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Ehemaliges Sommerskigebiet Glacier de Chavière (Val Tho)

alles über: geschlossene Skigebiete/Lifte; alte, nicht mehr existente Hersteller etc.
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Emilius3557
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Ehemaliges Sommerskigebiet Glacier de Chavière (Val Tho)

Beitrag von Emilius3557 »

Aufgrund der Länge meines übersetzten Textes und der doch erfreulich vielen Bilder und Karten poste ich den eigentlich für LSAP bestimmten Bericht jetzt einfach mal hier hinein, damit ihr auch was davon habt. Das Zeugs liegt jetzt schon seit November bei mir auf dem PC. Zu den geschlossenen Liften auf dem Glacier de Péclet gibts auch ein eigenes Topic (wenn erwünscht!). Dabei als Superspecials: Die Aussicht von der ehemaligen Bergstation 3300 in Val Tho - gigantisch! Ich glaube ihr könnt euch schon mal freuen...

Also hier zunächst mal der Text:

Emilius3557
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Beitrag von Emilius3557 »

Geschichte des Sommerskigebietes Glacier de Chavière in Val Thorens:

Von 1974 bis 1990 wurde der Glacier de Chavière (oberhalb des Sesselliftes „Col“ gelegen) als Sommerskigebiet genutzt. Der Zugang zu diesem Gebiet war ziemlich kompliziert: die Skifahrer mussten ihr eigenes Auto nehmen und mit diesem bis zum Hotel-Restaurant „Chalet de Thorens“ fahren und anschließend die aufeinander folgenden Doppelsesselbahnen „Moraine“ und „Col“ nehmen. Zusammen ergab das eine nicht zu vernachlässigende Auffahrtszeit, wenn man die langsame Geschwindigkeit dieser mechanischen Aufstiegshilfen betrachtet. (Anm. d. Übersetzers: DSB Moraine ca. 2,4 km, DSB Col ca 1,1 km lang, bei einer Fahrge-schwindigkeit von 2,3 m/s ergibt das eine reine Liftfahrzeit von ca. 25 Minuten. Selbst 2002 beträgt die reine Fahrzeit via 4 KSB Moraine und 4 SB Col noch ca. 15 Minuten (wobei der 4 KSB Moraine etwas länger ist als sein Vorgänger, insgesamt aber ein vergleichbares Trassé haben dürfte, da bei der moderneren Anlage nicht jeder Geländeeinschnitt ausgefahren wird sondern einfach überbrückt wird).

Das Skigebiet bestand aus drei Schleppliften: „Polset“, „la Lombarde“ und „3400“. (Anm. d. Übersetzers: in Frankreich werden sehr hoch gelegene Liftanlagen gerne mit symbolträchtigen Höhenangaben benannt, die aber nicht unbedingt zutreffen müssen. Z.B. Val d´Isère: SL 3300, Tignes: SLte 3500, Val Thorens: DSB 3300)

Der Schlepplift “3400”:
Dieser Tellerlift begann am oberen Abschnitt der heutigen roten Gletscherpiste “Col”. Wie sein Name schon sagt, lag seine Bergstation ungefähr bei 3400 Metern zwischen der Aiguille des Saints Pères und dem Mont Gebroulaz. Er bediente eine durchaus interessante rote Piste, aber paradoxerweise wurde dieser im Jahr 1974 errichtete Schlepplift nur zwei Jahre später, 1976, wieder abgebaut. Zu dieser so raschen Demontage gibt es keine einzige offizielle Stellungsnahme oder Erklärung. Mehrere Gerüchte machen die Runde, von denen aber keines wirklich glaubhaft ist.

Der Schlepplift „La Lombarde“:
Dieser Schlepplift diente hauptsächlich dazu, die Skifahrer von der Talstation des Schleppliftes „Polset“ zum Sessellift „Col“ zu transportieren. Er war relativ kurz und heute kann man immer noch die Antriebsstation sehen, die damals nicht abgebaut wurde (Anm. d. Übersetzers: die Demontage der verbliebenen Ruinen am Glacier de Chavière erfolgte im Sommer 2002). Der Betrieb des Schleppliftes „La Lombarde“, der 1974 errichtet worden war, wurde Ende der 1980er Jahre beendet, als die SETAM (Anm. d. Übersetzers: Liftgesellschaft von Val Thorens) sich entschied, den Sommerskibetrieb auf dem Glacier de Chavière einzustellen.

Der Schlepplift „Polset“:
Dieser Lift ist zweifellos der bekannteste Schlepplift dieses ehemaligen Sommerskigebietes. Seine Antriebsstation befand sich auf einem großen Felsblock (auf demselben wie die Antriebsstation des Schleppliftes „La Lombarde“). Ebenso wurde die Umlenkscheibe der Berg-station an einen weiteren Felsblock befestigt und mittels der Seilspannung dort gehalten. Aber außer der Talstation, der ersten Stütze und der Umlenkscheibe an der Bergstation waren die übrigen Liftstützen auf das Gletschereis gestellt. Sie besaßen die Form eines Bogens oder eines umgedrehten „U“s und sie waren am Fuß verbreitert. Ein Gletscher ist in immerwährender Bewegung und es ist folglich nicht möglich, die Stützen auf ihm zu fixieren. Da sie ein-fach nur ins Gletschereis gestellt wurden bewegten sich die Stützen des Liftes „Polset“ mit dem Gletscher ohne Schaden zu nehmen und es genügte, wenn die Pistenarbeiter sie ab und an korrigierten. Dieses System um eine mechanische Aufstiegshilfe auf einen Gletscher zu stellen ist häufig anzutreffen und auch die Schlepplifte „3400“ und „La Lombarde“ benützten dieses Verfahren.

