Gegen die Selbstentmündigung
von Patrick Etschmayer / Donnerstag, 25. Dezember 2003
Ein deutscher Urlauber stürzt auf einer vereisten Piste in Elm, rutscht fünfundsiebzig Meter weit den Steilhang hinunter und fällt zwölf Meter neben der Spur in einen sechszehn Meter tiefen Graben. Hier schlägt er auf ein Rohr auf und bricht sich den Schädel.
Der Mann wird vermutlich sein Leben lang gehbehindert bleiben. Ein Alltagsdrama, wie es traurigerweise immer wieder passiert. Aber auch eines der Opfer, die bei der Zeitungslektüre mit einem Schulterzucken hingenommen werden. Dass es für den Mann nicht einfach weitergeht, ist klar.
Er klagte in der Folge die Betreiber der Bergbahn an und beschuldigte sie, die Piste mangelhaft gesichert zu haben. Es ging dabei um 300 000 Franken Franken Schadensersatz, aber vermutlich auch um die Bestätigung, nicht am eigenen Schicksal Schuld zu sein.
Doch sowohl das Glarner Kantonsgericht, das Glarner Obergericht und nun auch das Bundesgericht lehnten die Klage ab.
Sie stellten fest, dass in diesem Fall keine Schuld bei Liftbetreiber liege. Speziell stellte das Bundesgericht fest, dass das Skifahren gefährlich sei und nicht immer jemand anders Schuld an einem Schaden haben könne.
So bedauerlich dieser Entscheid für den Betroffenen auch sein mag, so ist er doch richtig und setzt ein kleines Zeichen. Ein Zeichen gegen den grassierenden Verantwortungsschwund.
Ausgehend von der Klagekultur, die sich seit den 70er Jahren in Amerika entwickelt und verbreitet hat, scheint sich bei uns immer mehr die Ansicht durchzusetzen, dass immer jemand anders Schuld ist, wenn etwas passiert.
Sportunfälle aller Art werden auf Material- oder eben Pistenfehler abgeschoben. Auffahrunfälle versucht man den Bremsen der Autos in die Schuhe zu schieben. Wer jemals ein Fahrrad, das auch auf dem US-Markt verkauft wird, auspackte, amüsiert sich erst und ist dann entsetzt über die ganzen Sicherheitshinweise.
Hinweise, die vom gesunden Menschenverstand diktiert sein müssten, aber ausgeschrieben werden, um Produktehaftpflichtklagen zu vermeiden.
In der Schweiz ist es noch nicht so weit, aber die Gefahr besteht, dass mit neuen Bestimmungen zur Produktehaftpflicht auch diese Seuche auf uns zukommt.
Denn der Geist der Verantwortungsabschiebung lebt schon bei uns. Ein Symptom davon sind die immer häufiger werdenden Entführungen von Touristen, die in Gebiete reisen, die bekannterweise risikoreich sind, sei dies nun in Kolumbien, Nordafrika, Afghanistan oder Mittleren Osten. Passiert etwas, dann wird automatisch erwartet, dass der Staat dafür einsteht und Lösegeld aus der Steuerkasse zahlt. Selbst wenn zum Zeitpunkt der Abreise eine offizielle Reisewarnung bestand.
Oder man fährt eine zu schwierige Piste hinab, verunglückt und will dafür Schadenersatz. Oder man radelt nachts ohne Licht, hat einen Unfall und verklagt den Radhersteller dafür, dass nirgends stand, dass das gefährlich sei.
Oder man ruiniert einen Weltkonzern mit windigen Börsenspekulationen und hofft, dass der Staat einspringt, wenn alles schief gegangen ist. Und so weiter? Hauptsache, man ist nicht schuld oder muss nicht dafür einstehen.
Klage gegen Bergbahnen Elm abgewiesen
Forumsregeln
Klage gegen Bergbahnen Elm abgewiesen
Eine interessante Meinung zu einer unsinnigen Klage: