der Heizlüfter seine Zertifizierungen und seine Zulassung verliert, wenn er auseinandergenommen wird.
Moment mal:
Er verliert seine BAUART-Zulassung. Aber als (hoffentlich) ausgebildeter Elektriker darf es sehr wohl Geräte umbauen, ohne dass sie nachher "Illegal" sind - dafür ist er ja Elektriker.
Ein Elektriker darf ja auch selbst Sachen zusammenbauen.

Das Auseinanderbauen alleine ist also keinerlei Vergehen, so er dann die nötige Qualifikation dafür hatte.

Eine Frage ist natürlich, ob das Geräte dann neu abgenommen hätte werden müssen (ähnlich wie in D wenn man an einem Auto grösse Änderungen vornimmt, die dann der TÜV abnehmen muß) - aber dafür müsste man jetzt die entsprechenden Bestimmungen kennen.

Wenn er das ganze natürlich nicht Fachgerecht gemacht hat, oder nicht hätte machen dürfen, da ihm dafür Qualifikationen fehlen, DANN wäre das natürlich was anderes.

Gruß, Jens

lsap freak
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von lsap freak »

jens.f hat geschrieben:Moment mal:
Er verliert seine BAUART-Zulassung. Aber als (hoffentlich) ausgebildeter Elektriker darf es sehr wohl Geräte umbauen, ohne dass sie nachher "Illegal" sind - dafür ist er ja Elektriker. Ein Elektriker darf ja auch selbst Sachen zusammenbauen.
Vielleicht habe ich das Zitat nicht richtig wiedergegeben. Hier das Original aus dem Artikel von der Webseite "Die Zeit":
"Allerdings räumten sie [die Gutachter] auch ein, es sei ihnen nicht bekannt gewesen, dass ein Elektrogerät wie der betreffende Heizlüfter sämtliche Prüfzeichen, Zulassungen und Gewährleistungen verliere, wenn er sich nicht mehr im Originalzustand befinde, sondern zerlegt, umgebaut und neu zusammengesetzt werde, wie das in Kaprun der Fall gewesen sei. Auf dieser falschen Grundannahme fußen allerdings alle im Prozess vorgelegten Gutachten, und dieser Umstand war selbst dem Betriebselektriker der Gletscherbahnen vertraut, wie er mehrmals in Befragungen angegeben hatte."
Quelle: http://www.zeit.de/2009/33/A-Kaprun
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von citta dei sassi »

Bei anderen nur Fehler zu sehen ist noch armseliger, als die eigenen Vorzüge zu loben. (Mahatma Gandhi)

Werna76, wenn du uns den Seilbahner vergraulst komm ich zu Dir und werde Dir mal sagen das Du einfach mal still bist, und das sehr konsequent!!!!! :sonicht: :schaemdich:

manchmal geht das hier einem echt auf den S....., da sind Leute auf dem Weg die irgendwo im Flachland wohnen und dann einem der wenigen richtigen Profis sagt was er machen soll. Ne echt. was soll das bitte? Aber ist ja nicht nur hier, woanders auch (Hallo Zugspitze).

Aber das mit friedefreudeeierkuchen bei der Arbeit in Österreich kann ich bestätigen. Solange rumgemessen bis es irgendwie passte. Waren aber Gasmotoren und keine Lifte. Effektive Fehlersuche im Pruduktionsprozess war nicht möglich.

Ich hab aber daraus gelernt, der Kommentar "machen wir schon seit 20 Jahren so" zählt bei mir nicht mehr. Daher achte ich darauf das alle von mir durchgeführten arbeit in dem Bereich liegen den ich mir zutraue. Bei zweifeln meinerseits geht man dann auch mal zum Vorgesetzten und holt sich, wenn sein muss, auch schriftlich grünes Licht für diese Arbeit. Oder macht einen vermerk im Betriebstagebuch, wird ja vom verantwortlichen Techniker und dem Dienstleiter gegengezeichnet.
Zuletzt geändert von citta dei sassi am 08.11.2010 - 18:10, insgesamt 2-mal geändert.
Mir gehts auf den Keks, ich bin weg.
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von jens.f »