Am Ende der 1980er Jahre wurde es klar, dass an der Nutzung des Gletschers im Sommer kein großes Interesse mehr bestand: er ist nicht einfach zu erreichen, seit 1976 bietet er nur mehr zwei Schlepplifte mit beschränkter Höhendifferenz an. Er ist wirtschaftlich nicht rentabel und außerdem ein Kristallisationspunkt für die Kritik der Umweltschützer, denen eine solche Nutzung innerhalb des Nationalparks Vanoise ein Dorn im Auge war. Dies sind die Gründe, warum der Sommerskibetrieb im Jahr 1990 definitiv beendet wurde. Trotzdem kann man heute noch die Ruinen dieses ehemaligen Sommerskigebietes sehen. (Anm. d. Übersetzers: 1992 stand der Schlepplift „Polset“ noch vollständig, die Talstationen der Schlepplifte „Polset“ und „La Lombarde“, sowie das obere Umlenkrad des Schleppliftes „Polset“ standen bis zum Sommer 2002, jetzt befindet sich der Glacier de Chavière wieder in seinem Urzustand.

Was hingegen sicher ist, ist dass der Glacier de Chavière ein ausgezeichnetes Entwicklungspotential für eine Skistation im Maurienne-Tal geboten hat. Tatsächlich war es in den 1970er und 1980er Jahren vorgesehen eine neue Station in dieser Gegend zu gründen: Val Chavière. Diese sollte 18 mechanische Aufstiegshilfen besitzen und mit Val Thorens über den Glacier de Chavière verbunden sein. Zahlreiche Lifte waren vorgesehen, z.B. in Richtung der Pointe du Renod (Anm. d. Übersetzers: 3384 m. hoch, vergletscherte Nordwestflanke)…
Glücklicherweise wurde dieses Projekt im Herzen des Nationalpark Vanoise niemals realisiert.
(Anm. d. Übersetzers): Diese Entwicklung ist ziemlich typisch für die französischen Glet-scherskigebiete. Nur Tignes (Grande Motte) und Les deux Alpes (Glacier de Mont de Lans) können international noch mithalten, sowohl was Liftanlagen und Pisten angeht, als auch re-gelmäßige Öffnungszeiten, denn beide sind mit Revisionspausen ganzjährig geöffnet. La Plagne (Glacier de la Chiaupe und Glacier de Bellecôte (nicht mehr bewirtschaftet)), Val d´Isère (Glacier de Pisaillas), Alpe d´Huez (Glacier de la Sarenne) und Val Thorens (Glacier de Péclet) sind im Winter nur zeitweise in Betrieb, bzw. teilweise, während profitabler, bzw. ausgedehnter Sommerbetrieb selten mehr stattfindet, was auch daran liegt, dass die französischen Stationen grundsätzlich erst zum 1. Juli die Sommersaison einläuten, im Gegensatz zu bspw. österreichischen Gebieten, die solange fahren, wie es vernünftigen Schnee gibt. In La Plagne und Val d´Isère wurden schon Lifte stillgelegt, noch extremer am Glacier de Péclet (siehe unten). Einzig in Val d´Isère (neue 4 KSB, Beschneiungsanlage folgt) und Alpe d´Huez (zwei neue 4 SBs, Betrieb schon zu Allerheiligen, zweiter Zubringer durch ein Funitel) wird investiert, während in La Plagne und Val Thorens der Sommerbetrieb besiegelt scheint, ohne, dass die vorhandenen Gletscherflächen für eine Aufwertung des Winterbetriebes genutzt würden (wie im Rest der Alpen, wo ja auch schon diverse Sommerskigebiete geschlossen haben). Trotzdem muss man sagen, dass eine technische Aufrüstung wie vor allem in den österreichischen Gletscherskigebieten in Frankreich nicht zu erkennen ist. Am fatalsten ist meiner Meinung nach die Attitüde die Glet-scher im Winter zum größten Teil einzumotten, wenn es Bedarf gäbe und mehr als genügend Schnee. In Österreich und der Schweiz wird ja auch im Winter gefahren und im Sommer gibt es genügend Schnee. Dadurch verpassen es die Stationen ihre Winterskigebiete schneesicherer zu machen und aufzuwerten. Der Glacier de Chavière würde sicherlich eine interessante und anfängerfreundliche und schneesichere Spielwiese abgeben, wenn er denn beispielsweise von Oktober bis Juni bewirtschaftet werden würde. Auch die modernisierten Zubringerlifte wurden nicht mehr ausgenutzt (Baujahr 4 KSB Moraine 1991, 4 SB Col 1994). Es wurde aber auch nicht versucht durch eine neue, „sommerfreundliche“ Zubringerbahn (z.B. Kabinenbahn) das tatsächlich vorhandene Zugangsproblem zu lösen. Eine nochmalige Erschließung des Glacier de Chavière halte ich für ausgeschlossen, schließlich liegt er im Nationalpark und auch hier macht sich der Gletscher- und Schneeschwund dramatisch bemerkbar, am deutlichsten bei der Befahrung der Piste „Col“. Früher konnte man von der Piste direkt an blauschimmernde Gletscherspalten herantreten. Heute ist der Gletscher flach und eisig, immer mehr Felsen apern aus, die Gletscherpiste ist im oberen, flachen Gletscherbecken eisig und steinig, vom staubenden Pulver früherer Jahre keine Spur. Es wäre übrigens eine interessante Frage ob in den 1970er und 1980er Jahren der DSB Col ebenfalls für den Sommerskibetrieb genutzt wurde, oder ob er zu allen Zeiten im Sommer nur Zubringer war. Bei den zum Vergleich mit heute exorbitanten Schneemengen dieser Jahre (20 Meter in den 1970er Jahren!) ist das durchaus vorstellbar.

