EINE GEGENDARSTELLUNG
von Simon Pascal Aden-Vieira
„Mag sein, dass ich den Sinn dieser Sport(?)art nicht verstanden habe“
Sport ist Mord. Nun wirklich jeder kennt diesen furchtbar abgedroschenen Spruch. Aber reden wir überhaupt von Sport, wenn wir uns über die Formel 1 unterhalten? Für viele all zu oft keine leichte Frage. In Griechenland wird man damals das erste Mal von Sport gesprochen haben – im Rahmen der Olympischen Spiele der Antike, würde man mutmaßen. Was haben all die damaligen Disziplinen, die gemeinhin als Prototypen des Sports gesehen werden können, gemeinsam? Zwei Gemeinsamkeiten sind freilich nicht von der Hand zu weisen. Was mit körperlicher Ertüchtigung einherging und die Möglichkeit eines Vergleiches in Form eines Wettkampfes bot, wurde als Sport deklariert. So ist es noch heute. Demnach handelt es sich bei der Formel 1 also um einen Sport. Die Körperlichen Belastungen sind die brutalsten, die ein Mensch aushalten können muss und vor allem gerade noch so dazu in der Lage ist – Kampfjetpiloten einmal außer acht gelassen. Die Tragen immerhin auch sogenannte G-Suits, da bei den immensen Beschleunigungskräfte ansonsten die Ohnmacht droht. Halten wir fest: Formel-1-Piloten sind Akteure im Bereich des Hochleistungssport, man muss Körperlich absolut fit sein, um den Belastungen bei Beschleunigung, Verzögerung und Kurvenfahrt standhalten zu können. Dass in der Königsklasse ferner ein vehementer Wettkampf herrscht, dürfte jedem klar sein.
Wir wissen also schon einmal, wovon wir überhaupt sprechen. Einem Sport. Deshalb ist es für mich leider nicht nachzuvollziehen, wie man auf der einen Seite sich zu schnellen Autos bekennt, allerdings gleichzeitig die Überzeugung zu teilen scheint, es handele sich bei Motorsport nur um das schnelle befahren einer Rundstrecke. Schnelle Autos sind aber eben genau dafür erbaut worden, damals wie heute.
Ferner lässt sich aus Kirstens Worten herauslesen, die Formel 1 trage nichts zu unserem Leben bei, bereichere es nicht. Zumindest scheint sie selber noch keine Antwort auf diesbezügliche Fragen gefunden zu haben. Dinge sollten aber nicht immer zwangsläufig danach beurteilt werden, welchen Nutzen sie für unser gemeinschaftliches Leben haben. Die wenigsten Dinge auf diesem Planeten können sich mit einem solchen Etikett schmücken. Vielmehr wäre es schön zu sehen, wie hinterfragt wird, welche Bereicherung der Motorsport für einzelne gebracht haben mag. Hätte dieser Sport nie existiert, wären in meinem Leben vielerlei Freundschaften nicht zustande gekommen, Emotionen verbinden eben. Mehr als alles andere. Dann hätte ich nicht all diese emotionalen Momente erlebt, die zu beschreiben mit Worten man nicht in der Lage ist. Wäre ich heute kein solch guter Autofahrer, da ich nicht nur schnelle Autos, sondern auch den Pathos einen Rennfahrer kennen gelernt habe – z.B. wie man an unbekannte Strecken oder schweren Bedingungen hernageht. Es dreht sich alles um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Limit, der Fahrzeugbeherrschung. Wer diesen Pathos erst einmal verstanden und verinnerlicht hat, übernimmt Verantwortung gegenüber dem eigenen und dem Leben der anderen, die auch im Straßenverkehr unterwegs sind. Mein Leben und auch das von Millionen Gleichgesinnten weltweit hat der Motorsport also definitiv bereichert.