lsap freak hat geschrieben:[
Vielleicht habe ich das Zitat nicht richtig wiedergegeben. Hier das Original aus dem Artikel von der Webseite "Die Zeit":
"Allerdings räumten sie [die Gutachter] auch ein, es sei ihnen nicht bekannt gewesen, dass ein Elektrogerät wie der betreffende Heizlüfter sämtliche Prüfzeichen, Zulassungen und Gewährleistungen verliere, wenn er sich nicht mehr im Originalzustand befinde, sondern zerlegt, umgebaut und neu zusammengesetzt werde, wie das in Kaprun der Fall gewesen sei.
Das ist aber auch nicht anderes. Natürlich verliert das Geräte seine Original-Zulassung und Gewährleistung - aber das alleine bedeutet noch gar nichts - ein entsprechend ausgebildeter Elektriker DARF sowas tun.
Wenn ein Elektriker Kabel verlegt, hat das System ja auch keine "Werks-Zulassung" mehr - ist aber trotzdem nicht illegal.

Meiner Meinung nach ziehlt dies ganze ehe in eine falsche Richtung:
Warum der Brand ausgebrochen ist, halte ich gar nicht für das wichtigste an der Geschichte - ein Brand kann fast überall ausbrechen. Es gab ja auch zuerst Vermutungen, das Gas-Kartuschen in Rucksäcken den Brand ausgelöscht hätten.

Viel Schlimmer wiegen für mich die Konzeptionellen Fehler - der Brandfall wurde ja offensichtlich GAR NICHT bedacht. Es gab hier ja keine Brandmelder, Feuerlöscher, Evaluierungskonzept etc.
Und das alles nur, weil Standseilbahnen durchs "Brandschutzraster" gefallen sind.

Auch wenn das rechtlich wahrscheinlich korrekt war - ein Verantwortlicher Planer hätte m.E. trotzdem den Brandfall bei der Planung mit bedenken sollen und entsprechende Maßnahmen ergreifen sollen.

Das ein Transportmittel für 160 Personen OHNE Elementare Brandschutzmaßnahmen unterwegs war - UND ja auch so von den Behörden abgenommen wurde - das ist für mich eher der Skandal...

Gruß, Jens
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Kris
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von Kris »

Über die Rolle von Prüfinstitutionen bin ich mir nicht so sicher. Diese prüfen in erster Linie ... die Einhaltung von Normen und Gesetzen.

Inwieweit können Prüfinstitutionen bei Anlagen "Gefahr in Verzug" beanstanden, obwohl keine konkreten Normen und Gesetze tangiert sind? Haften werden diese in derartigen Fällen wohl nicht.
Meist gibt es Gesetze, nur ist die Auslegung ebendieser wohl je nach Materie oft genug schwammig, zB. bzgl. Wirksamkeit von Fluchtwegen.


In der Pitztaler Standseilbahn befinden sich m.W. keine Hinweisschilder/Piktogramme, daß im Brandfall die Fluchtrichtung Berg stets den Tot bedeutet. Fluchtrichtung muss immer Tal sein, auch wenn der Weg dadurch ggf. am Brandherd vorbeiführt, und der Instinkt vom Feuer sofort weg will (so wie in Kaprun wohl geschehen). Das muss verinnerlicht werden, ähnlich dem "Aufzug im Brandfall nicht benutzen".

Derartige Schilder in der Tunnelbahn wären bei Touristikern heute erst recht höchst unbeliebt, da im Fahrgast Assoziationen zu Kaprun geweckt würden....

Ein jeder Feuerpolizist würde sich derartige Hinweisschilder wohl wünschen. Aber darf er diese für jedes Abteil der Standseilbahn einfordern, wenn es keine explizite Gesetzespflicht für diese gibt? Vielleicht reicht lt. Gesetz ein kleiner Aushang bei der Kassa "Verhalten im Brandfall" ja aus...

Das Dilemma der Prüfinstitute ist bekannt: "Gefahr in Verzug" als anfechtbare subjektive Einschätzung weil im Spezialfall kein Gesetz konkret die Grenzparameter "Sicher / Unsicher" bestimmt. Der Willkür sind Tür und Tor geöffnet.

Der Ausweg hieraus ist jener, daß Prüfinstitute und normgebende Institute oft ident sind (VDE), oder eng kooperieren (TÜV). Die Erfahrung der Prüfer soll hierdurch möglichst pragmatisch in Normung und Gesetzgebung einfliessen. Als Gegengewicht werden zudem noch andere maßgebliche Stakeholder wie Hersteller und Universitätsinstitute ins Normboot geholt (Genau so sind die EU Seilbahnnormen entstanden).
Insgesamt kommt es wohl auf eine kluge fachliche Zusammenstellung der Normgremien an...