(die technischen Daten hatten wir im alten Topic schon mal, ich stelle sie der Vollständigkeit halber mal hier noch dazu)

Technische Daten Glacier de Chavière:

Reine Mutmaßungen, da Lifte nicht mehr in der Karte verzeichnet sind. Da die Talstation der Lifte „Polset“ und „la Lombarde“ aber dank des großen Felsens sichtbar ist, sind zumindest grobe Schätzungen möglich:

SL „la Lombarde“:
Länge: ca. 650 m.
Talstation: 3030 m.
Bergstation: 3130 m.
Höhendifferenz: 100 Hm

SL „Polset“:
Länge: ca. 1200 m.
Talstation: 3030 m.
Bergstation: 3210 m.
Höhendifferenz: 180 Hm

SL „3400“:
Da keine Talstation bekannt auch Schätzungen kaum möglich.

Zur berüchtigten Flachheit dieses Sommerskigebiets:
Berechnung eines Steigungs-Quotienten aus Länge durch Höhendifferenz:
Zum Vergleich: SL Daunferner I, Stubaier Gletscher, Länge: 1620 m., Höhendifferenz: 310 Hm
1620 : 310 = 5,22
„la Lombarde“: 650 : 100 = 6,5
„Polset“: 1200 : 180 = 6,6
Vergleichswerte vom „Glacier de Péclet“:
3 SB Glacier: 900 : 306 = 2,941
DSB „3300“: 900 : 360 = 2,5
Dadurch sieht man auch, wie steil der Glacier de Péclet ist.
Zum Vergleich: 6 KSB Eisjoch (Stubai): 2200 : 510 = 4,31
Emilius3557
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Beitrag von Emilius3557 »

Hier folgen Pläne, Karten und Photos aus dem Text:

Bild

Sommerplan des Sommerskigebietes Glacier de Chavière.

Bild

Glacier de Chavière im Jahr 2002.

Bild

Ausblick vom Col de Thorens auf den oberen Teil des geschlossenen Skigebietes. Die Trasse des SL "3400" ist nicht gesichert (d.h. man weiß nicht mehr genau, wie er eigentlich verlaufen ist!)

Bild

Der untere Teil des Sommerskigebietes. Man sieht deutlich die Talstation des SLtes Polset. Diese Ruinen wurden im Sommer 2002 demontiert. Das "Chalet de Chavière" steht allerdings heute noch (habe ein Photo vom März davon, ist allerdings nicht sonderlich interessant).

Bild

Talstation des SL Polset.
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Beitrag von Emilius3557 »

Bild

Das hier ist besonders interessant! Eine frz. Topo-Karte aus dem Jahr 1978, auf die ich während einer Internet-Recherche gestoßen bin. Die SLte Polset und Lombarde sind hier anscheind im Original verzeichnet gewesen, den SL 3400 hat ein Bearbeiter ergänzt. Ob das die tatsächliche Trasse gewesen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich denke aber, dass es durchaus möglich gewesen ist. Hier sieht man gut, dass der Glacier de Chavière untypisch für ein Sommerskigebiet fast vollständig nach Süden exponiert ist. Mit seinen 3400 Metern war er sicherlich auch eines der höchsten Gebiete der damaligen Zeit (Klein Matterhorn wurde ja erst 1979 (?) erschlossen). Hier sieht man auch das der SL 3400 den höher gelegenen und steileren Gletscherabschnitt bediente, der skifahrerisch sicherlich interessanter gewesen ist, als der doch sehr flache untere Teil.

Bild

Diese zusammengesetzten Photos stammen nun von mir persönlich vom 16. März 2003. Die Bergstation 4 SB Col befindet sich links außerhalb des Bildrandes auf 3133 m. Höhe (manche Quellen sagen auch 3116 m., das ist nicht ganz klar). Rechts sieht man den sehr flachen mittleren und unteren Teil des ehemaligen Sommerskigebietes, erschlossen von den SLten Polset und Lombarde. Der SL 3400 erschloss den etwas steileren oberen Teil, und endete irgendwo im Gipfelhalbkreis zwischen Aiguille des Saints-Pères und Mont Gebroulaz. Der Ziehweg im Bild ist der Auftakt der Piste "Col". Nicht im Bild, aber nur einige Dutzend Meter weiter am Ziehweg befindet sich eine kleine Imbißhütte, die groteskerweise ein Holzschild mit der Aufschrift "Stuttgarter Hütte" trägt. Das scheint der auf dem obigen Pistenplan zu sehende Sommer-Imbiss zu sein. Restaurant würde ich dazu nicht sagen.
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Beitrag von k2k »

Von den Ruinen der Lifte gibts Bilder auf www.avalon-c.de, hab ich glaub aber schonmal gepostet.
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Beitrag von Emilius3557 »

Ja, danke, ist ja auch auf den verwendeten Photos als Quelle angegeben. Man sieht allerdings eben nur Ruinen, u.a. Umlenkräder mit den Aufschriften von Leitner und Montaz-Mautino, alles nicht sehr ästhetisch.
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Beitrag von Emilius3557 »

Zu Wiederaufbauplänen- oder ideen:
Warum sollte das gemacht werden? Das Gebiet hat sich anscheinend nicht als konkurrenzfähig oder attraktiv genug erwiesen, so dass sich die SETAM zur Stilllegung entschlossen hat. Wenn damals Interesse am Weiter- oder Winterbetrieb bestanden hätte, hätte die SETAM sicherlich Geld und Einfluss genug gehabt, sich gegen die Umweltschützer durchzusetzen. In Tignes funktioniert das doch auch. Die Grande Motte ist einfach aus dem Nationalpark Vanoise "ausgeklammert". Das Argument, dass Proteste von Umweltschützern zur Schließung des Sommerskigebiets geführt hätten, ist doch nur die Schutzbehauptung der Gesellschaft, meiner Ansicht nach. Und die Schneelage dort oben ist ja auch die letzten Jahre nicht sehr rosig gewesen. Wer heuer am Col de Thorens oben war wird bestätigen können: sehr abgeweht, trotz 2,50 + x Meter Schnee Blankeisstellen und viele Felsen/Steine auf dem Eis. Und dort soll dann Sommerskilauf möglich sein? Herbst-Frühjahrbetrieb von Oktober bis Juni, das kann ich mir schon vorstellen, eine lange Zubringer EUB mit Mittelstation verdoppelt Moraine und Col-SBs, oben kap-starke Doppel-SLte (keine Tellerlifte!), etwa 3-5 Stück, ordentliche Präparierung und fertig ist das hochalpine Anfänger und Snowboarderrevier. Aber richtig aufregende Skiabfahrten springen da nicht wirklich heraus. Nach den negativen Erfahrungen mit der "Glacier de Bourchet"-Neuerschließung wird die SETAM solche Experimente in Zukunft sicherlich noch genauer überdenken.

