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Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

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Lagorce
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Lagorce »

Philipp2 hat geschrieben: 27.05.2021 - 19:46 Gibt es zu selbsthemmenden Seilköpfen Forschungsarbeiten/Untersuchungen über die Auswirkung von schlagartigen Belastungen, so wie sie beim Einfallen der Tragseilbremse während der Fahrt eintreten? - Nicht aus Spekulation, rein aus technischem Interesse, da mich interessiert wie eventueller Schlupf durch ungleiche Dehnung Seil/Klemmkopf verhindert wird.
Keine Ahnung.

Die ETHZ hatte eine sehr grosse Seilbahn-Bilbliothek, mit einer guten Referenzierung. Nur waren die Dokumente AFAIR fast nur in Papierform, das das meiste älter war (vovon vieles jedoch immer noch aktuell interessant ist).
Seit die Literatur-Datenbank übernommen wurde habe ich nicht weiter recherchiert, da ich nie fündig wurde. Vielleicht funktionert es nun:
https://www.seilbahnen.org/de/Service/D ... atenbank-1
AFAIK ist auch dort nur ein kleiner Teil als PDF gescannt worden.

Sowas sollte man Dr. Gábor Oplatka fragen, ein absoluter Top Experte.

Hier ist ein Interview, mit ihm über Mottarone, nur schade dass so banale Fragen gestellt werden wenn man eine wahre Seilbahntechnik-Legende vor sich hat (kenne ihn leider nicht persönlich):
https://www.zeit.de/mobilitaet/2021-05/ ... or-oplatka
https://www.zeit.de/mobilitaet/2021-05/ ... ka/seite-2

Und ich schieße gleich noch eine Frage nach: Ist so ein Klemmkopf in der Gesamtbetrachtung wirtschaftlicher als federbelastete Klemmen? (@Drahtseil, @Lagorce)
Welche Klemmen meinst du? Solche für endlos gespleisste Tragseile?

Stahlseil kann da sicher was dazu sagen.

Die gewickelten Seilköpfe sind sehr sicher, da sieht man auch was drin ist und man kann sie problemlos öffnen und wieder zusammensetzen, lediglich die äussere Wicklung muss man neu erstellen. Die innere kann u.U. beschränkt wiederverwendet werden (da jedesmal neue Eindrücke entstehen).
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von mightyjust »

keepar hat geschrieben: 26.05.2021 - 08:32 Höchst fahrlässig, eine solche Sicherheitseinrichtung bewusst zu überbrücken.
Ich kann euch aber aus eigener Erfahrung sagen, dass solche Entscheidungen bzw. Manipulationen nicht geografisch einzugrenzen sind, auch im deutschsprachigen Raum kann so etwas passieren.
Das kann ich leider bestätigen...
Wenn gewisse Schalter beim Test nicht ausgelöst werden dann kommt eben der Betriebsleiter und löst händisch aus. Im "Log" sieht es dann so aus als würde alles passen.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Lagorce »

Was irgendwo ziemlich weiter oben über die Auslegung der Fangbremsen geschrieben wurde trifft nicht zu.

Massgebend ist der maximale Seilzug, es wird nicht auf Verzögerung (in m/s2) ausgelegt. Die Fangbremse soll im Worst-Case Fall das Fahrzeug noch zu stehen bringen und danach sicher an der erreichten Stelle zurückhalten.
Demnach wird die erforderliche Bremskraft ermittelt und da die Fangbremse ungeregelt (ggf. jedoch abgestuft) aufgrund der voreigestellten Federvorspannung bremst, ist entsprechend dann auch die Verzögerung abhängig von den jeweils vorliegenden Bedingungen (Lastfall, Fahrtrichtung, Geschwindigkeit, Temperatur, Seilneigung, Zustand der Reibflächen (nass, mehr oder weniger fettig,...), usw.).

Über "intelligente" oder gar geregelte Fangbremsen wurde im Forum diskutiert. Technisch könnte man probemlos Fangbremsen entwickeln, die abhängig von den jeweiligen Bedingungen, die im Anforderungsmoment herrschen optimal abbremsen (mit übertragung der Kopierwerksdaten vie FUA und Plausibilitätskontrolle durch die on-board Steuerung und diversitären Zusatzsensoren).
Z.B. bei Bergfahrt sofern nichts entgleist oder gefährlich abhebt erst bei Stillstand auslösen. Kurz vor Stütze talwärts bei geringer Beschleunigung ggf. erst nach der Stütze bremsen, geregelt bremsen mit Servodruckventil und mehrstufigem Schnellschlussventil, usw., kurz vor Station vollbremsen um Kollision zu verhindern, usw.
Htate mal sowas näher angeschaut inkl. Hydraulik und SIL-Sicheheitsberechnungen. Also machber ist es, nur lohnt sich der Aufwand ncht, da es für einen Hersteller viel einfacher ist, eine fangbrensenlose Bahn zu bauen. Und damit etwas relativ komplexes sehr sicher bleibt sind gewisse diverisitäre Redundanzen erforderlich. Frage ist, wieviel zusätzliche Komplexität sinnvoll ist. IMO würde eine "intelligente" Blockierung bereits die Sicherheit wesentlich erhöhen, evtl. zusammen mit einer Abstufung.