Ich war einige Jahre nicht mehr im Pitztal, mag sein dass Hinweisschilder und Tür-Notentriegelung (wie in Bussen etc.) jetzt vorhanden sind.....
Zuletzt geändert von Kris am 08.11.2010 - 17:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von darkstar »

jens.f hat geschrieben:Viel Schlimmer wiegen für mich die Konzeptionellen Fehler - der Brandfall wurde ja offensichtlich GAR NICHT bedacht. Es gab hier ja keine Brandmelder, Feuerlöscher, Evaluierungskonzept etc.
Sehr wohl. Je ein Feuerlöscher pro Führerstand.
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von Dachstein »

baeckerbursch hat geschrieben: Niemand ahnen - wenn ich so einen wagen baue und dann irgendwann den lüfter einbaue war das schon vor 100 Jahren der anerkannte Stand der Technik Zündquellen von Brennbaren Stoffen fernzuhalten.
Ich denke nicht, dass man sagen kann, dass ein Heizlüfter eine offensichtliche Zündquelle ist. Und ich gehe davon aus, dass das nicht offensichtlich ist, bzw. nicht einfach festzustellen ist. Es gibt generell 1000 Dinge, die man bedenken mag, manchmal ist halt da 1001. Ding das Problem.
Und zu dem Vorwurf von diesem Anwalt da in der gestrigen Sendung; welcher Sachverständige, der nicht dem Seilbahnwesen zuzuordnen ist, hätte denn die Bahn überprüfen sollen (Stichwort: Befangenheit)? Hätte man einen Sachverständigen für Schifffahrt einsetzen sollen, um eine Unabhängigkeit zu gewährleisten? Also dieser Vorwurf ist doch mehr als lächerlich.
Das ist für mich das nächste Problem (es ist schlichtweg schwer, einen Sachverständigen aufzutreibe, der in einer kleinen Branche nicht befngen wäre) - besonders bei seiner Argumentation, dass auch der Richter befangen sei, da er ein Touristikführungsbüro in Salzburg Stadt (!!!!!) hätte. Auch dieser Vorwurf ist nicht haltbar. Ebenso der Vorwurf, dass ein Angeklagter und er im selben Wohltätigkeitsverein seien. Denn wenn dem so wäre, dann dürfte kein Richter, der beim Roten Kreuz tätig wäre, mich verurteilen, weil ich auch beim RK tätig bin.

@Werna76:

Welche Konsequenzen wünscht du dir? Dass Leute ins Gefängnis wandern? Das hilft den Überlebenden imo. nichts. Ein Menschenleben mit Geld oder Gefängniss aufzuwiegen halte ich für sehr schwer bis unmöglich. Ich glaube, man darf es sich nicht so einfach machen und sagen, dass die Schuld sind, weil die das Ding betrieben haben, den Lüfter eingebaut haben, den Wagen geliefert haben, die Bahn zugelassen haben usw...

@ Kris: Klosterwappen hat sehr schon herausgeschrieben, wie der Heizlüfter zum Einbau kam. Es sind sicher dabei einige Dinge schiefgelaufen, jedoch war das für die Beschuldigten nicht offensichtlich.

Und ja, ich sehe es ähnlich wie lanschi: die Gletscherbahnen sind selber Opfer ihrer eigenen Bahn geworden. Es mag für den einen oder anderen unlogisch klingen, für mich ist es aber so.
Jens.f hat geschrieben:Das ein Transportmittel für 160 Personen OHNE Elementare Brandschutzmaßnahmen unterwegs war - UND ja auch so von den Behörden abgenommen wurde - das ist für mich eher der Skandal...
Etwas was nicht brennen kann (im Verständniss der Behörde) braucht auch keine Brandschutzmaßnahmen. Das war der Wissenstand damals, heute wissen wir es (leider) besser. Der Preis dafür war leider sehr teuer. Die Feuerlöscher waren auch nicht dafür gedacht, eine brennende Garnitur zu löschen, sondern eher dafür Brände in den Stationen löschen zu können. Mit einem simplen Pulverlöscher hätte man gegen ein solches Inferno nichts machen können, eventuell eine bis zwei Sekunde verzögern; einen Brand, der verdeckt ausbricht kann man maximal mit CO2 ider Halonlöschern bekämpfen. Und diese in geschlossenen Räumen einzusetzen bedeutet auch wieder eine Gefahr für den Menschen.

MFG Dachstein

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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von jens.f »

darkstar hat geschrieben:
jens.f hat geschrieben:Viel Schlimmer wiegen für mich die Konzeptionellen Fehler - der Brandfall wurde ja offensichtlich GAR NICHT bedacht. Es gab hier ja keine Brandmelder, Feuerlöscher, Evaluierungskonzept etc.
Sehr wohl. Je ein Feuerlöscher pro Führerstand.
Soll das jetzt ein Witz oder Ernst sein?
Der untere Führerstand war ja nicht besetzt, die Passagiere hatte keine Möglichkeit, den Feuerlöscher zu erreichen.
Den Fahrer in der oberen Kabine konnte sie nicht erreichen, da es keine Sprechanlage gab.
Somit war kein Feuerlöschen ZUGREIFBAR.

Außerdem: Ein einen Bericht stand mal, dass der Feuerlöschen eh nur für das Löschen von Bränden auf der Strecke bei Schweiss-Maßnahmen gedacht war.

Das traurige bei diesem Unglück ist ja gerade, das es x Möglichkeiten gegeben hätte, es zu verhindern.

Nur ein paar Beispiele:

1) Fehlende Notbremse/Kommunikationseinrichtung:
Angeblich (ich kanns natürlich nicht nachprüfen), haben die Fahrgäste ja bereits auf der Rampe den Brand gemerkt, einige sollen sogar schon den Notruf gewählt haben, leider ist dann im Tunnel der Kontakt abgebrochen
-> Hätte es eine Notbremse/Kommunikationsfunktion mit dem Führer gegeben, hätte man den Zug wahrscheinlich noch vor Einfahrt in den Tunnel stoppen und evtl. sogar zurück in die Station fahren können

2) Fehlende Nottüröffnung:
Hätte es eine Nottüröffnung gegeben, hätten wahrscheinlich mehr Leute überlebt

3) Unzureichende Fluchtwege:
Hier erübrigt sich jeder Kommentar

4) Unzureichende Ausbildung des Zugführers, (evlt.) Fehlende Lautsprecher-Ansagen:
Das Todesurteil für viele Fahrgäste war ja, dass Sie nach Oben gelaufen sind.
Ich weiss jetzt nicht, ob es eine Anlange für Lautsprecher-Durchsagen gab, die auch so konstruiert war, dass sie in dieser Situation noch Funktionsfähig war:
Aber hätte der Zugführer angesagt, dass die Leute nach unten Laufen sollen, hätte das evtl. auch einige Leben retten können.
Das er das nicht gemacht hat, kann man aber nicht ihm persönlich anlassen - sowas kann man nur durch Ausbildung und Übung erreichen (siehe Flugzeuge).

5) Fehlende Brandmeldeeinrichtaug:
Ein nicht Besetzer Führerstand mit Elektro-Geräten, aber ohne Brandmeldeeinrichtung - hier müsste auch bei jedem Fachmann die Alarmglocken läuten..

6) Verwendung leicht entflammbarer Materialien

7) Das Bremssystem:
Laut dem Bericht steckte der Zug ja fest - es gab offensichtlich keine Möglichkeit für den Zugführer, die Bremsen zu lösen und zumindest zurück auf die Rampe zu fahren - auch das hätte ja sehr viele Menschen gerettet


Wie gesagt: DASS ein Brand auftritt, ist natürlich schlimm genug - aber ein Brand wird sich nie 100% ausschließen lassen.
Wenn nicht ein Heizlüfter den Brand ausgelöst hätte - eine heiß gelaufenes Rad kann das auch.
Das schlimmer ist, das der Brand so fatale Folgen haben musste.

Aber wie schon geschrieben: All das war leider nicht vorgeschrieben, da Standseilbahnen eben in eine juristische "Lücke" gefallen sind. Und kein Mensch konnte sich eben ernsthaft Vorstellen, dass sowas passiert - deswegen gab es ja auch keine entsprechende Vorschriften.

Aber genau dass macht leider auch die Schuldfrage so schwer.

Gruß,Jens
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von jens.f »

Dachstein hat geschrieben:
Etwas was nicht brennen kann (im Verständniss der Behörde) braucht auch keine Brandschutzmaßnahmen.
Das ist nicht ganz richtig - dann bräuchten ja auch Steingebäude oder Tunnel keine Brandschutzmaßnahmen.
Ein Tunnel selbst brennt ja auch nicht...

