Triest: die östlichste Stadt Italiens liegt an der Adria, hat gut 200.000 Einwohner und bildet einen interessanten Kontrast zu den meisten anderen Städten des Landes. Der italienische Kultureinfluss tritt hier stark zugunsten slowenischer und österreichischer Lebensart zurück, es gibt einige vom Balkan geprägte Gebäude und viele österreichische Kaffeehäuser. Immerhin stellte Trieste über Jahrhunderte den bedeutendsten Hafen von Österreich-Ungarn dar.
Lange Zeit hatte die Stadt unter den häufig wechselnden politischen Umständen und der damit verbundenen Einflussnahme durch unterschiedlichste Mächte zu leiden. Mit der späteren weitgehenden Abtrennung von Jugoslawien sank die Bedeutung der Stadt erheblich, ein Bevölkerungsrückgang von etwa 25 % zeigt dies deutlich. Mit dem Zerfall Jugoslawiens und der daraus resultierenden Westorientierung der Nachfolgestaaten änderten sich diese Voraussetzungen wieder. Diese im EU-Beitritt Sloweniens gipfelnde Entwicklung machte aus Triest wieder ein bedeutendes Wirtschaftszentrum. Heute taucht beispielsweise die slowenische Grenze auf der Nebenstrecke völlig unvermittelt im Wald auf – es ist ruhig, niemand zu sehen. Vor gar nicht mal allzu langer Zeit völlig unvorstellbar…
Ein Besuch in der Stadt ist - wie bereits erwähnt - von den unterschiedlichsten Einflüssen geprägt, insgesamt bietet die äußerst hübsche Altstadt um die gigantische Piazza dell’Unità d’Italia viele sehenswerte Gebäude und eine sehr positive Ausstrahlung – kurzum: Hier herrscht ein angenehmes, ruhiges und beschauliches, aber eben doch städtisches Flair. Man darf sich freilich nicht schon von der Skyline der Raffinerien und Schwerindustrien südlich des Zentrums abschrecken lassen. Diese sind eine wichtige wirtschaftliche Grundlage für den Wohlstand Triests und eine unabdingbare Folge des immer noch große Bedeutung genießenden Hafens. Man lässt sie jedoch gerne schnell auf der Autobahn, die in einer spektakulären Trassierung durch die Karstgebirge um Triest herum gebaut wurde, hinter sich liegen und widmet sich dem schöneren Teil der Stadt.
Doch warum schreibe ich dies alles hier? Ja, hier gibt es auch eine „Sehenswürdigkeit“ für Seilbahnfans. Und nachdem die Straßenbahnberichte von starlis Großbritannien-Tour ja einiges an Resonanz erfahren durften, gibt es nun auch von mir einen diesbezüglichen Bericht. Im Nordosten der Altstadt beginnt auf der Piazza Oberdan die Straßenbahnlinie 2, die in den öffentlichen Nahverkehr eingegliedert ist und somit mit der ganz normalen Fahrkarte benutzt werden darf: das eine Stunde lang gültige Billet kostet etwa 1 Euro und reicht für eine Retourfahrt mit etwa zehnminütigem Aufenthalt an der Endstation in Villa Opicina. Jetzt stellt sich immer noch die Frage, was das Ganze mit Seilbahnen zu tun hat? Richtig, die Straßenbahn überwindet ein Steilstück und ist auf diesem Abschnitt als Standseilbahn ausgeführt.
1902 wurde die Strecke bereits eröffnet, das Steilstück wurde damals jedoch noch über einen Zahnradabschnitt bewältigt. 1927 schließlich wurde das Zahnradbahnsystem durch eine Standseilbahn der Firma Bell, Kriens abgelöst. Die heute noch verkehrenden Wägen besitzen zwei Drehgestelle, stammen aus den Jahren 1935 und 1942 und ersetzten Grazer Zweiachser. 1978 wurde die Standseilbahn modernisiert, es wurden neue Standseilwagen angeschafft. Der bislang letzte Umbau der Standseilbahn erfolgte 2006 durch Ceretti e Tanfani, hierbei wurden u.a. erneut die Standseilwagen ausgewechselt.