Zu Zeiten von Willy Habegger hätte man sowas innovatives ausführen können, heute ist bereits alleinig der Zulassungs-Papierkram so kostspielig, dass sich sowas für die seltenen neien grossen PB die noch gebaut werden gar nicht lohnt.
Das eigentlich suboptimale Sicherheitsbremse + Betriebsbremse Konzept könnte man bei den ganz grossen Pendelbahnen durch andere optimalere Bremsphilosphien ersetzen, nur sind die nicht in den EN vorgesehen und normenabweichende Subsystem zulassen ist oft zu aufwendig.

Bei gewissen PB wird konditionnell via SPS Steuerung ausgelöst (IIRC z.B. Grütschalp, Windenbahn) ist jedoch eine Ausnahme.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von NeusserGletscher »

Ich finde leider grad keine detaillierten Informationen zum Absturz der Bettmeralp-Gondel 1972. So weit ich mich erinnere war damals Korrosion am Seilkopf die Ursache und in der Folge wurde die Befestigung grundlegend geändert. AFAIK wurden früher die Drähte umgebogen, heute wird ein Keil in das Seil getrieben und hindert dieses am ausrauschen aus der Muffe. Vielleicht weißt Du da mehr, @Lagorce.

Übrigens, interessante Literatur zum Thema-
Was Du selber richtig machst können andere nicht falsch machen
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von ThomasK »

Philipp2 hat geschrieben: 27.05.2021 - 19:46 Ich muss die Bezeichnung 'Experte' strikt zurückweisen, von Pendelbahnen hab ich nicht gerade viel Ahnung, ich beschäftige mich rechnerisch hauptsächlich mit Schleppliften :lach: Hier gibts User, die sich in jeder Hinsicht tausendmal besser auskennen als ich.

Der Grund, warum ich den Einfluss des Gegenseils unterschätzt habe, lag darin, dass der Antrieb in der Mittelstation ist und der Spanngewichtsschacht in der Bergstation.

Nach dem Abriss des Zugseils vom Klemmkopf hatte somit das Spanngewicht in der Bergstation keinen Einfluss mehr auf die Kabine 3.

Nun ist es aber so, dass die Beschleunigung unabhängig von der Masse ist und das Zugseil, das über die Antriebsscheibe in der Mittelstation läuft, somit schlaff durchhängt. Wäre das Spanngewicht in der Mittelstation gewesen, dann hätte meiner Meinung nach sich das talseitige Zugseil nicht bei der Stütze 3 verfangen.

Auf den zahlreichen Bildern von der Kabine 3 habe ich leider kein einziges gefunden, das die talseitige Kabinendachkante zeigt. Mich hätte sehr interessiert, ob nach dem Abheben der Kabine 3 nach dem Stützendurchgang die talseitige Kabinendachkante an das Tragseil geschleudert worden ist. Ist dies der Fall, sollten die Ermittler diesbezüglich Spuren feststellen können.

Das Herausschleudern der Kabine 3 aus der Seilbahntrasse könnte ein Indiz dafür sein, dass nach dem Abheben die Kabine zuerst noch mit dem Kabinendach an das Tragseil geschleudert worden ist und durch eine ungleichmäßige Verteilung der Fahrgäste in der Kabine dann die seitliche Ablenkung an den Waldrand bewirkt worden ist.

Schade, dass die Journalisten einfach wild drauf los fotografieren.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Philipp2 »