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Beitrag von trincerone »

Ich hab schon mal dazu gepostet, aber da es eher hier hin gehört schreib ich nochmal mehr dazu.

Also de facto ist das mit dem Umweltschutz ein viel größeres Problem als hier rauskommt. Sowohl die Erschließung der Grande Motte wie auch des Glacier de Chavière sind Projekte von Pierre Schnebelen gewesen, DEM Pionier beim Bau französischer Skistationen in der Tarentaise - ein Mann mit recht extremen Ideen, die aber teilweise sehr gut funktioniert haben.

Der Parc National de la Vanoise (PNV) war 1963 der erste National Park Frankreichs. Ziemlich parallel kamen die Projekte Tignes Grande Motte (Mitte der 60er) und Val Thorens (ab 1968) ins Rollen. Zu dem Zeitpunkt war der Nationalpark noch keine gefestigte und unantastbare Instanz. Darüber hinaus muss man sehen, dass die ganze Entwicklung in der Hand weniger Leute lag - die Führung des Department Savoyen und seiner Kommunen und die Erschließer der Skistationen sind ja mehr oder minder die gleichen Leute gewesen, es gab also keine Kluft zwischen Wirtschaft und Politik. So war es leicht Konzessionen für die Erschließung der Grande Motte zu bekommen. Diese sind wohl mehr oder weniger unbefristet - jedenfalls konnten sie auch später noch für den Ausbau genutzt werden.

Bei Val Thorens wurde das ganze Anfang der 70er konkret und da sah das schon anders aus. Der Chavièregletscher liegt nämlich nicht in der Kommune von Val Thorens (St. Martin de Belleville), sondern in der von Modane, das dazu nicht in der Tarentaise, sondern in der Maurienne liegt, die wirtschaftlich (vor allem touristisch) weniger entwickelt ist als die Tarentaise. Die Kommune von St. Martin hatte zu Beginn der 60er schon die Station Les Menuires gebaut, hatte sich damit aber mittelmäßig auf die Nase gelegt und daher Schnebelen, der sich in Tignes sehr verdient gemacht hatte mit ins Boot geholt. Der plante dann im großen Stil und projektierte Val Thorens als Höhenstation mit großartigen Sommerskimöglichkeite (trotz einem definitiven hang zum Größenwahn hatte der Mann auch einen gewissen Weitblick). Da da Pélcetgebiet zwar von Val Thorens leichter zu erschließen, jedoch auch wesentlich weniger attraktiv ist, war eine Erschließung des Chavièregletschers Pflicht. Seine weiten Gletscherhänge bieten alle Schwiereigkeitsgrade und kratzen die 3600m Marke. Das gesamte Terrain liegt jedoch auf dem Gebiet der Kommune von Modane. Diese erteilte Baugenehmigungen nur unter Auflage, dass eine weitere Station - Val Chavière - oberhabl von Modane gebaut würde, die ebenfalls Zugang zum Skigebiet hätte. Diese wurde dann auch sehr konkret geplant (hab die PLäne selber gehsehen), nur dass dann von Umweltschützerseite erste Bedenken kamen, die sich nach und nach zu nationalen Protesten ausweiteten. Am Ende landete die ganze Sache bei Pompidou, dem damaligen Präsidenten der franz. Republik (stellt Euch mal vor, SChröder müsste über den Bau von Schiliften entscheiden, da sieht man mal, was die Sache damals für ein Ausmaß angenommen hat!). Es ging dabei um die Grundsatzdiskussion: ist ein National Park mit dem Schisport vereinbar? Gleichzeitig war es eine erste frühere Schlacht der Wirtschaft gegen die Umweltschützer (lange vor den großen Anti-Atomdemos etc.). Am Ende kam man zu dem Ergebnis, dass ein Schigebiet nicht mit einem Nationalpark vereinbar sei, jedoch em wirtschaftlichen Interesse der Region Rechnung getragen werden müsse (eine Strukturschwache Region, für die in einer Phase tiefster Repression durch den in den 60errn aufkommenden Tourismus neues Licht am Horizont auftauchte). Daher gewährte man der Liftgesellschaft von Val Thorens das Recht, eine "moderate" Erschließung des dem Terrain von Val Thorens nahe liegen Teils der Gletscherlandschaft vorzunehmen. Praktisch hieß das nachher, dass die Konzession für drei Schlepplifte erteilt wurde, die auf den Hängen ober- und unterhalb des Col de Thorens - der Grenze zu Val Thorens - gebaut wurden. Die Inbetriebnahme erfolgt verspätet 1976. Val Chavière wurde aus umweltpolitischen Gründen, aber auch wegen der enormen Lawinengefahr im besagten Tal, die aufgrund zu derzeit vorgekommer Unfälle anfang der 70er wieder heiß diskutiert wurde, als Prjekt gecancelled. Modane erhielt jedoch Entschädigungen in Millionenhöhe, die dann zum Bau des Skiortes Val Fréjus (glaube ich) genutzt wurden.