Wie gesagt: Das Problem ist eher, dass Standseilbahnen durch das Raster gefallen sind, da Sie eben KEIN Gebäude, kein Fahrzeug etc. sind.

Gruß, Jens
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von Dachstein »

Stichwort Notbremse: schon was von einer Notbremsüberbrückung gehört? Ist bei der Eisenbahn Standart. Sobald du in einen Tunnel einfährst, hat die NBÜ aktiviert zu werden, um ein Stehenbleiben im Tunnel zu unterbinden. Weil sich die Bahn zu 90 Prozent unter der Erde befand, gabs warscheinlich auch keine Notbremse.

Stichwort: Fehlende Nottüröffnung: meines Wissens konnten die Türen vom Führerstand geöffnet werden. Leider ging das nicht mehr. Im Großen und Ganzen würde ich ach heute noch sagen, dass bei Fahrzeugen, die hauptsächlich unter der Erde unterwegs sind, eine Notöffnung der Türen sehr genau überlegt sein will. Weil wenn dir jemand während der Fahrt rausfällt, weil ein Jugendlicher dran herumgespielt hat, hast auch weider ein juristisches Problem...

Stichwört: Unzureichende Fluchtwege: War damals stand der technik. Erst nach den Tunnelunglücken kam man auf die Idee, daran etwas zu ändern...

Stichwort: Unzureichende Ausbildung des Zugführers, (evlt.) Fehlende Lautsprecher-Ansagen: Ich halte es für nicht sinnvoll, bei solchen Bahnen den Sicherheitsstandarts in Sachen Übungen wie bei einem Flugzeug anzulegen. Zweitens kommt im Brandfall noch die Stresssituation dazu, und ich wage zu bezweifeln, dass ein einzelner Mitarbeiter eine Meute von 50 Personen daran hindern kann, instinktiv weg vom Feuer, nach Oben und damit in den Tod zu rennen. Stichwort Massenpanik.

Stichwort: Fehlende Brandmeldeeinrichtaug: Wo keine Brandlast ist, brauchts auch keinen Feuerlöscher. Nur leider war eine da, aber eben nicht offensichtlich...

Stichwort: heißgelaufenes Rad: Als Museumsbahner habe ich schon einige Lagerschäden gesehen, aber einen Brad dadurch ist mir noch nicht untergekommen.
Aber wie schon geschrieben: All das war leider nicht vorgeschrieben, da Standseilbahnen eben in eine juristische "Lücke" gefallen sind. Und kein Mensch konnte sich eben ernsthaft Vorstellen, dass sowas passiert - deswegen gab es ja auch keine entsprechende Vorschriften.

Aber genau dass macht leider auch die Schuldfrage so schwer.
100% Zustimmung.

MFG Dachstein
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lanschi
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von lanschi »

jens.f hat geschrieben:Aber wie schon geschrieben: All das war leider nicht vorgeschrieben, da Standseilbahnen eben in eine juristische "Lücke" gefallen sind. Und kein Mensch konnte sich eben ernsthaft Vorstellen, dass sowas passiert - deswegen gab es ja auch keine entsprechende Vorschriften.

Aber genau dass macht leider auch die Schuldfrage so schwer.
Diese zwei Absätze fassen meine und, so denke ich, auch die Meinung von Dachstein ziemlich gut zusammen.
jens.f hat geschrieben:Das ist nicht ganz richtig - dann bräuchten ja auch Steingebäude oder Tunnel keine Brandschutzmaßnahmen.
Ein Tunnel selbst brennt ja auch nicht...
Dachstein meint eher das Vorhandensein einer Brandlast.

In Österreich ist für Brandmeldeanlagen (nicht Brandschutzanlagen!) die TRVB 123, die Technische Richtlinie für vorbeugenden Brandschutz maßgeblich. Und laut dieser muss man beispielsweise auch in einer Toilette nicht zwangsweise Brandmelder installieren, da dort eben normalerweise keine Brandlast vorhanden ist.