Lagorce hat geschrieben: 27.05.2021 - 22:27 Keine Ahnung. Die ETHZ hatte eine sehr grosse Seilbahn-Bilbliothek, mit einer guten Referenzierung. Nur waren die Dokumente AFAIR fast nur in Papierform, das das meiste älter war (vovon vieles jedoch immer noch aktuell interessant ist). Seit die Literatur-Datenbank übernommen wurde habe ich nicht weiter recherchiert, da ich nie fündig wurde. Vielleicht funktionert es nun:
https://www.seilbahnen.org/de/Service/D ... atenbank-1
Herzlichen Dank, ich hab gefunden, was ich brauche - schon ein faszinierend simples System, umso überraschender, dass die Idee dazu erst so spät aufkam. In diesem Artikel https://www.seilbahnen.org/de/index.php ... load=11564 schreibt Oplatka über die Schlagbelastungs- und Ermüdungsersuche. Nachstehendes finde ich besonders interessant, ein Seilversagen hätte demnach frühzeitig bemerkt werden müssen:
Schwellzug -und Wechselbiegeversuche. Bei dieser Prüfung wurde die Seilendbefestigung den beiden vorher beschriebenen Beanspruchugen (Zugkraft schwellend zwischen 10 und 26% der Bruchkraft und Wechselbiegung durch Auslenkung des Kopfes um ± 4,5 ° ) unterworfen. Das Verhältnis der beiden Beanspruchungsfrequenzen betrug 4,8 Wechselbiegungen auf eine Zugschwellung, entsprechend etwa den Verhältnissen bei einer Pendelseilbahn mit 4 Stützen. Mit dem Klemmkopf erreichten dabei die Seile durchschnittlich 1,6 . 10^6 Biegeweehsel und damit etwa die doppelte Lebensdauer wie ein mit Vergussköpfen versehenes Seil bei der gleichen Prüfung. Bemerkenswert ist, dass die ersten Drahtbrüche beim Klemmkopf, auf die Lebensdauer bezogen, relativ früher als beim Vergusskopf auftreten. D.h. der Klemmkopfkündigt sein Versagen relativ früher an und bietet damit nochmals eine grössere Sicherheit.
Lagorce hat geschrieben: 27.05.2021 - 22:27
Und ich schieße gleich noch eine Frage nach: Ist so ein Klemmkopf in der Gesamtbetrachtung wirtschaftlicher als federbelastete Klemmen? (@Drahtseil, @Lagorce)
Welche Klemmen meinst du? Solche für endlos gespleisste Tragseile? Stahlseil kann da sicher was dazu sagen.
Ja, ich meine den wirtschaftlichen Vergleich mit federbelasteten Klemmen für gespleißte Zugseilschleifen, da ich es nicht logisch finde, wieso man letztere nicht grundsätzlich zum Standard macht. Nachdem es am Sicherheitsaspekt scheinbar nicht liegt, müssen es wirtschaftliche Gründe sein.
NeusserGletscher hat geschrieben: 27.05.2021 - 23:08 Ich finde leider grad keine detaillierten Informationen zum Absturz der Bettmeralp-Gondel 1972. So weit ich mich erinnere war damals Korrosion am Seilkopf die Ursache und in der Folge wurde die Befestigung grundlegend geändert. AFAIK wurden früher die Drähte umgebogen, heute wird ein Keil in das Seil getrieben und hindert dieses am ausrauschen aus der Muffe. Vielleicht weißt Du da mehr, @Lagorce.
Bettmeralp ist auch auf seilbahnen.org, nochmals vielen Dank @Lagorce: https://www.seilbahnen.org/de/index.php ... nload=9546
ThomasK hat geschrieben: 27.05.2021 - 23:14 Der Grund, warum ich den Einfluss des Gegenseils unterschätzt habe, lag darin, dass der Antrieb in der Mittelstation ist und der Spanngewichtsschacht in der Bergstation. Nach dem Abriss des Zugseils vom Klemmkopf hatte somit das Spanngewicht in der Bergstation keinen Einfluss mehr auf die Kabine 3. Nun ist es aber so, dass die Beschleunigung unabhängig von der Masse ist und das Zugseil, das über die Antriebsscheibe in der Mittelstation läuft, somit schlaff durchhängt. Wäre das Spanngewicht in der Mittelstation gewesen, dann hätte meiner Meinung nach sich das talseitige Zugseil nicht bei der Stütze 3 verfangen.
Bei explosionsartigen Wegfall des bergseitigen Seiles wirkt die volle Zugkraft des talseitigen Seiles für Sekundenbruchteile trotzdem noch, da sich die "Information" des Seilrisses längs des Seiles als Schwingung ausbreitet. Nach ca. 1 - 2 Sekunden (e^-Funktion) wirkt lediglich die wesentlich geringere Höhenspannkraft (=Seilmasse*g*Höhendifferenz), da das Seil bereits durchhängt und kurz darauf überholt die Kabine das talseitige Seil. Die Geschwindigkeitszunahme durch die Restspannkraft tritt also während diesen ersten Sekunden ein, dagegen wirken nur die Reibungskräfte und die Massenträgheit.
Zuletzt geändert von Philipp2 am 27.05.2021 - 23:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Latesn »

Philipp2 hat geschrieben: 27.05.2021 - 23:25
Ja, ich meine den wirtschaftlichen Vergleich mit federbelasteten Klemmen für gespleißte Zugseilschleifen, da ich es nicht logisch finde, wieso man letztere nicht grundsätzlich zum Standard macht. Nachdem es am Sicherheitsaspekt scheinbar nicht liegt, müssen es wirtschaftliche Gründe sein.
Das große und eigentlich einzige wirkliche wirtschaftliche Argument für Klemmköpfe etc. ist eigentlich, dass man bei Anlagen mit Bergantrieb als Gegenseil ein deutlich dünneres Seil nutzen kann, vor allem wenn die Anlage über keine Gegensteigung verfügt, da das Gegenseil ja dann nur die Kraft der Abspannung aufnehmen muss

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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von ThomasK »

Italien greift deutlich härter durch als Deutschland.

Die für die Anklageerhebung zuständige italienische Staatsanwältin Olimpia Bossi erklärte, dass die Anklage gemäß § 437 des Italienischen Strafgesetzbuches zur Anwendung kommt.

Die Mindeststrafe ist 3 Jahre Freiheitsentzug:

https://www.mondodiritto.it/codici/codi ... avoro.html

Zitat:

Art. 437 Codice Penale. Rimozione od omissione dolosa di cautele contro infortuni sul lavoro.

