Vorbereitung
Seit längerem beobachte ich die Entwicklung und die Zukunftsaussichten von La Grave mit Interesse und etwas Sorge aus der Ferne. Bereits 2008 und 2011 war ich in La Grave gewesen und bin von dieser Lokation begeistert. Bekanntlich sind die Zukunftsaussichten ungewiss. Konzession und Pachtvertrag für die Bahn laufen aus, und es ist nicht klar, ob und wie es weiter geht. Interessenten für den künftigen Bahnbetrieb sind vor allem finanzstarke Unternehmen aus der Tourismusbranche. Diese würden den Betrieb sicherlich versuchen fortzusetzen, es ist aber nicht klar, mit welchen Schwerpunkten.
Grund für mich, die derzeitige Situation nochmals auszukosten. Vor allem war mir aber daran gelegen, die beiden ältesten meiner skibegeisterten Kinder dieses hochalpine Highlight einmal im derzeitigen Zustand erleben zu lassen, weil ich nicht weiss, ob sie später noch einmal die Gelegenheit dazu hätten. Also hatten wir uns seit Beginn der Saison in den Kopf gesetzt, La Grave im Laufe dieser Saison zu bereisen. Schulbedingt kamen nur zwei Zeitfenster infrage: die erste Januar-Woche oder das verlängerte Fastnachts-Wochenende. Aufgrund der katastrophalen Schneelage verspürten wir im Januar keine Lust zu einem solchen Trip. Wir hofften daher für Fastnacht innig auf folgende Situation: Eine nicht zu üppige (aber ausreichende) Schneelage, kein Schneefall mindestens 7 Tage vor der Anreise sowie eine gute Wetterprognose für die Dauer unseres Aufenthaltes. Zu viel und zu neuen Schnee konnten wir definitiv nicht gebrauchen, weil wir keine erfahrenen Lawinenkundler sind und in La Grave kein Risiko eingehen wollten. Am Wochenende vor besagtem Fastnachts-WE deutete sich dann an, dass genau diese "Ideal-Konstellation" eintreten könnte. Am 10. Februar hatte es nochmals ordentlich geschneit, und zumindest bis Rosenmontag sollte die seidem herrschende Schönwetterlage andauern, von einer kleinen Störung am Tag vor der geplanten Anreise abgesehen.
So schickte ich per E-Mail parallele Anfragen an die Hotels in La Grave und im Nachbardorf Villar-d'Arène. Neben einigen Absagen erhielt ich auch zwei Zusagen. Entgegen der "Belegt-Anzeige" im Buchungs-Portal des Hotels Castillan in La Grave bekam ich auch von dort eine Zusage, wenige Minuten später gefolgt von der Ergänzung, dass für die erste Nacht (Sa auf So) nur noch ein einziges Zimmer frei sei. 2008 hatte ich im Castillan sehr gute Erfahrungen gemacht, 2011 weniger gute. Bei diesem letzten Besuch waren die Essensportionen so klein, dass davon kein erwachsener Mensch satt werden konnte, und Sauberkeit sowie Zustand des Zimmers liessen zu wünschen übrig. Aufgrund der exzellenten Lage zentral im Dorf und direkt an der Seilbahn ging ich nach Beratung mit meinen beiden "Begleitern" trotzdem das "Risiko" ein und buchte ungeachtet des deutlich höheren Preises und der gemachten Erfahrungen im Castillan. Um es vorweg zu nehmen: Eine gute Entscheidung! Das Essen war exzellent, von der Portionsgröße ausreichend und recht günstig (haben à la carte gegessen). Das Zimmer war tadellos sauber, und das Personal ausgesprochen freudlich. Meine Kinder waren begeistert von diesem Hotel.
Stichwort Kinder:
Wie geschildert war der Hauptzweck der Reise, La Grave und sein Skigebiet den Kindern zu zeigen und dabei "herauszuhören" wie diese den Aufenthalt in einem Skigebiet und Skidorf der doch "etwas anderen Sorte" empfinden. Dieser Zweck wird vermutlich auch in meinem Bericht immer wieder durchschimmern, weil ich das ganze selbst ja schon länger kenne und jetzt bewusst versuche, die Eindrücke durch die "Brille" (sind keine Brillenträger) meiner Kinder zu betrachten.