Da die Autorin des Kommentar, zu dem ich hier Stellung nehme, selber keine Formel-1-Begeisterte ist, verstehe ich darüber hinaus nicht, weswegen es gegen die Formel 1 spräche, sie zwar sehen, aber darin nicht selber aktiv werden zu können. Aber das ist vielleicht auch gar nicht der Punkt, wie ich denke. Immerhin hinkt der Vergleich, den sie anführt, bei genauer Betrachtung: Es heißt Sie könne Formel 1 gucken, aber nicht fahren. Hingegen sei es möglich in ein Geschäft zu gehen, sich ein Rad zu kaufen und so die Möglichkeit wahrzunehmen, bei der Tour de France mitzumischen. In der Tour de France werden nur leider ähnlich unmenschliche Anstrengungen abverlangt, wie in der Formel 1. Und auch aus finanzieller Sicht hat jeder die theoretische Chance in die Formel 1 zu gehen, denn um in die Formel 1 zu gelangen, braucht es auch nicht zwangsläufig Unmengen an Geld, wie manche immer denken. Mit Talent und einem Quäntchen Glück, dass es ja immer braucht, will man bis in Liga der Profis aufsteigen, schafft man es auch zum siebenfachten Weltmeister – selbst wenn man aus recht bescheidenen Verhältnissen stammt, die Schumachers aufstieg, so wir ihn erlebt haben, nicht hätten finanzieren können, wäre da nicht der Privatinvestor Gerhard Noack gewesen.
Entscheidend ist: jeder kann alles an sich nachmachen, vorausgesetzt er bringt die psychischen, physischen und finanziellen Voraussetzungen mit. Auf welchem Niveau man es dann betreibt, ist selbstredend eine ganz andere Sache.
„Schumis Comeback ist für mich ehrlich gesagt eine der traurigsten Nachrichten des Jahres. Seit seinem damaligen Rückzug aus der Formel 1 war es hierzulande recht ruhig geworden in punkto Motorsport. Viele Autohersteller zogen sich komplett aus der Branche zurück und präsentierten uns Klimabewusstsein und schadstoffärmere Fahrzeuge.“
Einschaltquoten und Ausmaß der Berichterstattung sind zwar kurzzeitig ein wenig zurückgegangen, durch Sebastian Vettel aber z.B. seit fast anderthalb Jahren wieder auf fast ähnlich hohem Niveau wie zu Schumachers Zeiten. Die Behauptung, seit seinem Rückzug hätten sich viele Hersteller zurückgezogen, mag zwar stimmen, allerdings sind unlängst neue dazugekommen und ferner besteht auch kein Zusammenhang zwischen dem Abwandern einiger Hersteller und Schumacher Rückkehr. Vielmehr ist der Ausstieg aus der Königsklasse bedingt durch die jeweilige wirtschaftliche Situation der einzelnen Hersteller. Letztlich hat die Entwicklung umweltfreundlichere Technologien (Serienfahrzeuge) auch nichts mit dem Ausstieg einiger Hersteller zu tun. Diese Forschung läuft schon seit Jahren, nicht erst seit gestern. Die Asiaten sind bekanntlich Vorreiter auf diesem Gebiet. Und zufällig sind die beiden größten Ausstiege die von Honda und Toyota gewesen – asiatische Automobilhersteller. Dass die Asiaten, genauer gesagt Toyota, bereits vor circa zehn Jahren den ersten Entwurf eines Hybrid-Autos umsetzten, wissen die wenigsten. Und das lange bevor der Begriff (anthropogene) Erderwärmung den gegenwärtigen Bekanntheitsgrad erreichte.
„verpulvern jede Menge Sprit und verpesten dadurch sogar noch die Umwelt.“
Und wenn wir schon beim – für die meisten mittlerweile wohl recht leidvollen – Thema Klima sind: Die Formel 1 ist nicht Klimaschädlich, nicht ein bisschen. Ja, tatsächlich. Auch das wissen die allerwenigsten. Das Zauberwort lautet: Klimaneutralität. Tatsächlich, die Formel 1 ist seit 1997 Klimaneutral. Wie das denn bitteschön gehen soll, werden sich jetzt viele fragen. Immerhin werden an einem Rennwochenende Tausende Liter Benzin verbrannt und so nun mal eine Menge Kohlenstoffdioxid imitiert. Vom Transport des tonnenschweren Equipments inkl. Autos ganz zu schweigen. Nun ja, die Emissionen werden ausgeglichen. Die FIA beteiligt sich an einem Projekt namens „Fonfo BioClimatico“, das sich mit Hilfe des Gelds vom Weltmotorsportverbands der Wiederaufforstung und dem Schutz noch bestehender Wälder annimmt. So werden die gesamten Emissionen, die durch die WRC (Rallyeweltmeisterschaft) und Formel 1 direkt bzw. indirekt in die Erdatmosphäre gelangen, ausgeglichen. Damit ist die Formel 1 für Mutter Natur nicht schädlicher als z.B. die Bundesliga oder Golf.