437. Rimozione od omissione dolosa di cautele contro infortuni sul lavoro.

Chiunque omette di collocare impianti, apparecchi o segnali destinati a prevenire disastri o infortuni sul lavoro (1), ovvero li rimuove o li danneggia, è punito con la reclusione da sei mesi a cinque anni [c.p. 28, 29, 32-quater; c.n. 1122].

Se dal fatto deriva un disastro o un infortunio, la pena è della reclusione da tre a dieci anni [c.p. 451] (2).


(Ende des Zitats)


Google übersetzt dies wie folgt:


Art. 437 Strafgesetzbuch. Vorsätzliches Entfernen oder Unterlassen von Vorkehrungen gegen Arbeitsunfälle.

437. Streichung oder vorsätzliche Unterlassung von Vorsichtsmaßnahmen gegen Arbeitsunfälle.

Wer Systeme, Geräte oder Signale, die Katastrophen oder Unfälle bei der Arbeit verhindern sollen (1), nicht platziert oder entfernt oder beschädigt, wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bestraft [vgl. 28, 29, 32 Viertel; c.n. 1122].

Wenn sich daraus eine Katastrophe oder ein Unfall ergibt, wird eine Freiheitsstrafe von drei bis zehn Jahren verhängt [vgl. 451] (2).


______________________________


Der Strafrahmen bewegt sich also für die drei Mitarbeiter zwischen 3 Jahren und 10 Jahren Freiheitsentzug. Eine Bewährung ist ausgeschlossen. Das ist deutlich härter als in Deutschland. In Deutschland würde § 315 Strafgesetzbuch zur Anwendung kommen:

https://dejure.org/gesetze/StGB/315.html

§ 315
Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr
(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1. Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2. Hindernisse bereitet,
3. falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1. in der Absicht handelt,
a) einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b) eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2. durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

______________

In Deutschland wäre der Strafrahmen zwischen einem Jahr und 10 Jahren, wobei bis zu einem Strafrahmen von 2 Jahren theoretisch auch Bewährung möglich ist.

Ich tippe mal, dass, stünde die Seilbahn Stesa - Mottarone in Deutschland, eine Freiheitsstrafe von ca. 3 Jahren verhängt worden wäre, wenn man sich den Vergleich mit dem Eisenbahnunfall von Bad Aibling im Jahr 2016 vor Augen hält, wo der Fahrdienstleiter dem Triebfahrzeugführer den Befehl gegeben hat, per Tastendruck den 2000 Hertz-Magneten des Hp 0 zeigenden Signals zu deaktivieren und auf die durch einen Gegenzug besetzte eingleisige Strecke einzufahren. Es gab 12 Tote und 89 Verletzte: Der Fahrdienstleiter bekam eine Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren, die nach 2/3 der Haftzeit zur Bewährung ausgesetzt wurde. Vom juristischen Fehlverhalten sind die Fälle Bad Aibling (Eisenbahn) und Stesa (Seilbahn) sehr gut vergleichbar. Aber das italienische Strafgesetzbuch sieht hier eine wesentlich härtere Mindeststrafe vor, als das deutsche Strafgesetzbuch.

Wenn aber in Italien das Strafmaß zwischen 3 Jahren und 10 Jahren liegt, dann gehe ich davon aus, dass im vorliegenden Fall das Maximale, was die Verteidigung herausholen kann, 5 Jahre Freiheitsstrafe ist.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Christoph Lütz »

Ich habe die Klemmkopf-Diskussion jetzt nicht mehr vollständig mitgelesen. Ich kann mich nur erinnern, dass Deutschland und Italien extrem konservativ waren, und noch lange an dem Vergusskegel festgehalten haben. Ist die neue Zugspitzbahn nicht sogar eine der ersten Pendelbahnen mit Klemmkopf in Deutschland?
Also frage ich mich, ob es gesichert ist, dass sich hier am Mottarone kein Vergusskegel in dem Gehäuse befindet?
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Mr400Liter »

Christoph Lütz hat geschrieben: 28.05.2021 - 05:32 Ich habe die Klemmkopf-Diskussion jetzt nicht mehr vollständig mitgelesen. Ich kann mich nur erinnern, dass Deutschland und Italien extrem konservativ waren, und noch lange an dem Vergusskegel festgehalten haben. Ist die neue Zugspitzbahn nicht sogar eine der ersten Pendelbahnen mit Klemmkopf in Deutschland?
Also frage ich mich, ob es gesichert ist, dass sich hier am Mottarone kein Vergusskegel in dem Gehäuse befindet?
Das frage ich mich gerade auch. Auf den letzten Seiten wurde immer vom Klemmkopf gesprochen: wurde also bei der Mottarone-Bahn gar kein Vergusskegel verwendet? Kann man das von außen erkennen?
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Erli.GB »

Ich selbst kenne nur Vergusskegel, da würde dann ein Schlauchanschluss relativ wenig sinn geben vermute ich mal.
Bei der Bahn auf dem Mottarone sieht man aber so Anschlüße. Ich vermute das so irgendwie die Schlappseil-überwachung realisiert wird.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von srj »