Anreise
Am Samstag, 25.2.2017 ging es also in der Früh los. Wir haben beschlossen, die Autofahrt mit ein paar Stunden Skifahren aufzulockern. Praktisch gelegen dafür ist das Skigebiet Monts Jura oberhalb des Genfer Sees. Also fuhren wir hinter Nyon von der Autobahn ab und passierten die Grenze nach Frankreich.
^^ Divonne-les-Bains, französisches Städtchen am Fuss des Jura
^^ wirkt schon frühlingshaft
Um 10.30 kamen wir in Crozet auf dem Parkplatz der 12EUB an. In freudiger Erwartung ging's nach oben.
^^ grandioser Ausblick aus den Höhenlagen des Skigebiets Monts Jura: der Mont Blanc dominiert die Szenerie, unten der Jet d'Eau (Wasserfontäne im Lacus Lemanus)
Ein Bericht vom Skifahren in diesem Jura-Skigebiet folgt separat bei Gelegenheit.
Um 15.00 Uhr waren wir soweit "durch" mit Skifahren. An der Talstation gab es noch leckere Crêpes, die vom örtlichen Skiclub zubereitet wurden, und um 15.15 Uhr sassen wir wieder in unserem Vehikel.
Für die Rückfahrt zur Autobahn wählten wir entgegen der Navi-Empfehlung die Strasse, die mitten durch das Betriebsgelände des CERN führt (CERN = centre européenne pour la recherche nucléaire). Meine Tochter wollte diese Location schon seit längerem mal sehen (wobei es von der Strasse aus ncht viel zu sehen gibt), und mich interessiert das Beschleuniger-Thema grundsätzlich auch, weil ich beruflich mit dem zweiten grossen europäischen Beschleunigerprojekt zu tun habe, dem FAIR-Projekt in Wixhausen.
^^ links und rechts CERN; noch sind wir in Frankreich, die Staatsgrenze geht mitten durch das Betriebsgelände
^^ Empfangsgebäude CERN
^^ Globus der Wissenschaft und Innovation - hier bereits Schweiz
Weiter geht's an Grenoble vorbei und dann durch das enge, dunkle Tal der Romanche, das sehr abweisend und lebensfeindlich wirkt. Das überträgt sich (bei mir) aufs Gemüt und wirkt wohl auch insgesamt abweisend. Die Dörfchen, die man durchfährt, wirken teilweise verlassen bis verfallen. Etwas mehr "Leben" verspürt man um Bourg d-Oisans. Endlich kündigt irgendwann der Barrage du Chambon an, dass man sich dem Ziel nähert.
^^ Der Lac du Chambon - der sinkende Wasserspiegel hat Eis auf dem Ufer zurückgelassen.
Um 18.15 erreichen wir La Grave. Hier tut sich eine andere Welt auf! Plötzlich weitet und lichtet sich das unwirtlich steile Tal, und das Dorf strahlt eine Freundlichkeit aus, die vorher so im ganzen Tal nicht zu spüren war. Nach dem Einchecken machen wir erst mal eine Rundgang durch das Dorf La Grave (offiziell La Grave La Meije).
Das Dorf
In Anbetracht der anstehenden, aber ungewissen Neuerungen waren uns die Eindrücke vom Dorf ähnlich wichtig wie die vom Skigebiet.
Rundgang in der Abenddämmerung:
^^ gepflegte Häuser, hübscher Baustil mit viel Naturstein
^^ angenehme Atmosphäre
^^ steile, enge Gässchen zwischen Hauptstrasse und dem alten Ortskern; hier lag teilweise Eis, und das Gehen war gefährlich; an manchen Häusern befinden sich Seile, an denen man sich festhalten kann; die Kinder sind begeistert!