Bei Interesse kann ich selbige in der Firma mal nachschlagen, ich glaube aber, dass in dieser Richtlinie nichts betreffend Fahrzeugen/Fahrbetriebsmittel enthalten ist.
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von darkstar »

jens.f hat geschrieben:Soll das jetzt ein Witz oder Ernst sein?
Mitnichten.
jens.f hat geschrieben:Der untere Führerstand war ja nicht besetzt, die Passagiere hatte keine Möglichkeit, den Feuerlöscher zu erreichen.Den Fahrer in der oberen Kabine konnte sie nicht erreichen, da es keine Sprechanlage gab.
Somit war kein Feuerlöschen ZUGREIFBAR.
Was hätten die Fahrgäste mit einem Feuerlöscher in ihrem Abteil machen sollen? Etwa den Gummiboden anfeuchten? :lach: Warum glaubst du, dass es in den weiteren Schrägstollenbahnen keine zusätzlichen Feuerlöscher gibt?
jens.f hat geschrieben:Außerdem: Ein einen Bericht stand mal, dass der Feuerlöschen eh nur für das Löschen von Bränden auf der Strecke bei Schweiss-Maßnahmen gedacht war.
Falsch, der Feuerlöscher war vorhanden, um die Vorgaben zu erfüllen.
jens.f hat geschrieben:2) Fehlende Nottüröffnung:
Hätte es eine Nottüröffnung gegeben, hätten wahrscheinlich mehr Leute überlebt
So einen gab es, mechanisch, sowohl innen als auch außen.
jens.f hat geschrieben:6) Verwendung leicht entflammbarer Materialien
Aber sicher doch. Gummi, Plexiglas und Alu sind durchaus hochentzündlich :lach:
Zuletzt geändert von darkstar am 10.04.2011 - 22:54, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von jens.f »

lanschi hat geschrieben: Dachstein meint eher das Vorhandensein einer Brandlast.

In Österreich ist für Brandmeldeanlagen (nicht Brandschutzanlagen!) die TRVB 123, die Technische Richtlinie für vorbeugenden Brandschutz maßgeblich.
Also, 160 Menschen, dicht gedrängt in Ski-Klamotten (oftmals aus Kunststoffen) SIND eine Brandlast!

Wie gesagt: Es gab ja zu Anfang auch Theorien, dass das Feuer von den Menschen ausgelöst worden sei (Feuerwerkskörper, Gas-Kartuschen etc.) - möglich wäre sowas bestimmt auch gewesen.

Gruß, Jens

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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von citta dei sassi »

Dachstein hat geschrieben:Stichwort Notbremse: schon was von einer Notbremsüberbrückung gehört? Ist bei der Eisenbahn Standart. Sobald du in einen Tunnel einfährst, hat die NBÜ aktiviert zu werden, um ein Stehenbleiben im Tunnel zu unterbinden. Weil sich die Bahn zu 90 Prozent unter der Erde befand, gabs warscheinlich auch keine Notbremse.
Die Bremse hat so funktioniert wie sie funktionieren muß: Sicherheitsbremse passiv wirkend. Die in den Fahrzeugen, äh sorry Fahrbetriebsmitteln, verbauten Bremsen funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie die Fangbremsen an den Laufwerken von Pendelbahnen nur mit dem Unterschied das die auf die Schiene drückt und nicht auf ein Seil. Beim Platzen der Ölleitung viel der Druck ab und die Bremsen sind eingefallen. Das MUSS so sein. Die Bremskraft wird von Tellerfedern erzeugt. Sinn der Sache ist es die Wagen im Falle eines Seilbruchs fest zu halten. Bei einem versagen der Hydraulik kann man die Bremsen mittels einer Schraube wieder öffnen und in die Stationen fahren. (Wenn das Zugseil noch ganz ist). Dieses Bremssystem hat nichts mit mit dem der normalen Eisenbahn zu tun.
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von jens.f »

darkstar hat geschrieben:
jens.f hat geschrieben:2) Fehlende Nottüröffnung:
Hätte es eine Nottüröffnung gegeben, hätten wahrscheinlich mehr Leute überlebt
So einen gab es, mechanisch, sowohl innen als auch außen.
Laut den Berichten mussten die Leute die Scheiben mit Ihren Skiern einschlagen - also kann es keine Gegeben haben (zumindest innen nicht).
darkstar hat geschrieben:
jens.f hat geschrieben:6) Verwendung leicht entflammbarer Materialien
Aber sicher doch. Gummi, Plexiglas und Alu sind durchaus hochentzündlich :lach:
Dafür gab es aber auch Öl auf Petroleum-Basis, eine Isolierung des Heizlüfters mit einem Brennbaren Matarial und eine Innenverkleidung, die nerven gifte Freisetze...
Siehe: http://www.zeit.de/2009/33/A-Kaprun
Außerdem setzte die brennende Innenverkleidung Nervengifte frei, die noch im 2,5 Kilometer entfernten Gegenzug zwei Menschen und in der drei Kilometer entfernten Alpinzentrum-Station drei Menschen erstickten