Aber eigentlich ging es im Kern ja um etwas ganz anderes. Ganz genau, Michael Schumacher. Warum sollte der Mann noch einmal in die professionelle Motorsportwelt zurückkehren? Was will er bezwecken? Die Frage ist denkbar einfach. Er bunkert bereits sehr Viel Geld auf seinen Konten, alleine Ferrari hat ihm in seinen Zehn Jahren circa 250 Mio. Euro gezahlt. Und dann sind und waren da ja noch die Werbeeinnahmen. Am lieben Geld wird es also nicht liegen. Das dürfte jedem klar sein, der diesen Mann in den letzten 15 Jahren begleitet hat. Auch Titel spielen eine Statistenrolle. Warum, das will ich über einen kleinen Umweg verdeutlichen: Wer Schumacher kennt, der weiß, dass es ihm um das Fahren geht. Seit seinem fünften Lebensjahr, d.h. seit dem er sich erinnern kann, also seit nunmehr 35 Jahren gab es in seinem Leben nie etwas anderes als den Rennsport. Dass so etwas süchtig macht, darf vermutet werden. Er will also fahren und wenn er fährt, dann will er seine Grenzen ausreizen. Wie sollte es auch anders sein. Doch wie die eigenen Grenzen ausloten? Genau, in dem man sich sagt, man wolle schneller seiner als die anderen, schneller als all die anderen Mitbewerber. Pushen würde man auf neudeutsch dazu sagen. Und wenn das eigene Limit letztlich höher liegt als das der Konkurrenten, dann bedeutet es eben automatisch einen weiteren Titel. Doch warum lassen wir Michael Schumacher nicht selber sprechen? Schumacher reagierte heute Nachmittag auf die Frage, was ihn zur Rückkehr bewogen habe, mit folgenden Worten:
"Ende November bekam ich einen Anruf von Ross, der in mir die Lust weckte, wieder Rennen zu fahren. Das Wissen, dass Mercedes involviert sein würde, war ebenfalls ein Anreiz. Ich war ja nie weg von der Rennstrecke. Dementsprechend müde war ich Ende 2006. Ich hatte keine Energie und keine Motivation mehr. Drei Jahre Pause haben mir aber die Energie zurückgebracht, die ich jetzt spüre. Ich habe mit Motorrädern und Karts rumgespielt und fühle mich jetzt wieder bereit für etwas Ernsthaftes.“ (Quelle:
http://www.motorsport-total.com)
„ich lasse mich gerne mit schlagkräftigen Argumenten von der Notwendigkeit dieses Comebacks überzeugen.“
Wir wissen also, warum er wieder zurückkehren möchte. Aus Spaß an der Freude. Ergo ist eine Rückkehr Notwendig, wenn er sein Bedürfnis befriedigt sehen will. Und alldiejenigen, die immer wieder um seinen Status als Legende bangen und es an seiner Stelle deshalb bei der Rückkehr im Jahre 2006 belassen hätten, denen möchte man sagen: Mit Sieben WM-Titeln, die er in der Vergangenheit gewinnen konnte, kann er heute keinen Spaß haben. Er kann stolz darauf sein, aber keinen Spaß damit haben. Und selbst wenn er nicht mehr an die alten Erfolg anknüpfen können sollte, so bleiben die alten trotzdem erhalten. Und damit auch der Status einer Legende.
An seiner Kondition – Schumacher gilt seit jeher als Fitness-Verrückter – dürfte eine erfolgreiche Rückkehr jedenfalls nicht scheitern. Kirsten behauptet, Schumacher sei „gesundheitlich angeschlagen“, was allerdings nicht (mehr) der Wahrheit entspricht. In einem Interview gegenüber motorsport-total.com gab Schumachers langjähriger Wegbegleiter und Manager Willi Weber gestern zu Protokoll, dass sein Schützling nach den Erkenntnissen aktueller medizinischer Tests wieder vollkommen Gesund ist.
„Ich war felsenfest davon überzeugt, dass Schumi sich nun verantwortungsvollen Aufgaben widmen würde - seiner Vorbildfunktion nachkommen würde.“
Abschließend sollte man sagen: Michael Schumacher war gerade durch den Sport ein Vorbild, so wie es alle erfolgreichen Sportler sind. An ihnen können die Kinder lernen, dass sich Zielstrebigkeit und harter Einsatz, vor allem Leidenschaft, auszahlen. Dass wenn man etwas wirklich will, es auch erreichen kann. Und eben dieser Glaube lässt Potentiale erwachen, die sonst brach lägen.