Anbei noch einige technische Daten des Standseilbahn-Abschnitts, 2006 modernisiert:
Streckenlänge: 799,77 m
Höhenunterschied: 158,69 m
mittlere Steigung: 20,28 %
Maximalsteigung: 26,50 %
Seehöhe Talstation: 18,54 m
Seehöhe Bergstation: 177,23 m
Antriebsstation: Berg
Geschwindigkeit: 2,5 m/s
^ der Wagen mit der Nummer 404 (Baujahr 1935) fährt an der Triester Endhaltestelle „Piazza Oberdan“ ein, sie liegt wenige Meter nordöstlich des Stadtzentrums
^ das Innere der Wägen ist durch renovierte und rot lackierte Holzbänke geprägt
^ Führerstand der Straßenbahn, alles Handarbeit
^ einige Meter nach Beginn der Fahrt gelangt man zur Piazza Scorcola, wo das Standseilbahnstück der Linie 2 beginnt; dazu wird der Standseilwagen hinter den Straßenbahnzug gespannt und anschließend den Berg mit 2,5 m/s hinaufgezogen
^ die Strecke zweigt sogleich rechts ab…
^ … und führt steil durch gartenähnliche Passagen hinauf
^ Gegenzug mit Standseilwagen
^ der 404er an der Bergstation
^ nochmal der 404er, diesmal von der anderen Seite
^ Blick unter den Zug auf das Drehgestell
^ der Zug 406 (Baujahr 1942) steht vor dem Straßenbahndepot und wartet auf seinen Einsatz
^ Blick in die Werkstatt/Depot
^ der obere Streckenabschnitt wird wieder auf die „normale“ Art und Weise zurückgelegt, die Haltestellen werden übrigens nur bei Bedarf angefahren und die Kreuzungen mit den Straßen verlangen Aufmerksamkeit aller Beteiligten (Kreuzungen mit der Hauptstraße meist unbeschrankt, teils unbeschildert; weiter oben führt die Straßenbahnlinie quer über einen Kreisverkehr…)
^ an der Bergstation der Standseilbahn, übrigens alles 1000 mm-Schmalspur
^ das Hafen- und Meerpanorama prägt einige Teile der oberen Strecke, lässt sich aus der fahrenden Tram durch die Scheibe allerdings nur schwer einfangen
Da Triest neben der Straßenbahn natürlich noch viele weitere sehenswerte Ecken besitzt, poste ich im Folgenden noch eine kleine Auswahl an Bildern aus der Altstadt, allesamt logischerweise ohne Seilbahnbezug, aber ich denke, dass hierfür durchaus Interesse vorhanden sein sollte:
^ Triest besitzt neben dem wirtschaftlich bedeutendsten Seehafen der oberen Adria auch einen nicht zu vernachlässigenden Yacht- und Segelhafen
^ stimmiges symphatisches Stadtbild an der Hafenpromenade
^ die Piazza dell’Unità d’Italia gehört zu den größten Stadtplätzen Italiens und ist mit ihren Prachtbauten sehr beeindruckend. Angenehm, dass im Gegensatz zu anderen völlig überlaufenen italienischen Städten (z.B. Venedig, Pisa) hier alle Dinge recht beschaulich ihren Lauf nehmen; dennoch ist es nicht minder schön
^ der Palazzo del Governo (1904) als einer der Paläste auf dem Hauptplatz
^ der Platz im Panorama (durch Klick auf’s Bild größer abrufbar)
^ auch in Triest gibt es einen Canal Grande, gesäumt von stimmigen, schönen Fronten; landseitig endet er vor der neoklassizistischen Kirche Sant’Antonio Taumaturgo
^ Richtung Meer…