^^ enge Gässchen mit Holzschwellen
^^ charakteristische Kirche aus Naturstein; sogar die Kirchturmspitze ist gemauert
^^ zurück beim Hotel; hier werden wir die nächsten drei Nächte verbringen
Dieser erste Rundgang liefert bereits einen bleibenden Eindruck. Immer wieder mal ist zu lesen, La Grave sei eine der ärmsten Kommunen Frankreichs. Der Eindruck vor Ort zeichnet ein völlig anderes Bild. Im Gegensatz zu all den Dörfern, die man bei der Anfahrt passiert hat, ist La Grave in keiner Weise heruntergekommen. Im Gegenteil: Die Häuser sind in einwandfreiem Zustand, teilweise sogar "herausgeputzt". Im Dorf gibt es viele Läden, Gaststätten und Herbergen. Alles scheint voll in Betrieb und gepflegt. Es scheint auch deutlich so, dass der Ski- und Alpinismusbetrieb ein Motor dieser positiven Betriebsamkeit ist, die das Dorf vermittelt.
Bevor wir zum Skigebiet kommen, bleiben wir noch beim Thema "Dorf" mit den Bildern des zweiten "Rundgangs" am folgenden Nachmittag nach dem Skifahren:
Sehr schön, gerade bei frühlingshafter Witterung, sind die Strassencafés vor manchen Betrieben an der Hauptstrasse, so auch vor dem Castillan.
^^ Wir haben gerade die Ski zum Trocknen in den Skiständer unseres Hotels gestellt - im Strassencafé herrscht nette Betriebsamkeit.
Das herausragende Merkmal des Dorfes ist jedoch das grandiose Panorama. Das Tal bleibt steil, weitet sich aber gerade so weit, dass es die grandiosen Felshänge samt Gletscherbrüchen bis zum Gipfel der fast 4000 m hohen Meije für einen nahezu einmaligen Blick frei gibt. Auf kürzester Distanz blickt man hier mehr als 2500 m nach oben, ohne dass man das Gefühl hat "erdrückt" zu werden. Das "Halbrund" aus Gipfel, Fels und Gletscher ist beeindruckend und als Dorfpanorama nahezu unerreicht. Von den mir bekannten Dörfern kann hier einzig Saas Fee mithalten, wobei dort die Dorfszenerie selbst La Grave nicht das Wasser reichen kann.
^^ traumhaftes Dorfpanorama in Richtung Südosten
^^ hübsches Haus mit Strassencafé
^^ komplettes Meije-Panorama, nahezu unerreicht in den Alpen
^^ ansprechender Baustil und gepflegt
^^ Hauptstrasse mit ansprechendem Gesamt-Ensemble; auch wenn der Putz südeuropa-typisch nicht immer makellos ist - die Fenster sind ganz neu
^^ immer wieder Natursteinwände und Holzbalkone
^^ das Herz der Betriebsamkeit in La Grave und definitiv das wichtigste Haus: klein, aber hier findet man nahezu alles - Lebensmittel, frische Wurst und Käse sowie alles Mögliche, was man zum Leben braucht; man vermisst definitiv kein "Centre Commercial"
^^ rechts die Fromagerie, links eine der zahlreichen Honig-Verkaufsstellen; Honig ist in dieser Gegend omnipräsent: überall Verkauf und viele Bienenstöcke - sogar unter Seilbahnstationen
^^ Crêperie/Pizzeria mit Strassencafé - hier haben wir am zweiten Abend die leckerste Pizza unseres Lebens gegessen
^^ Die Auberge Edelweiss - in schwedisch-niederländischer Hand - haben leider nicht auf meine E-Mail-Anfrage reagiert, ausser einer automatischen Sofort-Antwort, dass sie gerade selbst beim Skifahren seien und später antworten würden
^^ Kirchplatz und Traumpanorama; man sieht die Seilbahntrasse bis zur Station 2400
^^ man kann sich kaum satt sehen an der gewaltigen Meije und ihren Hängegletschern
^^ Seilbahntrasse in den letzten Sonnenstrahlen vom Hotel aus
^^ Blick aus dem Hotel nach Westen; die kleinen Häuschen hinten bilden eine Appartement-Hotelanlage, die ganz dezent und im üblichen Baustil errichtet wurde, so dass sie kaum als "touristischer Fremdkörper" wahrnehmbar ist
