Abbau der Degenfelder Bergbahn wäre jammerschade
verfasst von Redaktion am Mittwoch, 11. Februar 2004, 09:32 Uhr (340 Aufrufe)
Der Förderverein für die Rettung beziehungsweise Reaktivierung der Degenfelder Sesselbahn (historisches Foto) soll gleich nach dem Fasching Anfang März gegründet werden. Dies kündigte gestern im Gespräch mit der Rems-Zeitung Bürgermeister Joachim Bläse an.
Wie berichtet, hatte der Degenfelder Ortschaftsrat in seiner jüngsten Sitzung im Beisein von Touristikbürgermeister Joachim Bläse beschlossen, die seit gut zwei Jahren still gelegte Sesselbahn aufs Kalte Feld nicht ihrem Schicksal zu überlassen.
Die Anlage befindet sich im Besitz der Vereinigten Skizunft (VSZ). Deren Vorsitzender, Ulrich Schoell machte anhand von Zahlenmaterial deutlich, dass der Verein sich nicht mehr in der Lage sei, den 35 Jahre alten Sessellift allein durch eigene Kräfte zu retten. Denn die Anlage muss umfassend saniert und modernisiert werden. Mindestens 200 000 Euro werden benötigt, um Tragseil, Rollen und auch die Sessel zu erneuern, ehe der TÜV wieder grünes Licht für die Bergbahn geben kann. Die Wartungs- und Betriebskosten hielten sich allerding in den letzten Jahren einigermaßen die Waage mit den erzielten Einnahmen. Schoell beschrieb, dass die Einnahmeseite im jeweiligen Betriebsjahr natürlich ganz eng damit verknüpft ist, ob's ein guter oder schlechter Winter war.
Voller Emotionen
Trotz der anfänglichen Skepsis war die Sitzung der Degenfelder Räte unter starker Anteilnahme der Bevölkerung jedoch auch voller Emotionen. Auch Ulrich Schoell verdeutlichte sein ganz persönliches Bestreben, die Sesselbahn nicht einfach einem Schrotthändler zu übergeben. "Es geht schließlich um das Herzstück unserer Geschichte", so hat der VSZ-Chef bereits in einem Rundschreiben an die Vereinsmitglieder deutlich gemacht.
Für Degenfeld ist die Sesselbahn, das wurde in der Ortschaftsratssitzung auch bewusst, auch ein wichtiger Faktor der Tourismus- und Wirtschaftsförderung. Es handelt sich um die einzige Anlage dieser Art auf der gesamten Schwäbischen Alb. "Wir müssen die Begeisterung für den Erhalt in die gesamte Bevölkerung rüberbringen", spornte Orstvorsteherin Feuerle den Ortschaftsrat und die Zuhörer an.
Erste Spendenzusagen
"Eine Chance, um die es sich lohnt, zu kämpfen", so freute sich auch Bürgermeister Joachim Bläse über seinen Eindruck, wonach die Degenfelder nun gewillt sind, die Sache in die Hand zu nehmen. Er werde mit Rat und Tat die Initiative unterstützen, obwohl der Vertreter der Stadtverwaltung in der Sitzung auch unmissverständlich klar machte, dass die finanzielle Situation der Stadtkasse so schlecht sei, dass von ihr kaum etwas für die Reaktivierung des Sessellift zu erwarten sei. Er hoffe jedoch gleichfalls auf Sponsorenbereitschaft, denn bei der Sesselbahn handle es sich um ein Stück Gmünder Heimat. Erste Spendenzusagen liegen bereits vor.
Die Sesselbahn wurde vor 35 Jahren erbaut, wobei viele Skifans aus dem Raum Gmünd freiwillige Arbeitsstunden leisteten. Gegen ein Vesper und eine Freikarte schufen sie seinerzeit mit bürgerschaftlichem Engagement eine Einrichtung, die man bis dahin nur aus den Alpen oder aus dem Schwarzwald kannte. In den damals noch schneereichen Wintern zauberten die Helfer unter dem Dach der VSZ alpines Gefühl direkt vor die Haustüre der Degenfelder und Gmünder. Der ganze Altkreis Schwäbisch Gmünd war stolz auf diese Einrichtung.
Es hat sich einiges verändert
Zwischenzeitlich sind die Winter nicht nur deutlich milder geworden, sondern die heimischen Wintersportfans sausen an Degenfeld meist vorbei - und dann über die Autobahn in knapp zwei Stunden ins Allgäu.
In der Beratung im Ortschaftsrat wurde allerding auch deutlich, dass man durch neue Trends bei Urlaubern und Ausflüglern durchaus Chancen für eine wirtschaftlichen Betrieb der Sesselbahn erarbeiten könnte. Bürgermeister Bläse will besonders auch auf Landrat Klaus Pavel, seines Zeichens Vorsitzender des Tourismusverbands Schwäbische Alb, aufs Sessellift holen. Denn die gesamte Touristikregion müsste eigentlich Interesse am Erhalt der einmaligen "Alb-Bahn" haben.
Heino Schütte, Rems-Zeitung
KOMMENTAR
Die Alb-Bahn
VON HEINO SCHÜTTE
Einmal verschrottet, kommt die Degenfelder Sesselbahn nie wieder. Denn die Anlage inmitten desherrlichen Naturschutz- und Wandergebiets Hornberg-Kaltes Feld-Kreuzberg genießt noch Bestandsschutz. Der drohende Abbau der Bergbahn erinnert durchaus an das Schicksal zunächst still gelegter Eisenbahnstrecken überall im Land: Jahre nach der Verschrottung der Dampflokomotiven und Gleise wenden Freundeskreise und Fördervereine riesengroße Investitionen und Arbeitsleistungen auf, um solche Bahnen wieder flott zu machen. Und siehe da: Überall entpuppen sich solche Einrichtungen als Urlaubs- oder zumindest Ausflugsmagnete. Die Sesselbahn von Degenfeld hatte sich in 35 Jahren ihres Bestehens zu einem fast schon organischen Bestandteil von Ortschaft und der Landschaft entwickelt. Friedlich schwebten Ausflügler und Wanderer über Wacholderheide und Schafherden hinweg. Nicht nur für Kinder war die "erste Fahrt in Degenfeld" einst das gleiche Gefühl wie die erste Reise mit dem Flugzeug. Man hatte sich vielleicht schon zu sehr an die Sesselbahn gewöhnt, sie gar nicht mehr richtig wahrgenommen. Doch schon jetzt tauchen erste Emotionen auf: "Ach, wär' ich doch noch mal Sesselbahn gefahren!". Oder: "Hab gar nicht gewusst, dass es so was in Gmünd überhaupt mal gab!" Genau darin liegt die Chance einer Vermarktung, eines neuen Aufschwungs der Sesselbahn - und für Degenfeld: Die "Alb-Bahn", der einzige Sessellift auf der ganzen Schwäbischen Alb. Dazu die Besonderheit des Landschaftserlebnisses eines zauberhaften Berges, der höchsten Erhebung des Ostalbkreises, von der man bei klarer Sicht sogar bis zu den Alpen schauen kann. Dann und wann ertappt man sich als Gmünder halt immer wieder in der Einsicht, dass man "betriebsblind" ist; bezogen aufs Kalte Feld und die Sesselbahn: Wir haben ein Allgäu doch direkt vor unserer Haustüre. Die Degenfelder Sesselbahn ist es wert, gerettet zu werden.
Quelle:
http://www.gmuenderwoche.de/Article2080.htm