Die weitreichenden Pläne von Seilbahnen und einem Dutzend Sessellifte wurden ebenfalls verworfen. Aufgrund dieser Einschränkungen verließ Schnebelen das Projekt und wurde später in Südamerika beim Bau von Schigebieten tätig.

Konkret gebaut wurden 3 Lifte:

www.trincerone.com/finalement.bmp

Leider ist die Karte nicht genau - die Trasse der obersten Lifte, des 3400, ist meines Erachtens nicht korrekt wieder gegeben, sie würde so auch keinen Sinn machen und nicht den Pistenplänen entsprechen. Da auf der Karte auch andere Lifte, deren Trassen genau bekannt sind, leicht flasch eingezeichnet sind, gehe davon aus, dass hier ein Fehler unterlaufen ist.

Der oberste Lift wurde in der zweiten Hälfte der 70er Jahre wieder abgerissen - ich habe mal gelesen, dass eine Lawine den Lift zerstört hat und er nicht wieder aufgebaut wurde. Allerdings könnten auch Gletscherbewegungen der Grund sein - das Terrain ist recht instabil und der Lift läuft noch dazu nicht gerade in Flussrichtung, wobei wie gesagt der obere Teil eh falsch eingezeichnet ist, da die Bergstation wohl eher in der Nähe des Col de Gébroulaz gelegen hat - er Lift hatte nämlich auf der Hälfte eine Kurve. Es ist jedenfalls keine Seltenheit, vor allem in den 70ern und 80ern, dass Lifte auf Gletschern nur wenige Jahre existierten, bis durch Lawinen oder Gletscherbewegungen unbrauchbar wurden. Oft wurde in der Euphorie etwas voreilig erschlossen.

Der Lombardelift - der Retourlift zum Col de Thorens - hat eigentlich nie wirklich eine Existenzberechtigung gehabt, weil er keine eigene Piste erschließt - der Abfahrt com Polsetlift zum Col de Thorens ist problemls möglich, hab ich selber gemacht. Er diente wohl eher einer Kapazitätserhöhung und einem Imagewinn (in den 70ern wurde viele Gletscher übererschlossen, weil man ja in ein Gebiet mit 5 Liften eher fährt als in eines mit zweien, wenn man nicht sofort auf der karte sieht, dass dadurch gar keine neuen Pisten erschlossen werden). Mitter der 80er fiel Lift dem Abtauen dees Gletschers zum Opfer - der Gletscher hatte im Bereich der Felseninsel sehr an Höhe verloren und die Station stand zu ungünstig auf der Felseninsel um das zu korrigieren. Da er eh nicht wirklich was taugte, wurde er abgeschaltet. 1988 (alles sehr schneearme Jahre übrigens), waren auch auf der Trasse des Polsetliftes so viele Felsen aufgetaucht, dass dieser Lift außer Betrieb gesetzt wurde.

Nun begann die Diskussion. Der damalige Bürgermeister von St. Martin de Belleville, Georges Cumin, plante eine völlige Neugestaltung des Sektors. Er wollte die alte Konzession erneut benutzen, um den Gletscher anständig an das Schigebiet an zu schließen. Letztendlich als nicht halbes und nicht ganzes in den 70ern realisiert, bestand die verbindung zum dem Zeitpunkt aus zwei alten, extrem dem Windausgesetzten Sesselliften, die noch dazu über ein Schotterstraße erst angefahren werden mussten. Noch dazu um dann nach einer Ewigkeit im Lift zwei platte Pisten vorzufinden. Cumin wollte das bei der eh anstehenden Renovierung alles neu machen, un auch den Gletscher wieder weiträumiger erschließen. Die inzwischen wesentlich stärkere Umweltbewegung war sofort auf dem Plan. Es gab am Ende landesweite Protestkundgebungen und erneut reichte das Ausmaß bis nach Paris. Es gab dann 1991 ein endgültiges Nein von höchster Stelle. Damit war die geplante Neuerschließung des Chavièregletschers geplatzt.

Die Setam (Liftgesellschaft) demontierte daraufhin die den Bewegungen des Eises ausgesetzten Teile (Seil und Liftmasten). Außerdem wurde die Bergstation des Lombardeliftes - nahe dem Sessellift Col gelegen - aus wohl optischen Gründen entfernt. Die restlichen Anlagen verblieben - zwei Talstationen und eine Holzhütte mit zwei Räumen, einem Aufenthaltsraum und einem Lagerraum für Bügel, Schilder und den ganzen Kram. An der Bergstation des Polsetliftes (eingentlih nur ein Umlenkrad, das durch Seile am Felsen und die Spannung des Schleppliftseiles gehalten wurde), verbliebn ebenfalls. Bis zum Sommer 2002 konnte man die Motoren und Gerüste von Montaz-Mautino und die Bügel von Leitner noch vorfinden.

Mit der Veröffentlichung der Bilder auf avalon-c.de wurde erst in den einschlägigen französischen Internetforen, und dann auch in diversen Medien eine erneute Diskussion losgetreten. Einige Bilder erschienen landesweit in der Presse. Auf Druck von Umweltorganisationen und der Parkverwaltung wurde dann ein Abriss durchgesetzt - sämtliche verbleibenden Teile wurde im Sommer 2002 entfernt.

Die Setam hat seit dem Fiasko in den 90ern ein großes Geheimnis aus der Sache gemacht. Es gab gezielte Fehlinfomationen wie auch schlichte Dementis. Im Endeffekt ist der Gletscher in Millionengrab für die Gesellschaft und der Medienrummel um die Verletung des Nationalparks erscheint der Geschäftsführung verständlicherweise als extrem geschäftsschädigend. Daher ist versucht worden, den Ball flach zu halten. Politisch herscht heute Einigkeit darüber as gegenüber den riesigen Schigebieten, die es heute gibt, der Schutz der Nationalparks als unantastbare Institution oberste Priorität hat. Die Setam hat an einer erneuten Debatte und dem zugehörigen Medienrummel kein Interesse. Auch ist der Gletscher in der heutigen Erschließungs- und Betrienbsphilosophie für die Gesellschft gänzlich uninteressant geworden. Sommerski ist inrentabel und spielt daher für Val Thorens kaum noch eine Rolle. Mit der Demontage ist der Ski auf dem Chavieregletscher endgültig Geschichte, das Kapitel definitif geschlossen. Die Bilder auf avalon-c.de bleiben als Zeugen dieser Epoche.
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trincerone
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Beitrag von trincerone »

Ich hab schon mal dazu gepostet, aber da es eher hier hin gehört schreib ich nochmal mehr dazu.