Ich wollte jetzt mal die Gelegenheit nutzen, mich bei all den hoch motivierten und sehr kompetenten Foristen zu bedanken. Ich lese seit letztem Wochenende mit, und sauge wie ein Schwamm all diese technischen Details in mich auf, so ich sie denn verstehe - ich bin kein Techniker.
Die Sache "fasziniert" (absichtlich in Gänsefüßchen - ich will nicht, dass ihr denkt, ich bin ein"Gaffer") mich aus zweierlei Gründen: Erstens liebe ich Seilbahnen seit frühester Kindheit. Ich wollte als Kind eigentlich mal bei einer Seilbahn arbeiten, ich konnte den Gondeln stundenlang beim Ein- und Ausfahren aus den Stationen zuschauen! Es kam dann halt anders...aber wenn man mich lässt, nutze ich sie sommers wie winters gerne und ausgiebig.
Und zweitens packt mich die Geschichte von der menschlichen Seite, ebenso, wie ein Mitforist ein paar Seiten vorher geschrieben hat, greift mich das Schicksal des kleinen Überlebenden emotional sehr an. Ich hoffe sehr, es gibt noch weitere, liebende Verwandte, die ihn auffangen können.
Ich bin sehr gespannt, was als Ursache des Seilrisses, oder nennen wir es mal wertneutral "Kontaktverlust" von Gondel und Zugseil, herauskommt.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Kakadu »

Mr400Liter hat geschrieben: 28.05.2021 - 08:41
Christoph Lütz hat geschrieben: 28.05.2021 - 05:32 Also frage ich mich, ob es gesichert ist, dass sich hier am Mottarone kein Vergusskegel in dem Gehäuse befindet?
Das frage ich mich gerade auch. Auf den letzten Seiten wurde immer vom Klemmkopf gesprochen: wurde also bei der Mottarone-Bahn gar kein Vergusskegel verwendet? Kann man das von außen erkennen?
Der Vergußkegel "klemmt" sich ja in einen Aufnahmekegel hinein; könnte sein, daß insofern auch bei Vergußkegeln von "Klemmkopf" gesprochen wird.

Es ist ein Trauerspiel, wie in der Presse Fachbegriffe durcheinandergewürfelt werden ... :(

Ein Vorteil des Klemmkopfs (resp. Nachteil des Vergußkegels) ist der Umstand, daß beim Vergußkegel die einzelnen Drähte im Vergußkegel liegen, was beim Übergang von Einzeldrähten zu Litzen im Vergußgegel resp. Austritt aus dem Kegel zu einer Schwachstelle führen kann, die beim Klemmkopf viel besser kontrolliert werden kann. Und bei Schwingungen höherwerdender Frequenz vor der Station ist die Biegebewegung (die Drahtbrüche begünstigt) nicht mehr ganz trivial. Das könnte hier sehr wohl eine der wesentlichen Problemstellen gewesen sein.
Woodpecker hat geschrieben: 27.05.2021 - 19:59 ... warum nutzt man nicht bei den Zugseilen einen Augspleiß ? ...
Der Radius des Auges müßte dermaßen groß sein, daß das viel zu schwer und unhandlich würde.
Zuletzt geändert von Kakadu am 28.05.2021 - 10:46, insgesamt 1-mal geändert.
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... es kann sein, dass ich nicht alle eMail-Benachrichtigungen erhalte, die bei abonnierten Threads oder PN-Eingängen ausgelöst werden sollten; direkt an mich adressierte eMails müßten aber ankommen ...
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von br403 »

Kakadu hat geschrieben: 28.05.2021 - 10:06 Es ist ein Trauerspiel, wie in der Presse Fachbegriffe durcheinandergewürfelt werden ... :(
Naja, so ein Journalist berichtet nicht ständig über Seilbahnunglücke (zum Glück muss er das nicht). Ist nicht jeder (auch Leser) ein Fachmann.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von intermezzo »

br403 hat geschrieben: 28.05.2021 - 10:18
Kakadu hat geschrieben: 28.05.2021 - 10:06 Es ist ein Trauerspiel, wie in der Presse Fachbegriffe durcheinandergewürfelt werden ... :(
Naja, so ein Journalist berichtet nicht ständig über Seilbahnunglücke (zum Glück muss er das nicht). Ist nicht jeder (auch Leser) ein Fachmann.
Absolut zutreffend, die Bemerkung von br403.
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Ram-Brand
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Ram-Brand »

Bei einem Vergusskopf wird wie gesagt auch eine Masse eingefüllt die dann aushärtet.
Dadurch kann man den nicht zerstörungsfrei Prüfen.

Ein Klemmkopf kann hingegen nachträglich geöffnet werden.
Siehe Dokumentation von Theo dazu.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Kakadu »

br403 hat geschrieben: 28.05.2021 - 10:18
Kakadu hat geschrieben: 28.05.2021 - 10:06 Es ist ein Trauerspiel, wie in der Presse Fachbegriffe durcheinandergewürfelt werden ... :(
Naja, so ein Journalist berichtet nicht ständig über Seilbahnunglücke (zum Glück muss er das nicht). Ist nicht jeder (auch Leser) ein Fachmann.
Schon – aber über Seilbahnen wird ja nicht nur bei Unglücken berichtet (zum Glück nicht).