Offensichtlich war also die Innenverkleidung doch nicht so brandsicher...
jens.f hat geschrieben:7) Laut dem Bericht steckte der Zug ja fest - es gab offensichtlich keine Möglichkeit für den Zugführer, die Bremsen zu lösen und zumindest zurück auf die Rampe zu fahren
Gibt es schon. Händisch aufpumpen der SZB.[/quote]

Naja, das ist auch eher ein Witz, da dass viel zu lange dauert...

Hierzu auch:
http://www.zeit.de/2009/33/A-Kaprun
Bremshaken verkeilten sich, der Mechanismus der Türöffnung fiel aus, die Passagiere waren gefangen, die Kabine konnte weder vor noch zurück. Im Tunnel entzündete sich die Ummantelung der dort offen verlegten Hochspannungsleitung, und zwischen dem Kupferkabel und der Aluminiumhülle des Wagens entstand ein 10000 Grad Celsius heißer Lichtbogen, der wegen freigesetzten Magnesiums wie eine Wunderkerze sprühte.


Wie schon Geschrieben:
Ich denke nicht, dass es DEN Schuldigen und DIE Ursache gibt. Hier haben eben sehr, sehr viele Sachen zusammengespielt - wobei viele eben (mit heutigem Wissen) vermeidbar gewesen wären.
Wie weit man VORHER darauf hätte kommen müssen - das wage ich wirklich nicht zu beurteilen.

Gruß, Jens
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von seilbahner »

Wenn die Hydraulikanlage durch den Brand leck war und die Druckleitungen vom Feuer durchgebrannt waren, fallen die Sicherheitsbremsen ein und lassen sich NICHT mehr aufpumpen. Auch nicht von Hand.
Deshalb waren die Wagen auch nicht mehr zu bewegen.
Kein HydraulikBremsdruck, Federspeicher zu.

Oh, sorry Citta. Du warst schneller!
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von darkstar »

jens.f hat geschrieben:Laut den Berichten mussten die Leute die Scheiben mit Ihren Skiern einschlagen - also kann es keine Gegeben haben (zumindest innen nicht).
Doch gab es. Beideitig durch Vierkantschlüssel betätigbar.
jens.f hat geschrieben:Dafür gab es aber auch Öl auf Petroleum-Basis, eine Isolierung des Heizlüfters mit einem Brennbaren Matarial und eine Innenverkleidung, die nerven gifte Freisetze...
Das ist ja alles extrem leicht etzündlich. Und bei der ach so bösen, Giftgase freisetzenden, Verkleidung wird vergessen, dass die Gase, die bei Verbennen eines simplen Autoreifens entstehen, mindestens genauso giftig sind :lach:

Bremshaken verkeilten sich, der Mechanismus der Türöffnung fiel aus, die Passagiere waren gefangen, die Kabine konnte weder vor noch zurück. Im Tunnel entzündete sich die Ummantelung der dort offen verlegten Hochspannungsleitung, und zwischen dem Kupferkabel und der Aluminiumhülle des Wagens entstand ein 10000 Grad Celsius heißer Lichtbogen, der wegen freigesetzten Magnesiums wie eine Wunderkerze sprühte.

Selten soviel Schmarrn auf einmal gelesen. Aber ja. Als nächstes ist wohl der Tunnel eingestürzt :lol:
seilbahner hat geschrieben:Wenn die Hydraulikanlage durch den Brand leck war und die Druckleitungen vom Feuer durchgebrannt waren, fallen die Sicherheitsbremsen ein und lassen sich NICHT mehr aufpumpen. Auch nicht von Hand.
Deshalb waren die Wagen auch nicht mehr zu bewegen.
Kein HydraulikBremsdruck, Federspeicher zu.
Das stimmt natürlich. Allerdings Dauerlüftung der SZB (Schienenzangenbremse, nicht Sicherheitsbremse) durch konstanten Hydraulikdruck (Servodruck). Bei einem Einfall auf der Strecke musst du händisch aufpumpen, da die Bahn keine Stromschienen hatte. In der Station ist das was anderes, da ist ja Anschluss mittels Stromschienen gegeben und die 6 Bremsbacken können mittels Kompressor wieder unter Druck gesetzt werden.
Aber Danke für den Hinweis, seilbahner!
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von ATV »

Wer von euch hat schonmal eine Fangbremse von Hand geöffnet? Da ist man minimum 10min am Pumpen und schlägt sich dabei an den Scharfen Aluminiumkanten des Wagenkastens die Hände blutig. Wenn sie ein Leck hat pump man bis in alle Ewigkeit.

