Kein passender Vergleich: das sind Infrastrukturprojekte, die der Erschließung abgelegener Gebiete, der Verkehrssteuerung und dem Gütertransport gedient haben - nicht touristischem "Vergnügen". Der Bau der Autobahn A73 quer durch den Thüringer Wald oder der A 20 durch die Wakenitz-Niederung zeigt doch gerade, dass auch heute noch für solche Projekte massivste Eingriffe in die Natur zugelassen und finanziert werden.Dachstein hat geschrieben:Mir gefällt die Albulabahn, Berninabahn, Stubaitalbahn, Semmeringbahn und co. ja recht gut. Die Trasse durch Schluchten, wo sonst kein Mensch hinkommt, wenige Straßen. Nur wie hat es denn beim Bau ausgesehen? Dass dort eigentlich ganze Täler im "blinden" Fortschrittsglauben verwüstet wurden, dass dort massivste Eingriffe in eine intakte Natur vorgenommen wurden, dass dort mit nicht gerade gesunden Mitteln gearbeitet wurden, das wird heute bei diesen Meisterleistungen der Ingenieurskunst gerne verschwiegen. Du brauchst dir nur die entsprechenden Bilder in der reichlich vorhandenen Literatur ansehen. Heute würde niemand von der Politik derartige Eingriffe in die Natur zulassen
Das sehe ich sehr ähnlich - aber leider ist das eben nicht die verbreitete bzw. veröffentlichte Ansicht der Touristikmanager oder Seilbahnbesitzer, die nach der Genehmigung der Bahn auf den Piz Val Gronda nun für jedes noch so unsinnige Prestige- oder Zusammenschlussprojekt trommeln und das "rat race", das Illhorn anspricht, wieder aufnehmen wollen. Das Problem ist ja, dass die Ressource "intakte Landschaft" bzw. "wenig beeinträchtigte Landschaft" endlich ist (was auch sein Ausdruck darin gefunden hat, dass neue Skigebiete nicht erschlossen werden dürfen), diese Endlichkeit aber früher oder später mit einer Philosophie des Wachstums kollidiert. Eine langfristige Lösung kann also nur darin bestehen, den Tourismus so zu entwickeln, dass er nicht von einem quantitativen Wachstum (v.a. der Skigebiete) abhängig ist. Das sollte alleine wegen der Bevölkerungsentwicklung in Europa und der voraussichtlichen Energiekosten der nächsten Jahrzehnte eigentlich offensichtlich sein.Dachstein hat geschrieben:Und nachdem viele Gebiete in unseren Alpen nach wie vor unberührt sind, gestehe ich dem modernen Tourismus zu, jene Gebiete, die schon seit langem "versaut" sind, auch weiter zu versauen. Sollen sie die Gebiete weiter planieren, weiter aufrüsten, weiter zubauen. Mir egal. Es wird auch in Zukunft Gebiete geben, wo so etwas nicht möglich sein wird und wo man nach wie vor Berge ohne Seilbahn sehen können wird. Und so lange es deutlich mehr Gebiete gibt, wo das möglich ist, soll man meinetwegen die weiter opfern, die schon geopfert wurden, aber keinen Zentimeter weiter. Daher auch mein Nein zum Pitz Val Gonda und Kalkköglseilbahn. Einzig über sinnvolle Skigebietszusammenschlüsse kann man nachdenken und Diskutieren, sofern sie auch nachweislich Sinn machen. Dafür sind aber dann genau so Ausgleichsflächen in Rechnung zu stellen.
Statt dessen wird die Devise ausgegeben, die Gewinne kurzfristig zu steigern und den Naturschutz zu entmachten (http://derstandard.at/1317018843506/Ste ... tet-werden, http://salzburg.orf.at/news/stories/2503223/ und http://tirol.orf.at/news/stories/2550116/)
Ich würde das Werk Hechenblaikners in folgende Themenkomplexe aufteilen (das macht die Diskussion auch übersichtlicher), die Seilbahnen und skifahren nur teilweise betreffen:
1. Authentizitätsproblem: wer vorne eine Almütte mit Holzbohlen dekoriert und hinten eine klinikähnliche Küchen- und Getränkeinfrastruktur stehen hat, wird - wenn das immer mehr Leute mitbekommen - unglaubwürdig, wenn er mit "authentischen" Erlebnissen und "urigen" Orten wirbt. Die Bezeichnung "Hinterbühne" trifft es hervorragend.
2. Imageproblem: "sportlich, gemütlich, entspannend, familiär, mondän, unberührt" - mit dieser Wortwahl präsentieren sich die Urlaubsdestinationen. Da stören Bilder, zu denen "proletenhaft, exzessiv, industriell, zugebaut" etc. besser passen, ganz gewaltig. Selbst wenn man auf dem Standpunkt steht, dass die Ballermann-Urlauber auch im Winter irgendwo saufen wollen und man ihnen gerne Orte dafür zur Verfügung stellt, hält man die damit einhergehenden Begleiterscheinungen doch lieber unter der Decke.
3. Eventkultur: vielleicht auch weil die Touristen, denen die Berge als solches genug sind, weniger werden oder weil man "Events" als weiteres Wachstumsfeld ansieht, werden die Berge zur Kulisse für mehr oder weniger künstlerische Darstellungen hergenommen und dadurch als "Landschaftsmacht" entwertet. Feuerwerke und Popkonzerte kann man überall veranstalten - warum also ausgerechnet ein eigentlich austauschbares 08/15-Ereignis zum Hauptdarsteller hochjazzen und das einmalige Ereignis, nämlich die lokale Bergwelt, zum Statisten degradieren? Sicher kann man sich streiten, ob Berge eine "Würde" haben, aber der Gedanke an Respekt ihnen gegenüber ist angesichts der Mächtigkeit und der begrenzten menschlichen Mittel zur Beherrschung alpiner Gefahren nicht gerade fernliegend. Dazu passt auch der nächste Punkt:
4. Unterjochen der Natur: eine harte Bezeichnung für "Kulturlandschaft", und ohne Kulturlandschaft ist der heutige Lebensstandard nicht denkbar. Berge waren - Almen ausgenommen - bis vor Kurzem aber nie Kulturlandschaft, sondern unberührte Natur und Wildnis. Die wurde nun mit Aufstiegshilfen für Freizeitvergnügen erschlossen und damit zur Kulturlandschaft - die Geländemodellierung für Pistenautobahnen ist das extremste und mMn abschreckendste Beispiel (das Ergebnis ähnelt einer Skihalle ohne Dach). Hier sägt die Tourismusindustrie am deutlichsten an dem Ast, auf dem sie sitzt, wenn sie für kurzfristiges Wachstum alles macht, was machbar ist.
5. Störung des Ökosystems (aus 4. und 5.): hochalpines Gelände ist durch die klimatischen Bedingungen extrem sensibel und braucht ein mehrfaches länger zur Regeneration bei Schäden. Daher ist es zumindest fragwürdig, wenn Events, für die generell ein immenser logistischer Aufwand betrieben werden muss (wie ein Popkonzert z.B.) oben in den Bergen stattfinden anstatt dort, wo die Infrastruktur für solch eine Veranstaltung bereits vorhanden ist. Bleibt zu hoffen, dass sich solche Aktionen auf die Gebiete und Orte beschränken, in denen sowieso nicht mehr von Naturlandschaft geprochen werden kann, sondern eher von Winterindustrie (siehe http://www.alpinforum.com/forum/viewtop ... 11#p367211)