Also de facto ist das mit dem Umweltschutz ein viel größeres Problem als hier rauskommt. Sowohl die Erschließung der Grande Motte wie auch des Glacier de Chavière sind Projekte von Pierre Schnebelen gewesen, DEM Pionier beim Bau französischer Skistationen in der Tarentaise - ein Mann mit recht extremen Ideen, die aber teilweise sehr gut funktioniert haben.

Der Parc National de la Vanoise (PNV) war 1963 der erste National Park Frankreichs. Ziemlich parallel kamen die Projekte Tignes Grande Motte (Mitte der 60er) und Val Thorens (ab 1968) ins Rollen. Zu dem Zeitpunkt war der Nationalpark noch keine gefestigte und unantastbare Instanz. Darüber hinaus muss man sehen, dass die ganze Entwicklung in der Hand weniger Leute lag - die Führung des Department Savoyen und seiner Kommunen und die Erschließer der Skistationen sind ja mehr oder minder die gleichen Leute gewesen, es gab also keine Kluft zwischen Wirtschaft und Politik. So war es leicht Konzessionen für die Erschließung der Grande Motte zu bekommen. Diese sind wohl mehr oder weniger unbefristet - jedenfalls konnten sie auch später noch für den Ausbau genutzt werden.

Bei Val Thorens wurde das ganze Anfang der 70er konkret und da sah das schon anders aus. Der Chavièregletscher liegt nämlich nicht in der Kommune von Val Thorens (St. Martin de Belleville), sondern in der von Modane, das dazu nicht in der Tarentaise, sondern in der Maurienne liegt, die wirtschaftlich (vor allem touristisch) weniger entwickelt ist als die Tarentaise. Die Kommune von St. Martin hatte zu Beginn der 60er schon die Station Les Menuires gebaut, hatte sich damit aber mittelmäßig auf die Nase gelegt und daher Schnebelen, der sich in Tignes sehr verdient gemacht hatte mit ins Boot geholt. Der plante dann im großen Stil und projektierte Val Thorens als Höhenstation mit großartigen Sommerskimöglichkeite (trotz einem definitiven hang zum Größenwahn hatte der Mann auch einen gewissen Weitblick). Da da Pélcetgebiet zwar von Val Thorens leichter zu erschließen, jedoch auch wesentlich weniger attraktiv ist, war eine Erschließung des Chavièregletschers Pflicht. Seine weiten Gletscherhänge bieten alle Schwiereigkeitsgrade und kratzen die 3600m Marke. Das gesamte Terrain liegt jedoch auf dem Gebiet der Kommune von Modane. Diese erteilte Baugenehmigungen nur unter Auflage, dass eine weitere Station - Val Chavière - oberhabl von Modane gebaut würde, die ebenfalls Zugang zum Skigebiet hätte. Diese wurde dann auch sehr konkret geplant (hab die PLäne selber gehsehen), nur dass dann von Umweltschützerseite erste Bedenken kamen, die sich nach und nach zu nationalen Protesten ausweiteten. Am Ende landete die ganze Sache bei Pompidou, dem damaligen Präsidenten der franz. Republik (stellt Euch mal vor, SChröder müsste über den Bau von Schiliften entscheiden, da sieht man mal, was die Sache damals für ein Ausmaß angenommen hat!). Es ging dabei um die Grundsatzdiskussion: ist ein National Park mit dem Schisport vereinbar? Gleichzeitig war es eine erste frühere Schlacht der Wirtschaft gegen die Umweltschützer (lange vor den großen Anti-Atomdemos etc.). Am Ende kam man zu dem Ergebnis, dass ein Schigebiet nicht mit einem Nationalpark vereinbar sei, jedoch em wirtschaftlichen Interesse der Region Rechnung getragen werden müsse (eine Strukturschwache Region, für die in einer Phase tiefster Repression durch den in den 60errn aufkommenden Tourismus neues Licht am Horizont auftauchte). Daher gewährte man der Liftgesellschaft von Val Thorens das Recht, eine "moderate" Erschließung des dem Terrain von Val Thorens nahe liegen Teils der Gletscherlandschaft vorzunehmen. Praktisch hieß das nachher, dass die Konzession für drei Schlepplifte erteilt wurde, die auf den Hängen ober- und unterhalb des Col de Thorens - der Grenze zu Val Thorens - gebaut wurden. Die Inbetriebnahme erfolgt verspätet 1976. Val Chavière wurde aus umweltpolitischen Gründen, aber auch wegen der enormen Lawinengefahr im besagten Tal, die aufgrund zu derzeit vorgekommer Unfälle anfang der 70er wieder heiß diskutiert wurde, als Prjekt gecancelled. Modane erhielt jedoch Entschädigungen in Millionenhöhe, die dann zum Bau des Skiortes Val Fréjus (glaube ich) genutzt wurden.

Die weitreichenden Pläne von Seilbahnen und einem Dutzend Sessellifte wurden ebenfalls verworfen. Aufgrund dieser Einschränkungen verließ Schnebelen das Projekt und wurde später in Südamerika beim Bau von Schigebieten tätig.