Mit einem Zug zu vergleichen ist wiedermal Äpfel mit Birnen. Im Zug gibt es keine Notbremse bei der die Fahrgäste selbstständig einen Nothalt herbeiführen können. Eine Standseilbahn hat das nicht, oder nur in Sonderfällen wie zum beispiel vollautomatik Anlagen. Der Einzige der einen Nothalt auslösen kann ist der Wagenführer oder ein technisches gebrechen, dass ist aber auch bei der Eisenbahn so, nur hat es da weniger Instanzen in den Wagons die einen Nothalt ausführen müssen im Gegensatz zu einer Seilbahn, allerdings fällt auch bei der Eisenbahn die Bremse ein wenn der Luftdruck in den Bremsleitungen abfällt. Bei den Standseilbahnen hat es dann halt noch solche Dinge wie Hirschfänger oder Türüberwachungen und Fangbremse sowie Kontrolle der Akkusicherungen usw.die bei der Eisenbahn entfallen, bzw dem Lokführer höchstens Visualisiert werden, aber für den Betieb nicht unabdingbar sind.

Seilbahnfahrzeuge sind eigendlich gesprächig, sie müssen dauernd mit dem Antrieb kommunizieren und dauernd Anwort auf Kontrollfragen geben. Fallen diese aus wird die Bahn stillgesetzt. Eisenbahnwaggons sind eigendlich dumm, das heisst sie müssen sich bei der Lok dauend als Anwesend melden ob die drann sind oder fehlen merkt höchstens der Achszähler an jeder Blockstrecke. Gut Sonderfälle bei Hochgeschwindigkeitszügen mal ausgenommen.

Wenn die Hydraulik der Fangbremse ein Leck hat, fällt diese ein, sofern es eine hydraulisch offengehaltene Bremse ist. Gibt auch mechanische wie zum Beispiel System Bell mit Fererpacketen oder System Bucher Durrer mit Spindelantrieb ab den Rädern bzw dessen weiterentwicklung von Von Roll, besitzt aber schon eine hydraulische Unterstützung. Das ist durchaus gewollt so, sonst bräuchte man keine Fangbremse. Nehme daher an die Bremse in Kaprun war eine hydraulische, sonst macht das mitführen von hydrauliköl keinen Sinn.

Bei neuen Standseilbahnen und auch Pendelbahnen baut man teilweise sogenannte Brandfallsteuerungen ein. Diese ermöglichen es, die Bahn nur mit dem otor weiterzuwürgen ohne auf irgend einen anstehenden Nothalt zu reagieren. Meist wird das mit einer Steuerbirne direkt am Leistungsteil eingesteckt. Damit soll man auch fahren können wenn zum Beispiel bei einer Pendelbahn das Gebäude brennt. Inwieweit die Bahn noch gezogen werden kann wenn die Fangbremse eingefallen ist, ist lediglich von der Leistung des Motores Abhängig. Frei nach, geht es nicht mit Gewalt, geht es garantiert mit nochmehr Gewalt.
Zuletzt geändert von ATV am 08.11.2010 - 21:40, insgesamt 1-mal geändert.
Ich schliesse mich Starli an: Boykott dem neuen, unübersichtlichen Alpinforum-Design.

Bis auf weiteres werde ich hier nicht mehr präsent sein -> meine Fotos könnt ihr weiterhin auf meiner Webseite --> www.stahlseil.ch ansehen.
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Re: Kaprun Prozess

Beitrag von darkstar »

ATV hat geschrieben:Nehme daher an die Bremse in Kaprun war eine hydraulische, sonst macht das mitführen von hydrauliköl keinen Sinn.
:ja: Servodruck über Blasenspeicher zum Offenhalten der 6 Zangen von etwa 195 bar. Nur in Tal- und Bergstation mittels 380 V durch Hydraulikaggregat aufpumpbar, sonst manuell.

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