Nach meinem Aufenthalt in Val di Sole hat sich die Gelegenheit ergeben, zusammen mit einem Partner die 3480 m hohe Hochwilde zu besteigen. Die Hochwilde ist ein Berg direkt am Alpenhauptkamm in den Ötztaler Alpen an der Grenze zwischen Nord- und Südtirol. Die Nordtiroler Seite ist verhältnismäßig stark vergletschert, wobei die Gletscher mit langen Zungen ins hintere Gurgler Tal abfließen (Langtaler Ferner und Gurgler Ferner). Von Südtirol aus gesehen erscheint die Hochwilde als mächtiger Berg aus Fels mit nur einzelnen kleinen Firnfeldern in bestimmten Mulden und Rinnen. Das gilt insbesondere für die Ostseite des Bergs, die man vom Hinteren Passeiertal und besonders gut von Pfelders aus erkennen kann. Der Ort Pfelders war der Ausgangspunkt unserer Tour.
Von Pfelders benötigt man im normalen Bergwandertempo mindestens 6 Stunden Aufstieg. Es bietet sich an, die Tour als Zweitagestour mit Übernachtung auf der Stettiner Hütte in der Nähe des Eisjöchls (2895 m) durchzuführen. Das Eisjöchl stellt einen Übergang vom Pfelderer Tal ins Pfossental dar und ist gleichzeitig die einzige Verbindung zwischen dem Ötztaler Hauptkamm und der Südtiroler Texelgruppe. Außerdem ist das Eisjöchl höchster Punkt auf dem berühmten Meraner Höhenweg, der die Texelgruppe umrundet. Die Stettiner Hütte ist sowohl von Pfelders als auch vom Pfossental auf einen gut ausgebauten Weg (ein ehemaliger Militärweg) in etwa 4 Stunden erreichbar. Unsere Tour begann am Mittag des 05.09.2013 in Pfelders. Am späten Nachmittag kamen wir bei der Hütte an, so dass auch noch ein Abstecher zum Eisjöchl (eine viertel Stunde hin und zurück) vor dem Abendessen drin war.
Am nächsten Morgen ging es dann weiter Richtung Hochwilde. Der Weg von der Hütte zur Hochwilde verläuft inzwischen anders als in der Führerliteratur beschrieben. Steinschlaggefahr durch auftauenden Permafrost hat eine Umleitung des Weges ab einer Höhe von knapp über 3100 m notwendig gemacht. Der in der Führerliteratur beschriebene Hans-Grützmacher-Weg würde zunächst weiter nach Norden zu einem Sattel führen, an dem man auf den obersten Teil des Langtaler Ferners trifft. Anschließend gelangt man von Osten auf dem Gipfel. Der inzwischen neu errichtete Weg führt dagegen ab dieser Stelle zunächst nach Osten, um dann in der Nähe des Südgrats zum Gipfel zu führen. Der weiter unten gezeigte Kartenausschnitt veranschaulicht die Situation sehr gut.
Am späten Vormittag waren wir dann auf dem Gipfel, mittags an der Hütte und abends wieder Pfelders, wobei der Abstiegsweg und der Aufstiegsweg bis auf einer kleinen Variante im Talboden identisch war.
Noch ein paar Worte zur Schwierigkeit der Tour:
Die Hochwilde ist wesentlich anspruchsvoller als z.B. der Monte Vioz und viele andere sogenannte Wanderdreitausender (Es versteht sich von selbst, dass ich mich auf die jeweiligen Normalwege auf den Gipfel beziehe). Zwar gehen die Schwierigkeiten im Fels nach meiner Laieneinschätzung nicht über Schwierigkeitsgrat I hinaus und es sind an mehreren Stellen Sicherungsseile (an einer Stelle sogar Stifte als Tritte) vorhanden, allerdings muss man Wegsabschnitte, die ausgesetzt und anspruchsvoller als normales Gehgelände sind, in einem weitaus größerem Ausmaß als bei anderen Bergwanderungen ins Hochgebirge bewältigen. Das macht die Hochwilde ungeeignet als „Einstiegsdreitausender“ und weniger geeignet für Solobegehungen. Ob die Schwierigkeiten bei einer Hochwildebesteigung durch die Wegumleitung angewachsen ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen.
Wer ohne oder mit nur geringer Erfahrung mal deutlich über 3000 m hinauswill, für den gibt es zahlreiche bessere Ziele. (Ich schreibe das deswegen so deutlich, weil in der Führerliteratur, insbesondere in Dieter Seiberts „Leichte Dreitausender“ oft ein etwas anderer Eindruck erwähnt wird
zu den Bildern:
Im oberen Teil des Hüttenzustiegs hat man einen schönen Blick auf den höchsten Berg der Zillertaler Alpen, den Hochfeiler (3510 m, Richtung Nord-Ost)
Auch den Olperer kann man erkennen
Schutt prägt das Landschaftsbild in den Regionen oberhalb 2700 Metern
In Hüttennähe befindet sich ein kleiner See
Stettiner Hütte
Der inzwischen gesperrte alte Weg führt zu dem firnbedeckten Sattel, der unterhalb der Bildmitte zu erkennen ist. Das Bild zeigt auch gut die Wettersituation: Eine Föhnmauer mit dichten Wolken im Süden und besserem Wetter im Norden.
Eine typische Wegstelle im oberen Teil des Anstiegs
Kurz vor dem Gipfel treffen alter und neuer Weg wieder an dieser Stelle zusammen. Der alte Weg kommt von vorne, der neue von rechts
Blick auf Gletscher und Gipfel nördlich des Ötztaler Hauptkamms. Wolken schränken die Sicht etwas ein. In der Gegenrichtung nach Süden sind dagegen ausschließlich Wolken zu sehen. Der große Gletscher im Bild ist der Gurgler Ferner
Langtaler Ferner und rechts oberhalb der langen Zunge dieses Gletschers der Mittlere Seelenkogel (3424 m)
Weißseespitze (3518 m) mit einem Teil des Gepatschferners.
Wolkenmeer im Osten
Wolkenmeer im Süden. Noch einigermaßen gut zu erkennen ist die Hohe Weiße (3278 m, Gipfel der Texelgruppe)
Fluchtkogel (3500 m) und Hochvernagtspitze (3535 m)
Ein sehr gut aussehendes Fußballtrikot vor dem Gipfelkreuz der Hochwilde
Blick Richtung Norden. Dummerweise versperrt der Nordgipfel der Hochwilde (30 Meter niedriger als der Hauptgipfel) teilweise die Sicht.
Die ersten Meter des Abstieges
ca 100 Höhenmeter unter dem Gipfel
Weggabelung auf gut 3100 Metern Höhe: Der alte und inzwischen gesperrte Weg würde geradeaus weiter führen. Der neue Weg biegt nach links ab.
Blick von der Stettiner Hütte zum Eisjöchl
Blick vom Abstiegsweg Richtung Pfelders
Disteln am Wegesrand
Der Hüttenzustieg ist sehr serpentinenreich
Hochwilde aus dem hinteren Pfelderer Tal
Hochwilde von Pfelders bei besseren Wetter (Aufnahme von Anfang September 2009)
Fazit:
Die Besteigung der Hochwilde von Süden ist eine sehr lohnende Bergunternehmung, deren Anspruchsniveau im Grenzbereich zwischen einer Bergwanderung und einer Hochtour anzusiedeln ist.