^^ auch charakteristisch für La Grave: die Eis-Wasserfälle im Waldbereich rechts der Seilbahntrasse
Jetzt wieder zurück zum Morgen dieses Sonntags:
^^ morgendlicher Blick aus unserem Hotelzimmer auf Seilbahntrasse und Meije
^^ ebenfalls aus dem Hotelfenster: Das Objekt der Begierde! Die von Creissels konzipierte Gruppen-Umlaufbahn von PHB
Fazit Dorf:
Grosses Kino! Das Dorf macht einen so angenehmen Eindruck und hat sich in positiver Form der üblichen, bedenklichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte widersetzt, ohne dabei "abgehängt" zu wirken. Hier gibt es weder eine sichtbare Entvölkerung, noch Verfall, kein Ausbluten des Zentrums zugunsten eines Centre Commercial am Ortsrand, wie es andernorts in Frankreich schon seit Ewigkeiten stattfindet und inzwischen auch im deutschsprachigen Raum. Wie wohltuend wirken die behutsam und im angestammten Baustil entwickelten touristischen Betriebe (Hotels und Restaurants) im Gegensatz zu andernorts üblichen Erscheinungsformen wie brachialen Bettenburgen (Frankreich), synthetischen Stationen oder die in Tirol/Salzburg wuchernden kitschigen "Türmchenpalaste".
Nicht umsonst hat La Grave eine Auszeichnung, die sie zu den schönsten Dörfern Frankeichs zählt. Auch meine beiden mitgereisten Kinder sind komplett begeistert und konnten sich kaum einen ansprechenderen Urlaubsort vorstellen.
Auch unser Hotel Castillan hat vollauf überzeugt. Das Abendessen war extrem gut und wirklich preisgünstig. Ein normales Abendessen - meist mit regionalem Bezug - kostet zwischen 9,-- und 15,-- €. Die 3-4-Gänge-Menüs 16,-- bzw. 21,-- €. Da kann man nicht meckern. Das Frühstück ist in Ordnung, nur irritieren kulturtypische Eigenheiten: Unsereins kann es nicht verstehen, wenn er nach dem Abendessen eine riesige Auswahl feinster frischer Käsestücke serviert bekommt und dann morgens zum Frühstück nur eingeschweisste Fabrik-Käsestücke vorfindet. Aber das sind kulturbedingte regionale Eigenheiten, die nicht per se problematisch sind. Das Zimmer war gut und sauber, das Personal sehr freundlich und die Lage perfekt.
Was man zur Situation La Graves allerdings einräumen muss: Man scheint doch unter der Wochenend-Fokussierung zu leiden. Unser Hotel und sein Restaurant waren Samstag/Sonntag sehr gut besucht, bzw. nahezu voll. Montag/Dienstag war die Frequentierung nur dürftig. Bezeichnenderweise hat das zweitgrösste Hotel im Dorf in dieser Wintersaison jeweils nur Freitag-Sonntag geöffnet und unter der Woche zu. Das zeigt (aber fast schon erwartungsgemäß), dass der uneingeschränkt positive Eindruck hinter den Kulissen nicht völlig ungetrübt ist. Dennoch: Das Dorf lebt und funktioniert.
Das Skigebiet
Kommen wir zum Wesentlichen: Sonntag früh ist es soweit: Um kurz vor 9.00 Uhr kaufen wir die Tageskarten, um kurze Zeit später in einem der ersten Gondelzüge zu sitzen, die der Station 2400 mit 6,5 m/s entgegenstreben. 49,-- € für die Tageskarte (die Kinder zahlten 36,--) - das ist deutlich teurer als vor einigen Jahren und bezogen auf die Zahl an Aufstiegshilfen (3 Stück) wohl konkurrenzlos teuer in den Alpen. Andererseits: Bezogen auf die pro Skifahrer verfügbare Pisten-/Hangfläche dürfte es konkurrenzlos billig sein. Wir wissen auch, dass die Kosten des Bahnbetriebs mit diesen Preisen nur mühsam zu decken sind und meckern nicht.
