Bericht Grundkurs Skibergsteigen 25.Februar bis 1. März 2005, Lizumer Hütte/Tuxer Alpen
Anreise: München – Inntalautobahn – Wattens – Lager Walchen (1410 m), 1 ¾ Stunden, die Bergstrecke ist ab Wattenerberg schneebedeckt und durchaus vorsichtig zu befahren, bei uns gings noch ohne Ketten, sehr viele andere Fahrer hatten aber Ketten drauf. Rückfahrt etwa genauso lang, keine besonderen Vorkommnisse
Wetter: bis auf Sonntag (Schneefall, Nebel) durchweg gut, am Dienstag und Freitag vollkommen wolkenlos, am Samstag und Montag einige Wolkenbänke
Schnee: toller Pulver, dicke Unterlage, darauf 10-20 cm lockerer Pulver, am Sonntag sicherlich 10cm Neuschnee. Die Wirtin sagt allerdings, dass letztes Jahr sehr viel mehr Schnee lag.
Temperatur: untertags wenn Sonne und/oder Bewegung gut auszuhalten, nachts und beim Herumstehen schnell sehr kalt an Zehen und Fingern. Tiefsttemperatur: -23°C! Als ich einmal den Fehler gemacht habe, die Lawinenschaufel und die Skier ohne Handschuhe anzufassen, habe ich mir beinahe die Finger abgefroren, hat ganz schön weh getan.
Lawinenlage: Stufe 2, oberhalb von 2000 m Stufe 3. Alle Expositionen gefährlich we-gen der Schwimmschneeschicht, die sich in den schneearmen Monaten Dezember/Januar gebildet hat. Die Paradetour auf die Geierspitze war deshalb nicht machbar, dort gingen auch spontan größere Lawinen ab.
Unterkunft: Lizumer Hütte der OEAV-Sektion Hall auf 2019 m, am Wochenende ziemlich voll, Montag und Dienstag recht leer und wenig los. Abendessen für die Halbpensionsleute viergängig und sehr reichhaltig und durchweg höchst lecker
Was haben wir so gemacht?
Freitag: Aufstieg vom Lager Walchen über die tatsächlich sehr steile Militärstraße (bis zu 33% Steigung!) zur Lizum. Eigentlich nur 600 Hm trotz zieht es sich vor allem im oberen, flacheren Abschnitt gewaltig. Aus irgendeinem Grund haben wir statt der angegebenen 2 Stunden mindestens 3 gebraucht, obwohl die Rucksäcke nicht übertrieben schwer waren. Vorteil Winter, da hat man die meiste Kleidung bereits am Körper. Da leider einige Teilnehmer recht spät angekommen waren, sind wir in die Dunkelheit hineingekommen, was aber nicht weiter schlimm, sondern sogar recht anregend und romantisch war. Die Gefahr während des Aufstiegs waren keine Lawinen, sondern die häufig verkehrenden Militärfahrzeuge sowie das Hüttentaxi, mit dem sich offensichtlich Einheimische wie Touristen zum Abendessen auf die Hütte chauffieren lassen. Kein Wunder bei dem guten Essen.