Aber schon nur Tragseil und Zuseil nicht auseinanderhalten zu können (wie es in den ersten Meldungen der Fall war), sollte nun wirklich nicht sein müssen.
:argue: . . . . . . . . . :nixweiss: . . . . . . . . . :gruebel: . . . . . . . . . :verweis:

... es kann sein, dass ich nicht alle eMail-Benachrichtigungen erhalte, die bei abonnierten Threads oder PN-Eingängen ausgelöst werden sollten; direkt an mich adressierte eMails müßten aber ankommen ...
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Bjoerndetmold »

ThomasK hat geschrieben: 28.05.2021 - 02:07 Ich tippe mal, dass, stünde die Seilbahn Stesa - Mottarone in Deutschland, eine Freiheitsstrafe von ca. 3 Jahren verhängt worden wäre, wenn man sich den Vergleich mit dem Eisenbahnunfall von Bad Aibling im Jahr 2016 vor Augen hält, wo der Fahrdienstleiter dem Triebfahrzeugführer den Befehl gegeben hat, per Tastendruck den 2000 Hertz-Magneten des Hp 0 zeigenden Signals zu deaktivieren und auf die durch einen Gegenzug besetzte eingleisige Strecke einzufahren. Es gab 12 Tote und 89 Verletzte: Der Fahrdienstleiter bekam eine Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren, die nach 2/3 der Haftzeit zur Bewährung ausgesetzt wurde. Vom juristischen Fehlverhalten sind die Fälle Bad Aibling (Eisenbahn) und Stesa (Seilbahn) sehr gut vergleichbar. Aber das italienische Strafgesetzbuch sieht hier eine wesentlich härtere Mindeststrafe vor, als das deutsche Strafgesetzbuch.
Bei dem Vergleich übersiehst Du, dass in Mottarone die Gefahr vorsätzlich gesetzt wurde, nämlich absichtlich die Bremsvorrichtung außer Kraft gesetzt wurde. In Bad Aibling war der Fahrdienstleiter aufgrund Ablenkung durch ein Handyspiel unaufmerksam, hat fahrlässig ein “falsches Signal gegeben“ und fahrlässig die Gefahr verursacht. Das ist etwas anderes, als vorsätzlich die Bremse zu deaktivieren (auch wenn es unwahrscheinlich war, dass der Einsatzfall für die Bremse eintritt). Das würde bei der Strafhöhe berücksichtigt.

Auf der anderen Seite ist aber fraglich, ob der Qualifikationtatbestand des Absatzes 3 Anwendung findet. Da ist nämlich “nur“ von einer schweren Gesundheitsschädigung oder der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen die Rede. Die Tosesfolge fällt nach dem Willen des Gesetzgebers und der herrschenden Meinung nicht “erst recht“ darunter. Da nur der kleine Junge überlebt hat, käme es nach deutschem Recht darauf an, wie schwer die Verletzungsfolgen sind. Wenn er hoffentlich vollständig gesundet, wäre der Strafrahmen nur 6 Monate bis 10 Jahre, und wenn man hinsichtlich der Gefahrverursachung noch Fahrlässigkeit (das Seil kann nicht reißen) unterstellt, sogar nur Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Gut, dass italienisches Recht Anwendung findet.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von basti.ethal »

Wenn vllt auch etwas OT:

Welche Vorraussetzungen müssen gegeben sein, dass eine PB ohne Fangbremse konzipiert werden kann?
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Mr400Liter »

basti.ethal hat geschrieben: 28.05.2021 - 11:39 Wenn vllt auch etwas OT:

Welche Vorraussetzungen müssen gegeben sein, dass eine PB ohne Fangbremse konzipiert werden kann?
Soweit ich weiß, muss ein "Ausreißen" des Zugseils ausgeschlossen sein. Sprich, es dürfen keine kritischen Bauteile (wie eben Vergussköpfe) zur Verankerung der Gondel am Zugseil vorhanden sein. Möglich ist zB die Befestigung der FBM mittels Seiltrommeln am endlos gespleißten Zugseil (zB ATW Burgstall-Vöran). In diesem Fall geht man davon aus, dass ein Versagen des Zugseiles (oder der Verankerung) gleich unwahrscheinlich ist, wie bei einer Umlaufbahn. Seilbrüche an sich sind ja wirklich die Ausnahme und auch fast nie dokumentiert.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Marmotte »

Im Gerichtsverfahren des tragischen Seilbahnunglücks Stresa-Mottarone wird sich die Leitner AG als Nebenklägerin einbringen. Ein eventueller Schadensersatz wird jedenfalls den Familien der Opfer gespendet.
:arrow: https://www.simagazin.com/si-magazin/le ... inbringen/
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von AreSee »

mightyjust hat geschrieben: 27.05.2021 - 22:55
keepar hat geschrieben: 26.05.2021 - 08:32 Höchst fahrlässig, eine solche Sicherheitseinrichtung bewusst zu überbrücken.
Ich kann euch aber aus eigener Erfahrung sagen, dass solche Entscheidungen bzw. Manipulationen nicht geografisch einzugrenzen sind, auch im deutschsprachigen Raum kann so etwas passieren.
Das kann ich leider bestätigen...
Wenn gewisse Schalter beim Test nicht ausgelöst werden dann kommt eben der Betriebsleiter und löst händisch aus. Im "Log" sieht es dann so aus als würde alles passen.
Sowas muss man mit seinem Gewissen ausmachen können. Ich und ich denke der grosse Teil kann das nicht.
Im Gewissen dass eine Sicherheitseinrichtung nicht funktioniert, oder gar deaktviert wurde, kann man keine Bahn betreiben. Und ich denke auch dass hier nur ein ganz kleiner minimaler Prozentsatz anders denkt.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von ThomasK »