Auf den Pistenplänen fällt ein kleiner aber feiner Unterschied zu früher auf: "2500 mètres de dénivelé" hiess es noch vor wenigen Jahren. Heute schreibt man den leicht modifizierten Slogan "2500 mètres de différence". Die kleine wortspielartige Abänderung sagt durchaus etwas über das Selbstverständnis aus. Hatte man seine Stärke früher in erster Linie über die gewaltige Höhendifferenz definiert, hebt man heute explizit auf einen Wettbewerbsvorteil ab, der über die Höhendifferenz hinaus geht: "différence" = man ist anders! (als andere)
So sehr mir solche Werbesprüche normalerweise "gegen den Strich" gehen: Im neuen Slogan steckt eine wichtige Botschaft, die man auch komplett nachvollziehen kann.
Was zum "anders sein passt": An der Talstation ist uns aufgefallen, dass fast alle Skigäste einen Klettergurt tragen. Das irritiert mich. Ich bin überzeugt, dass nur ein Bruchteil dieser Gäste die (durchaus vorhandenen) Möglichkeiten sucht, sich über extreme Felsabbrüche abzuseilen. Es scheint vielmehr so zu sein, dass es hier im alpinistisch geprägten La Grave zum "guten Ton" gehört, mit einem Klettergurt ausgestattet zu sein. Und was mich im Nachhinein noch mehr irritiert hat: Beim Betrachten der Bilder aus 2008 ist mir aufgefallen, dass ich damals selbst einen Klettergurt trug. Keine Ahnung, was mich damals "geritten" hat. Wir haben aber auch schnell gelernt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt "anders" zu sein. Die Mitfahrer in der 6er-Gondel haben uns gleich angesprochen, on wir nach Les 2 Alpes hinüber führen? Wir haben das verneint. Wie kommen die bloss darauf? Sahen wir zu "normal" aus? Oder eben für La-Grave-Gäste zu "anders"? Wir hatten halt normale Skiklamotten an und "normale" Ski dabei: Allmountain-Ski bzw. moderate Freeride-Ski. Das Gros der Gäste hat hier ewig breite und Auftrieb spendende Freeride-Latten bei sich - und halt den symbolträchtigen Klettergurt. Im La-Grave-Thread im Infrastruktur-Forum war von den "Langhaarigen" die Rede, die hier wohl einst den Ruf des Skigebiets mit begründet haben. Auch wenn man eine Weile suchen muss: Ja, es gibt sie hier noch vereinzelt, die "Langhaarigen". Neben dem Erscheinungsbild zeichnen sich diese Zeitgenossen vor allem durch ihre Ausrüstung aus: Die Latten sind nochmals breiter und bereits einen halben Meter vor der Skispitze deutlich hochgebogen. Die Bindungen bestehen aus einem puristischen Mechanismus aus Eisenstäben. Plastik oder werbewirksame Schriftzüge? Fehlanzeige! Das Outdoor-Outfit ist unauffällig und farbenarm. Wurden die "Langhaarigen" von La Grave in einigen Artikeln mit der Hippiszene in Verbindung gebracht, gilt für die heutigen "Langhaarigen" zumindest nicht das Prädikat schrill, sondern allenfalls puristisch und auf das Wesentliche reduziert. Auch Hippi-VW-Busse haben wir nicht gesehen. Stattdessen aber einen zum "Skimobil" umgebauten Rettungswagen mit Schlafmöglichkeit und umfangreicher alpinistischer Ausrüstung. Farbe und Beklebung hat der Zeitgenosse unverändert gelassen. Das dürfte ihm beim zügigen Vorwärtskommen auf öffentlichen Strassen helfen.