Samstag: super Wetter, weshalb unser Kursleiter gleich einen Gipfel auf die Tages-ordnung gesetzt hat, die 2663 m hohe Torspitze östlich der Hütte. Auf dem Weg dorthin hat er dann alles mögliche erklärt, vom richtigen Aufsteigen mit den Fellen, über das Abfahren mit offener Bindung und mit Fellen (Rücklage sehr wichtig sonst mit Gesicht voran in den Schnee) über Gefahrenzeichen bzgl Lawinen (Schneefahnen, Windzeichen etc.) bis zur sicheren Spuranlage (merke: Lawinen fließen selten aufwärts und immer in Falllinie). Deshalb hat sich der Aufstieg recht gezogen, normalerweise wären die 680 Hm in gut 2 Stunden gut machbar. Nach einigen flacheren Hangquerungen im Mittelteil, steigt die Torspitze dann über breite Idealhänge mittelsteil weiter an zum etwas felsigeren Gipfelaufbau. Leider haben sich exakt zu unserer Gipfelstunde auch einige Wolken eingefunden, so dass wir die schöne Aussicht nur teilweise genießen konnten und z.B. die Gefrorene Wand und den Olperer nur sehr schemenhaft wahrgenommen haben. Dann Felle runter, Bindung und Schuhe umstellen, warme Handschuhe raus, Anorak anziehen, Rucksack festschnallen und los geht’s mit der Abfahrt, zuerst langsam und vorsichtig durch die Felspassagen, dort war schon sehr viel Schnee durch die zahlreichen Vorgänger weggefahren. Gefahren sind wir immer mit 20 Meter Abstand, Überholverbot, was bei einer heterogenen Gruppe manchmal schwierig wird. Dann kam der Idealhang, jeder hat noch un-verspurte Bereiche gefunden, ideale Tiefschneebedinungen, die ganze Mühe des Aufstiegs lohnen sich. In den Querungen muss mit viel Schmackes gefahren werden um nicht schieben zu müssen, die letzten 150 Hm zum Talboden der Lizum sind dann noch mal mittelsteile Idealhänge in denen es nur so staubt. Wenn auf die Torspitze nur ein ESL oder ein SL führen würde hätten wir nie so tolle Abfahrtsbedin-gungen gehabt. Abends dann noch Theorie und VS-Suche, um im Zweifel einen verschütteten Kameraden wieder aus der Lawine ausgraben zu können. Digitale Geräte erweisen sich den analogen als deutlich überlegen.
Sonntag: Schneefall und Nebel. Wir üben Kartenlesen und Orientierung, gehen nach Marschzahlen und wieder VS-Suche, steigen etwa 150 Hm in Richtung Graue Wand auf, kehren aber wegen schlechter Sicht und unsicherer Lawinensituation wieder um.
Montag: mega kalt, Sonne und Wolken. Aufstieg entlang der schmal präparierten Militärpiste in Richtung Klammjoch (ca. 2400 m). Heute führt die Gruppe, der Ausbilder greift nur korrigierend und beratend ein. Wegen der topographischen Gegebenheiten (viele Gegenhänge, viele Flachstücke) wird die Abfahrt nicht ganz so rauschend wie von der Torspitze, unten am SL wird’s aber steiler und rasanter zu fahren und es gibt genügend unverspurte Passagen durch die lichten Zirbenwälder.
Dienstag: ein Teil der Gruppe lässt das große Gepäck vom Hüttenwirt nach Walchen bringen, ich nehme mein komplettes Gerümpel selbst, will ja schließlich üben mit vollem Rucksack vernünftig abzufahren. Aufstieg bis auf 2200 m wie auf die Torspitze, dann lange Querung und einige Zwischenabfahrten und Aufstiege um lawinengefährdete Hänge zu vermeiden bis wir am Ansatz des großartigen Hangs stehen, der hinauf zum Grat der 2611 m hohen Eiskarspitze zieht. Wir beratschlagen kurz, lassen einige nicht so fitte Mitglieder hier zurück und steigen halbwegs zackig hinauf zum Grat, bis auf 2540 m. Den Gipfel hätte man dann zu Fuß im kombinierten Gelände erreichen können, war aber nicht unser Ziel. Heute und gestern haben wir übrigens neu gespurt, d.h. wir sind nicht einfach irgendwelchen alten Spuren gefolgt sondern haben