Konkret gebaut wurden 3 Lifte:

www.trincerone.com/finalement.bmp

Leider ist die Karte nicht genau - die Trasse der obersten Lifte, des 3400, ist meines Erachtens nicht korrekt wieder gegeben, sie würde so auch keinen Sinn machen und nicht den Pistenplänen entsprechen. Da auf der Karte auch andere Lifte, deren Trassen genau bekannt sind, leicht flasch eingezeichnet sind, gehe davon aus, dass hier ein Fehler unterlaufen ist.

Der oberste Lift wurde in der zweiten Hälfte der 70er Jahre wieder abgerissen - ich habe mal gelesen, dass eine Lawine den Lift zerstört hat und er nicht wieder aufgebaut wurde. Allerdings könnten auch Gletscherbewegungen der Grund sein - das Terrain ist recht instabil und der Lift läuft noch dazu nicht gerade in Flussrichtung, wobei wie gesagt der obere Teil eh falsch eingezeichnet ist, da die Bergstation wohl eher in der Nähe des Col de Gébroulaz gelegen hat - er Lift hatte nämlich auf der Hälfte eine Kurve. Es ist jedenfalls keine Seltenheit, vor allem in den 70ern und 80ern, dass Lifte auf Gletschern nur wenige Jahre existierten, bis durch Lawinen oder Gletscherbewegungen unbrauchbar wurden. Oft wurde in der Euphorie etwas voreilig erschlossen.

Der Lombardelift - der Retourlift zum Col de Thorens - hat eigentlich nie wirklich eine Existenzberechtigung gehabt, weil er keine eigene Piste erschließt - der Abfahrt com Polsetlift zum Col de Thorens ist problemls möglich, hab ich selber gemacht. Er diente wohl eher einer Kapazitätserhöhung und einem Imagewinn (in den 70ern wurde viele Gletscher übererschlossen, weil man ja in ein Gebiet mit 5 Liften eher fährt als in eines mit zweien, wenn man nicht sofort auf der karte sieht, dass dadurch gar keine neuen Pisten erschlossen werden). Mitter der 80er fiel Lift dem Abtauen dees Gletschers zum Opfer - der Gletscher hatte im Bereich der Felseninsel sehr an Höhe verloren und die Station stand zu ungünstig auf der Felseninsel um das zu korrigieren. Da er eh nicht wirklich was taugte, wurde er abgeschaltet. 1988 (alles sehr schneearme Jahre übrigens), waren auch auf der Trasse des Polsetliftes so viele Felsen aufgetaucht, dass dieser Lift außer Betrieb gesetzt wurde.

Nun begann die Diskussion. Der damalige Bürgermeister von St. Martin de Belleville, Georges Cumin, plante eine völlige Neugestaltung des Sektors. Er wollte die alte Konzession erneut benutzen, um den Gletscher anständig an das Schigebiet an zu schließen. Letztendlich als nicht halbes und nicht ganzes in den 70ern realisiert, bestand die verbindung zum dem Zeitpunkt aus zwei alten, extrem dem Windausgesetzten Sesselliften, die noch dazu über ein Schotterstraße erst angefahren werden mussten. Noch dazu um dann nach einer Ewigkeit im Lift zwei platte Pisten vorzufinden. Cumin wollte das bei der eh anstehenden Renovierung alles neu machen, un auch den Gletscher wieder weiträumiger erschließen. Die inzwischen wesentlich stärkere Umweltbewegung war sofort auf dem Plan. Es gab am Ende landesweite Protestkundgebungen und erneut reichte das Ausmaß bis nach Paris. Es gab dann 1991 ein endgültiges Nein von höchster Stelle. Damit war die geplante Neuerschließung des Chavièregletschers geplatzt.

Die Setam (Liftgesellschaft) demontierte daraufhin die den Bewegungen des Eises ausgesetzten Teile (Seil und Liftmasten). Außerdem wurde die Bergstation des Lombardeliftes - nahe dem Sessellift Col gelegen - aus wohl optischen Gründen entfernt. Die restlichen Anlagen verblieben - zwei Talstationen und eine Holzhütte mit zwei Räumen, einem Aufenthaltsraum und einem Lagerraum für Bügel, Schilder und den ganzen Kram. An der Bergstation des Polsetliftes (eingentlih nur ein Umlenkrad, das durch Seile am Felsen und die Spannung des Schleppliftseiles gehalten wurde), verbliebn ebenfalls. Bis zum Sommer 2002 konnte man die Motoren und Gerüste von Montaz-Mautino und die Bügel von Leitner noch vorfinden.

Mit der Veröffentlichung der Bilder auf avalon-c.de wurde erst in den einschlägigen französischen Internetforen, und dann auch in diversen Medien eine erneute Diskussion losgetreten. Einige Bilder erschienen landesweit in der Presse. Auf Druck von Umweltorganisationen und der Parkverwaltung wurde dann ein Abriss durchgesetzt - sämtliche verbleibenden Teile wurde im Sommer 2002 entfernt.

Die Setam hat seit dem Fiasko in den 90ern ein großes Geheimnis aus der Sache gemacht. Es gab gezielte Fehlinfomationen wie auch schlichte Dementis. Im Endeffekt ist der Gletscher in Millionengrab für die Gesellschaft und der Medienrummel um die Verletung des Nationalparks erscheint der Geschäftsführung verständlicherweise als extrem geschäftsschädigend. Daher ist versucht worden, den Ball flach zu halten. Politisch herscht heute Einigkeit darüber as gegenüber den riesigen Schigebieten, die es heute gibt, der Schutz der Nationalparks als unantastbare Institution oberste Priorität hat. Die Setam hat an einer erneuten Debatte und dem zugehörigen Medienrummel kein Interesse. Auch ist der Gletscher in der heutigen Erschließungs- und Betrienbsphilosophie für die Gesellschft gänzlich uninteressant geworden. Sommerski ist inrentabel und spielt daher für Val Thorens kaum noch eine Rolle. Mit der Demontage ist der Ski auf dem Chavieregletscher endgültig Geschichte, das Kapitel definitif geschlossen. Die Bilder auf avalon-c.de bleiben als Zeugen dieser Epoche.
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trincerone
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Beitrag von trincerone »