Jetzt wieder zu den Eindrücken:
^^ In freudiger Erwartung entschweben wir nach oben; die Südhänge sind weitgehend grün
^^ In der Station 2400 warten wir auf den Gondelzug der nächsten Sektion, die uns mit 7,5 m/s auf 3200 Meter bringen wird
^^ Das klassische Bild mit den bunen Gondeln an der Bergstation; mich faszinieren immer wieder die faltig-glatten, baumarmen Berge gegenüber
^^ Die Botschaft auf dem Schild gilt für das gesamte Skigelände unterhalb 3200 m in La Grave
^^ erste Blicke nach ganz oben, wo wir zunächst einmal hin wollen
^^ Gletscherlift in der vollen nutzbaren Länge; Ausstieg auf etwa 3540 m; im Gegensatz zu vielen Skigebieten, die sich Gletscherskigebiet nennen, fährt man hier wirklich noch komplett auf Gletscher
^^ beliebte Fotomotive auch hier; an der Skilift-Umlenkung an der Felswand erkennt man, dass hier im Vergleich zu früher einiges an "Eisen" fehlt. Der Trifides-Skilift ist einem Bergsturz zum Opfer gefallen und wurde nicht wieder aufgebaut; streng genommen war er nur ein Teil des verbliebenen Skilifts Girose, allerdings mit zusätzlicher Trasse, die man benötigt hat, um zur Girose-Schleppspur hinüber zu kommen.
Anstelle des Trifides-Lifts übernimmt heute eine Pistenwalze den Transport der Skifahrer zum Einstieg des Girose-Lifts. Die Walze pendelt kontinuierlich zwischen dem tiefsten Punkt zwischen altem Trifides-Einstieg und Girose-Einstieg sowie dem Girose-Einstieg. An den beiden Seilen hinter der Walze befinden sich jeweils 10 Schlaufen, an denen man sich festhalten kann.
^^ Pistenwalzentransport
^^ dito
^^ dito
^^ dito
^^ Blick vom Ausstieg des Lifts - ganz schön hoch ist man hier schon
^^ "Faltengebirge" mit Mont Blanc im Hintergrund
^^ Mont Blanc im Zoom
^^ Fotosession
^^ Im Girose-Lift - charakteristisch sind die aufgehängten Stützen
^^ hängender Niederhalter
^^ nach zwei Abfahrten ging's erst mal zu Fuss ganz nach oben auf den Dôme de la Lauze, um das komplette Panorama zu beäugen; mein Sohn war etwas genervt von der Bergauf-Latscherei, meine Tochter begeistert.
^^ Blick zum Mont Ventoux am Horizont - auch ein Tour-de-France-Klassiker
^^ der wenige Schnee ist hier oben auf fast 3600 m Höhe verblasen; teilweise Blankeis respektive Schiefer-Brösel
^^ Barre des Écrins: mit 4102 m südlichster Viertausender der Alpen und bis vor ca. 150 Jahren höchster Berg Frankreichs
^^ Hinter dem Schiefer-Brösel geht's massiv bergab - da sollte man Abstand wahren.
^^ Blick zum Skigebiet von Les 2 Alpes; der weisse Turm gehört zur Bergstation der Imbergbahn.
Ein Mal sahen wir ein Pistenwalzentaxi von Les 2 Alpes rüber fahren zum Girose-Lift; hier wird auch die Technik mit den Schleppseilen hinten an der Walze angewendet
^^ Am höchsten Punkt hiess es Anlauf nehmen für eine neuerliche Fahrt auf dem Gletscher.
^^ Blick zureindrucksvollen Bergstation
Es folgten noch 2 Fahrten auf dem Gletscher, die mit der Helmkamera dokumentiert wurden. Die Gletscherpisten sind topographisch nichts Besonderes, haben aber eine schöne Neigung zwischen mittelsteil und flach. Da man hier oben fast alleine ist, kann man ungestört fahren und viele Dinge üben. Mein Sohn war vor allem dabei, das Bodycarving zu perfektionieren. Und wie gesagt: Das ist wirklich noch ein reinrassiger Gletscherhang. Und Wahnsinn ist natürlich das Panorama hier oben. Hier im Skigebiet von La Grave ist man ohnehin geneigt, den Tag als alpinistisches Gesamtpaket zu verstehen und keine Kilometerfresserei zu veranstalten.
Will man zurück zur Bergstation und den verlockenden Routen, nimmt man die von unten gesehen linke Piste und fährt unten volle Kanne Schuss, damit man über den Hügel des alten Trifides-Einstiegs hinwegkommt. Im besten Fall schafft man es ohne Schieben bis zur Bergstation der Seilbahn.