Bjoerndetmold hat geschrieben: 28.05.2021 - 10:49
ThomasK hat geschrieben: 28.05.2021 - 02:07 Ich tippe mal, dass, stünde die Seilbahn Stesa - Mottarone in Deutschland, eine Freiheitsstrafe von ca. 3 Jahren verhängt worden wäre, wenn man sich den Vergleich mit dem Eisenbahnunfall von Bad Aibling im Jahr 2016 vor Augen hält, wo der Fahrdienstleiter dem Triebfahrzeugführer den Befehl gegeben hat, per Tastendruck den 2000 Hertz-Magneten des Hp 0 zeigenden Signals zu deaktivieren und auf die durch einen Gegenzug besetzte eingleisige Strecke einzufahren. Es gab 12 Tote und 89 Verletzte: Der Fahrdienstleiter bekam eine Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren, die nach 2/3 der Haftzeit zur Bewährung ausgesetzt wurde. Vom juristischen Fehlverhalten sind die Fälle Bad Aibling (Eisenbahn) und Stesa (Seilbahn) sehr gut vergleichbar. Aber das italienische Strafgesetzbuch sieht hier eine wesentlich härtere Mindeststrafe vor, als das deutsche Strafgesetzbuch.
Bei dem Vergleich übersiehst Du, dass in Mottarone die Gefahr vorsätzlich gesetzt wurde, nämlich absichtlich die Bremsvorrichtung außer Kraft gesetzt wurde. In Bad Aibling war der Fahrdienstleiter aufgrund Ablenkung durch ein Handyspiel unaufmerksam, hat fahrlässig ein “falsches Signal gegeben“ und fahrlässig die Gefahr verursacht. Das ist etwas anderes, als vorsätzlich die Bremse zu deaktivieren (auch wenn es unwahrscheinlich war, dass der Einsatzfall für die Bremse eintritt). Das würde bei der Strafhöhe berücksichtigt.

Auf der anderen Seite ist aber fraglich, ob der Qualifikationtatbestand des Absatzes 3 Anwendung findet. Da ist nämlich “nur“ von einer schweren Gesundheitsschädigung oder der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen die Rede. Die Tosesfolge fällt nach dem Willen des Gesetzgebers und der herrschenden Meinung nicht “erst recht“ darunter. Da nur der kleine Junge überlebt hat, käme es nach deutschem Recht darauf an, wie schwer die Verletzungsfolgen sind. Wenn er hoffentlich vollständig gesundet, wäre der Strafrahmen nur 6 Monate bis 10 Jahre, und wenn man hinsichtlich der Gefahrverursachung noch Fahrlässigkeit (das Seil kann nicht reißen) unterstellt, sogar nur Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Gut, dass italienisches Recht Anwendung findet.

Das ist genau der juristische Knackpunkt.

Wenn sich die drei Mitarbeiter gedacht haben "Und wenn schon", dann ist es bedingter Vorsatz.

Haben sich die drei Mitarbeiter gedacht "Es wird schon gutgehen", dann ist es kein bedingter Vorsatz, sondern Fahrlässigkeit.

Allerdings weiß ich nicht, ob das italienische Strafrecht von der Systematik her die Unterschiede so definiert, wie es das deutsche Strafrecht macht.

Ich persönlich hoffe nicht, dass die Seilbahnmitarbeiter nach dem Moto "und wenn schon" gehandelt haben. Allerdings ist es so, wie zahlreiche Dokumentationen zeigen, dass nicht nur mehrere Wochen sondern über Jahre hinweg immer wieder mit der Tragseilbremsdeaktivierung gefahren worden ist und zwar über längere Zeit hinweg. Mittlerweile haben User schon über 5 Jahre alte Bilder hochgeladen, wo bei Personenfahrten die Tragseilbremse deaktiviert war.

Mal war die Deaktivierung an beiden Kabinen gleichzeitig im Einsatz, mal nur an einer der beiden Kabinen und mal an keiner der beiden.

Sehr befremdlich ist auch, dass bei mehreren Fahrten die Tragseilbremsaktivierung, sofern sie nicht im Einsatz war, offen auf dem Kabinendach befördert wurde.

Es gehört zu den Grundlagen der Betriebsführung, dass man niemals lose Teile im Betrieb auf dem Kabinendach befördert. Bei ruckartigen Bewegungen kann es passieren, dass die Teile vom Dach fliegen und Wanderer schwer gefährden.