Nachtrag: die Karte ist original, da ist nicht manipuliert von irgendwem. Die Abfahrt vom Col de Gébroulaz ist sicherlich eine der schönsten der Alpen gewesen, also das Gelände ist im Winter schon interessant. Die Hänge von Lombarde und Polset vielleicht weniger (landschaftlich alledings der Hammer), aber unterhalb davon (Lacs de Café au lait - super Name, übrigens) und Richtung Pointe de Renod könnte man schon Skifahren. Stillegung ist definitiv politische Sache gewesen - das sieht man schon daran, dass die Setam und manche Angestellten in Val Thorens auch die einzigen sind, die öffetnlich behaupten, es sei NICHT aus umweltpolitischen Gründen geschlossen worden. Fakt ist das, was ich gepostet hab.

Manchmal ärgerts mich schon, dass man sich immer nur aussucht, WO man hinfährt und nie WANN (damit mein ich die Jahreszahl). Val Thorens 1977 - da würd ich glaube dreimal soviel für bezahlen wie in allen Schigebieten heute. Wenn man die 3300 Piste und die Polsetpiste mal gefahren ist, da kommt einem vieles was Val Thorens heute zu bieten glaubt, langweilig vor (mir jedenfalls).
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Beitrag von Emilius3557 »

Willkommen im Alpinforum! Vielen Dank für die detaillierten Informationen! Alles was ich zum Thema weiß, kenne ich egtl von deiner Homepage bzw. deinen postings in frz. Foren. Woher kannst du so exzellent Französisch? Bzw woher rührt dein Interesse an den Sommerskigebieten?
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Beitrag von Gast »

Hi Marius, nett die mal hier zu treffen. Französisch kommt neben den Urlauben witzigerweise tatsächlich durch Skipass.com :) Mein Interesse an den Sommerskigebieten hat mehrere Ursachen: also Lift im allgemeinen interessieren mich sehr und irgendwelche krassen mysteriösen 70er Jahre Projekte schon mal sowieso. Speziell in Val Thorens hab ich mehr sehr über die gezielte Desinformation geärgert und wollte eigentlich nur Wissen, warum der Lift, der in meiner Karte war, bei meinem Besuch 1996 gar nicht existierte. Erst als die SETAM da so ein Geheimnis draus gemacht, fing ich mehr und mehr an mich dafür zu interessieren. Als ich dann anfing zu ahnen, was da wirklich alles abgegangen, entwickelte sich mehr und mehr so eine Art journalistische Abenteuer Lust und das war schon cool da raufzusteigen und im Schnee nach den alten "Artefakten" zu suchen... ich sag's ja: die Wahrheit ist da draußen... ;) Und dann wollte ich natürlich alle anderen informieren und der support war ja riesig. Durch skipass kam Mountain Wilderness und die haben dafür gesorgt, dass die Bilder Frankreich weit erschienen sind. Und dann gabs ja auch jede Menge "skipasseurs", die supported haben: Bill mit alten Luftaufnahmen, Jeffrey, der im Tal wohnt, ist ein paar auf den Col de Thorens gelaufen, um aktuelle Bilder zu machen und hat in dem gemeindearchiv die Karte mit dem 3400 Lift drauf gefunden, riderfou und aurélien waren in den Archiven des Départments... das hat alles so eine Eigendynamik entwickelt, dass es mich zu einem richtigen kleinen Abenteuer wurde - die website ist eigentlich das resumée daraus. Und dass das Gelände dann vom Schrott befreit wurde, ist sicherlich auch eine gute Sache, auch wenn ich ja fand das die verrosteten Ruinen inmitten der absolut unberührten und wahrlich außerordentlich schönen Gletscherlandschaft auch gewissermaßen ein bisschen Symbol menschlicher Vergänglichkeit waren... oder seh ich das jetzt zu philosophisch- künstlerisch?? ;)
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Beitrag von k2k »

^^ Interessante Sache das!
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Beitrag von miki »

Seehr interessante Sache, danke Trincerone! :respekt: vor deinem Wissen! Jetzt wird mir vieles klar, auch mich interessierte die Geschichte mit dem Gletscher immer schon.

Mein Kommentar: :cry: :cry: :cry:

Sorry, aber ich muss es einfach loswerden:
Es gab am Ende landesweite Protestkundgebungen
Ja ja, die Grünspinner sind wohl überall die gleichen: in Sachen einmischen die sie einen Sch*******ck engehen! Wetten das die Hälfte gar nicht wusste wo der Gletscher liegt, 80% noch nie oben waren (egal ob mit Ski oder zu Fuss) und es 90% nicht interessiert wovon Leute in diser strukturschwachen Region leben werden :evil: ? Und am Ende haben sie sogar ihre Forderungen durchgebracht! Warum werden die xx- Gegner von den Regierungen immer wieder erhört? Angenommen einige Hundert Liftfanatiker (ich kenne da einige
:wink: ), Liftangestellte und andere vom - torismus - lebende würden landesweite Veranstaltungen für irgendein Projekt organisieren - wetten das sie nicht den gewünschten Erfolg erzielt hätten ? Und das sie von einigen gründenkenden Jornalisten als 'bezahlte Agenten des Grosskapitals' beschimpft worden wären :evil: .

OK, genug Senf. Das war meine Meinung zum Thema, ihr könnt jetzt eure Meinung dazuschreiben, mich in den Boden stampfen, aber disskutieren will ich es nicht. Ich habe es schon zu oft gemacht und ausser einigen Nervenverschleiss ist nix gescheites rausgekommen. Und das Gletscherskigebiet ist LSAP, egal wie irgendeiner von uns dazu steht.
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