Jetzt geht's richtig rund! Wir fahren an der Seilbahn-Bergstation in das berühmte ungesicherte Gelände:
^^ Endlich in dem Abschnitt, der La Grave wirklich "ausmacht"
Wir entschliessen uns, zunächst das Vallon de la Meije zu befahren. Hier sind Landschaft und Hänge abwechslungsreicher, die Couloirs steiler. Das Vallon Chancel hat dagegen die "weiteren" Hänge. Das Vallon Chancel sah schneemässig gar nicht gut aus. Wir haben später auch Leute in der Gondel über den Zustand der Routen befragt. Diese haben uns abgeraten, das Chancel zu befahren und uns lieber im Vallon de la Meije auszutoben. Das haben wir dann auch so gemacht. Schade, das Chancel auszulassen, aber wir hatten im "Meije" definitiv genug Spass, das sei schon mal vorweggenommen.
^^ weite Hänge ziemlich oben: Meine Tochter fragte sich hier auch prompt, für was man eigentlich gewalzte (und meistens enge und begrenzte) Pisten braucht, wenn man auf einem solch idealen, ungewalzten Hang viel besser Ski fahren kann.
^^ Immer schön mit den Gondelgruppen
^^ Gondelbegegnung
^^ die Buckelpiste hinten hatte bei uns schnell den Namen "Mur". Oberhalb hatten wir einen Skifahrer gefragt, ob man dort runter fahren könne (man konnte den Hang nicht komplett einsehen). Dieser antwortete uns "C'est un mur." Wir vermuteten zunächst, hier könne eine Abseilstelle sein. Dem war nicht so, und wir befuhren später den Hang.
Immer, wenn wir von "mur" sprachen, wusste jeder von uns fortan, was gemeint war.
^^ Tolles Couloir! Verdammt steil hier und teilweise nur 5 Meter breit. Hat aber wahnsinnig Spass gemacht.
^^ Da muss man sich schon ganz schon gegen das Gefälle stemmen, wenn man für ein Fotoshooting anhält.
^^ Das Vallon in seiner ganzen Pracht
^^ Nochmal steil
^^ dito von neben
^^ Weiter unten - immer noch steil
^^ Helmkamera sollte alles dokumentieren, hat sich aber in den Steilstücken komischerweise immer ausgeschaltet
^^ Das gewaltige Vallon de la Meije von unten im Zoom. Überall, wo es weiss ist, kann man runter fahren.
Hier mal ein Cut für ein Zwischenfazit:
Es begeistert immer wieder, dass man hier das gesamte Gelände nach Herzenslust befahren kann - und das bei toller Schneequalität.
Skifahrerisch der Hammer! So empfinden das auch die Kinder. Sie waren buchstäblich "hin und weg". Welch sagenhafter Unterschied eines riesigen skifahrerisch idealen Areals in diesem Tal, das man zusammen mit nur einer handvoll anderer Kreaturen nach Herzenslust befahren kann, zu "üblichen" Pisten, die naturgemäss schmal sind (zumindest in Relation zu den Dimensionen hier), die oft seitlich begrenzt - wenn nicht gar eingezäunt - sind, die oft fragwürdige Schneebedingungen haben, und die man mit vielen anderen Skifahrern teilen muss. Wenn es den siebten Himmel für Skifahrer gibt,
dann ist er definitiv hier!
Weiter mit den Bildern:
^^ Neckiger Monolith auf der "Piste"! Nein - ich meine nicht die rot-blaue Kreatur, sondern den Felsen dahinter!
^^ Endlich mal ein Bild beim Fahren! Aufgrund von Begeisterung und Staunen haben wir halt oft angehalten.
^^ Hier auf ca. 2000 m Höhe kommen immer mehr Bäume, und es wird schmaler.
^^ Noch geht's gut zu fahren.