immer komplett eine Route gesucht und getreten. Nachdem ich einige Zeit im Steilgelände voraus gegangen bin (15-20 cm Pulverschnee) war ich froh, dass den Schlussanstieg zum Grat dann unserer Gruppenführer übernommen hat. Andererseits ein erhebendes Gefühl als erster seine Spuren durch völlig unberührtes Weiß ziehen zu dürfen. Am Grat der Eiskarspitze haben wir eine tolle Aussicht auf den riesigen Kessel der Wattener Lizum und sehen auch die verpassten Ziele wie Geierspitze und Lizumer Reckner. Im Westen dann großartiger Einblick in die Stubaier Al-pen mit Zuckerhütl, Habicht und Ruderhofspitze. Wieder Umrüsten auf Abfahrt und über etwas schwererem Schnee als am Samstag genauso rasant nach unten, man musste in sonnenexponierten Hangpartien mehr umspringen als schwingen, vor allem weil weiter unten ein kleiner Harschdeckel anzutreffen war. Im Mittelteil bis zur Waldgrenze gabs aber auch wieder ideale Pulverpassagen, die mich selbst über mein Fahrkönnen staunen ließen. Manchmal geht’s einfach mühelos. Spannend wurde es dann im Waldbereich, denn dort wars naturgemäß ziemlich zusammengefahren, eng und auch steil. Hier zahlen sich Erfahrungen auf buckligen Variantenab-fahrten oder schwarzen französischen Pisten (= nicht gewalzt), wie der „Droset“ in Les Arcs aus, dann kommt man problemlos und amüsant in den Talboden, wo eine kleine Passage im Schlittschuhschritt bewältigt werden muss, nachdem man die herrlichen Zirbenwälder und eine Almhütte passiert hat. Hier trifft man auch den normalen Skiweg zur Lizumer Hütte und fährt teilweise auf diesem pistenartig eingefahren ab, oft bucklig, teilweise eisig, oft flach, aber dann einfach die Skier laufen lassen. Viel schneller und lustiger als zu Fuß absteigen ist es in jedem Fall.
Fazit: Skibergsteigen ist eine klasse Spielart des Gebirgssports und vereint genau die Elemente die mir Spaß machen: Aufsteigen und Abfahren. Beim Bergsteigen im Sommer nervt mich der Abstieg ja jedes Mal. Dazu kommt die herrliche Umgebung die Einsamkeit, kein lauter Pistenbetrieb, keine Überfüllung, keine Anfänger, die einem vors Rohr laufen, keine Schlangen, keine langweiligen Autobahnen. Viele der anderen Kursteilnehmer antworteten auf die Frage hin, weshalb sie gerne Touren gehen (würden): Pisten zu voll, da Lifte zu viel raufschaufeln; viele Fahrer mit Carvern sau schnell, aber unkontrolliert und gefährlich; Pistenautobahnen auf Dauer zu langweilig; teure Liftkarten (wobei die Tourenausrüstung auch gut teuer ist, bis man alles mal hat)
Als Tourengeher müssen wir dem Bundesheer dankbar sein, dass es die Wattener Lizum vor einer Erschließung à la Hochfügen bewahrt hat. Ich will andererseits auch nicht verschweigen, dass der Liftfan und Pistenplaner in mir sich nicht im Geiste eine toll gelegene, hochalpine Skistation Wattener Lizum 2000 vorgestellt hat, mit allein drei langen KSBs auf den Osthängen vom Klammjoch bis zum Mölser Berg mit easy blauen Hängen und einer langen, rassigen nordseitigen Waldschneisenabfahrt nach Walchen über 1000 Hm. Träumen ist ja nicht verboten, ist finde es so, wie es ist, sehr schön. Viele tolle Lift-Pisten-Skigebiete haben wir ja bereits, und die Lizum wird wohl mit Recht als Skitourenparadies bezeichnet. Auf einen Besuch im Sommer freue ich mich auch schon, vielleicht auf der Route Innsbruck-Glungezer-Lizum-Tuxer Joch.
Grundkurs Skibergsteigen Lizumer Hütte, 25.2.-1.3. 2005
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Dienstag, 1.3.2005: Aufstieg zum Eiskarspitz-Südrücken, 2540 m und Abfahrt zum Lager Walchen, 1410 m
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