Wenn ich solche Bilder sehe und zur Kenntnis nehmen muss, dass die Belegschaft offenbar keinen Unterschied zwischen steuerbarem und nicht steuerbarem Risiko macht, was man in der Ausbildung rund um die Uhr eingeimpft bekommen sollte, dann graust es mich vor so einer chaotischen Betriebsführung.

Wie ich schon in diesem Thread schrieb, halte ich die Zeugenaussagen, dass bei starkem Sturm die Kabinen bei 7 m/s (volle Fahrt) die Stützenholme rammten und dabei das Personal lachte, für ziemlich glaubwürdig.

_________________________________


Meiner Meinung nach bleibt bei diesem Desaster Stresa nichts anders übrig als jetzt einen harten Schnitt zu machen. Stresa hat keine Industrie; Stesa lebt vom Tourismus und der Berg Mottarone mit der herrlichen Aussicht auf den Lago Maggiore ist die zentrale Attraktion. Auf dem Berg gibt es ein Restaurant, eine Aussichtsplattform, einen Sessellift und einen Alpin Coaster.

Meine Meinung ist eindeutig. Komplettabriss der alten Seilbahnanlage und Ersatz durch eine topmoderne 120-PB in einer Sektion nach dem Vorbild der Pendelbahn Meran 2000 (Ifinger Bahn, 120-PB). Man kann sich dann überlegen, wenn man die Mittelstation abreißt, dass man, wie bei der Ifinger Bahn in Meran 2000 einen Zwischenausstieg, der wie eine Mittelstation wirkt, einrichtet.

Eine 120-PB könnte am Mottarone alle 12 Minuten fahren und somit eine Leistung von 600 pph erreichen, also fast doppelt so viel wie bisher.

Selbstverständlich wird dann die Straße auf den Mottarone komplett gesperrt, um einerseits den Umweltfrevel abzustellen und andererseits, um so eine 120-PB auch refinanzieren zu können. Für so eine Anlage muss man dann durchaus 40 Millionen € in die Hand nehmen, aber dann hat man etwas Gescheites, an dem man die nächsten Jahrzehnte seine Freude hat.

Ich verstehe auch überhaupt nicht, dass man eine Straße auf den Mottarone gebaut hat. Diese totale Perversion, mit dem Auto auf die Berggipfel zu fahren, kommt aus den USA. Wie pervers muss man eigentlich ticken, mit einem SUV-Dreckskarren auf den 4303 m hohen Pikes Peak in Colorado zu fahren, aber die Amerikaner scheißen sich da nichts.

Man merkt eben schon, wie der Autofanatismus wirkt. Die Zahnradbahn musste am Mottarone weg, aber freie Fahrt für die Autos. :roll:

Da die Seilbahn auf den Mottarone dem Steuerzahler gehört, braucht man für einen kompletten Neubau einer 120-PB ebenso die politische Mehrheit im Gemeinderat wie für die Sperrung der Straße.

Die 120-PB würde ich dann vom Seilbahnhersteller betreiben und warten lassen und dafür den Seilbahnhersteller ordentlich bezahlen. Dann wird der Betrieb mit dem notwendigen Wissen ordentlich gehandhabt. Die Bahn selbst bliebe dann im öffentlichen Eigentum.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Kakadu »

ThomasK hat geschrieben: 28.05.2021 - 12:21 Wenn sich die drei Mitarbeiter gedacht haben "Und wenn schon", dann ist es bedingter Vorsatz.
Das wäre sogar Vorsatz (und nicht mal nur Eventualvorsatz).
Haben sich die drei Mitarbeiter gedacht "Es wird schon gutgehen", dann ist es kein bedingter Vorsatz, sondern Fahrlässigkeit.
Das wäre (zumindest in der Schweiz) ein klassischer Fall von Eventualvorsatz: sie nehmen – zwar stillschweigend, aber wissentlich – inkauf, daß sowas passieren kann. Ist immer wieder mal bei Raserei auf der Straße ein Thema.

Fahrläßigkeit wäre es dann, wenn ihnen nicht bewußt gewesen wäre, daß ihr Tun derart gravierende Folgen haben könnte – was hier klar unzutreffend ist.
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Re: Seilbahnunglück Mottarone - Italien (Piemont) 23.05.21

Beitrag von Pilatus »

ThomasK hat geschrieben: 28.05.2021 - 12:21 Die 120-PB würde ich dann vom Seilbahnhersteller betreiben und warten lassen und dafür den Seilbahnhersteller ordentlich bezahlen. Dann wird der Betrieb mit dem notwendigen Wissen ordentlich gehandhabt. Die Bahn selbst bliebe dann im öffentlichen Eigentum.
War Leitner nicht an der Betreibergesellschaft beteiligt? Dachte das stand weiter oben mal... hat auf jeden Fall das Unglück nicht verhindert.

Mal gucken ob da je wieder eine Bahn fährt... ein paar Kilometer nördlich würde wahrscheinlich sogar noch die Zahnradbahn fahren (dafür wär der Berg mit hässlichen Zweitwohnungen vollgestellt), aber die Voraussetzungen in Italien sind einfach anders.

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