Die zuletzt gezeigten Fotos zeigen den Hangabschnitt, der zum Pylone 1800, dem letzten Zwischeneinstieg vor dem Tal, führt. Zwischen dem letzten Foto und dem Pylone muss man durch den dichten Wald hinüber queren. Das war dann bei der geringen Schneelage zugegebenermassen ein Krampf! Neben Schnee überfuhren wir Wurzeln, Dreck und einzelne Steine. Komplett ausweichen war nicht möglich. Es gibt auch keinen ausgeholzten Ziehweg. Man muss mitten durch den Wald, immer abwechselnd quer und steil runter. Wir haben dann vereinbart: "Wenn unsere Ski hinterher noch zu gebrauchen sind, wars lustig, ansonsten wars Mist. Ersteres war zum Glück der Fall! Erheitert kamen wir beim P1800 an und warteten auf die Gondel. Wir beschlossen allerdings trotzdem, bei den künftigen Abfahrten (wie schon bei der allerersten) weiter oben zur Station 2400 zu queren und ganz zum Schluss mit der unteren Seilbahnsektion ins Tal zu fahren. Die Talabfahrt umgeht den Waldbereich. Vielleicht wäre die besser zu fahren gewesen als die Zufahrt zum P1800. Wir wollten das allerdings nicht riskieren. Einige Skifahrer - aber bei weitem nicht alle - sind am Abend bis ganz nach unten gefahren gekommen, und haben auf dem Schlusshang die aperen Stellen umkurvt.
^^ Endlich am P1800 angekommen; unten das Dorf La Grave
^^ Vorbereiten für den Einstieg: Gondelzug naht! Unten dominiert unser Hotel Castillan die Szenerie
^^ Bei Mittagessen Gletscher im Blick. Billig ist das dort droben nicht. Spaghetti Bolognese ca. 15,-- €!
^^ Die Meije von ihrer besonders formschönen Seite
^^ Die Bergstation der Seilbahn - sieht aus wie die katholische Kirche in meinem Heimatdorf
^^ Nach bewältigter "mur" wieder eine Fotopause
^^ Abschluss der "Bergsequenz" des Tages auf der Terrasse des Restaurants an der Station 2400; Meije mit Hängegletschern in voller Pracht
^^ Verdienter "Absacker" nach sensationellem Skitag. Nein, das Panachée hält der minderjährige Grünschnabel nur zum "Gag". Das trinkt schon wohlverdient der "Reiseleiter".

^^ Ein weiterer Gondelzug fährt nach oben, jetzt ohne uns, die wir den Skitag bereits in Bildern im Kopf geniessen sowie die herrliche Sonne
^^ Dann geht's mit der Gondel hinab, mit eindrucksvollem Tiefblick auf La Grave
Fazit - auch aus Sicht der Kinder: einfach sensationell!
Die Landschaft, das Dorf, das Leben und "Feeling" hier, und vor allen die "Freiheit" durch das riesige, frei befahrbare und ideale Skigelände.
Auch wenn wir das Vallon Chancel nicht befahren haben und die 2150 m Höhendifferenz nicht voll genutzt haben: Das besondere La-Grave-Feeling ist auch bei den Kindern angekommen, welches viele Skifahrer aus aller Welt regelmässig anlockt. Nach einem solchen Tag fragt man sich wirklich, was für einen Sinn es ergibt, irgendwo mit Menschenmassen auf "eingezäunten" Pisten rumzurutschen.
2150 mètres de différence - dieser Slogan trifft den Nagel auf den Kopf!
Meine Tochter hat auch bei der Abreise gemeint, dass dies der schönste Urlaub ihres Lebens gewesen sei. Das Skigebiet spielte sicherlich die Hauptrolle, aber auch das Gesamtpaket aus wirklich wunderschönem Dorf und dem altehrwürdigen Hotel mit den kultigen Gastronomieräumen und dem leckeren Essen haben dieses Bild geprägt.
und wie geht es weiter mit La Grave? Keine Ahnung!
In der Gondel habe ich Skifahrer befragt. Die antworteten, dass die Liftgesellschaften von Les 2 Alpes und Alpe d'Huez am Kauf interessiert seien und das Ganze zu einem Riesen-Skigebiet verbinden wollen. Ob die Bahn nächsten Winter - nach Auslaufen der Verträge - läuft, wussten sie auch nicht.
Noch was: In diesem Thread habe ich mal Gletscherbilder von 2008 und 2017 verglichen. Die Veränderung fällt für die Berge oberhalb La Grave nicht so tragisch aus.
Vielen Dank an diejenigen, die bis hier hin gefolgt sind!