ESL Untere Schlegelalm | Juni 2018 | Er läuft wieder
Der Predigtstuhl in Bad Reichenhall ist gemeinhin bekannt für seine Bleichert-Pendelbahn aus dem Jahr 1928. Etwas in Vergessenheit geraten ist das ehemalige Skigebiet, bestehend aus zwei Einersesselliften und einem Rope-Tow, das sich oben befindet. Mit Einstellung des Skibetriebs in den 1990er Jahren begann das Schattendasein der Anlagen. Wie mehrfach im Forum berichtet, wurde der ESL Untere Schlegelalm weiter für interne Materialfahrten eingesetzt, an einen öffentlichen Betrieb war lange Zeit nicht zu denken. Das änderte sich in der Wintersaison 2006/07, als der Predigtstuhl mitsamt seiner Aufstiegshilfen als Skigebiet reaktiviert werden sollte. Der ESL Untere Schlegelalm wurde fit gemacht, der ESL Hochschlegel sollte im Anschluss folgen. Daraus wurde jedoch nichts, das Projekt Skibetrieb alsbald aufgegeben.
So fielen die beiden Anlagen zurück in ihren Dornröschenschlaf, auch über einen Abbau wurde regelmäßig gemunkelt. Dann die Wende: Vor zwei Jahren zeigte die Webcam rege Aktivitäten am Untere Schlegelalm-Lift. Interessehalber baute ich einen Kontakt mit der Betriebsleitung auf und erfuhr von den Planungen, den Lift – auch für öffentlichen Betrieb – wieder fit zu machen. Als dann tatsächlich im letzten Jahr das Seil getauscht wurde und die TÜV-Abnahme folgte, schenkte ich dem Projekt Glauben. Rund um die kurzzeitige, winterliche Reaktivierung 2006/07 wurde ja viel im Forum über das Thema Skibetrieb am Predigtstuhl geschimpft (viewtopic.php?f=12&t=17061&hilit=predig ... 5#p4624047). Hierfür gibt es jetzt keinen Anlass, eine Neuauflage im Winter ist nicht geplant, der Rope-Tow als Verbindung der beiden ESL ist bereits teilweise abgebaut.
Einige Monate nach meinen Webcam-Beobachtungen und viele Telefonate später stand der Termin für meine Erstbefahrung – sozusagen die Premiere zum Neunzigsten, denn der Termin fiel auf das Wochenende, an dem das 90. Jubiläum der Predigtstuhlbahn mit Festzelt, Feuerwerk und Tamtam begangen wurde. Am Morgen des besagten Tages das letzte Telefonat mit Bad Reichenhall: Ja, der Betrieb sei fest eingeplant, das Personal eingeteilt und auch die Wetterprognose positiv. Die Info gab ich an Kollege vovo weiter und kurze Zeit später trafen wir uns an der PB-Talstation, um der Fahrt mit dem ESL Untere Schlegelalm entgegenzugondeln.
An der Bergstation angekommen drehten die formschönen Sessel der Pohlig-Anlage bereits ihre Runden

Da der Lift im Uhrzeigersinn läuft, muss der Liftler am Berg im Freien sitzen anstatt im holzverkleideten Vorbau. Im Freien findet aktuell auch der Fahrschein-Verkauf statt. Ins Bild sticht leider die Materialseilbahn, die für Arbeiten im Hotel benötigt wird und für meinen Geschmack das Motiv etwas stört.
Das Herz der Anlage: Die Antriebsstation in der Bergstation. Pohlig hat zwei verschiedene Ausführungen verbaut: Diese (kenne ich sonst nur vom Rauschberg-Südhang) sowie mit Kombi-Funktion als Antriebsspannwagen (u.a. Roßleiten, Dürrnbachhorn, Imberg).
Während es an der Pendelbahn und dem leichten Rundweg zum Gipfel voll und voller wurde und der Altersdurchschnitt mit jeder ankommenden PB-Gondel exponentiell anstieg, wurden wir als erste ESL-Fahrgäste des Tages beim Mitarbeiter an der Bergstation vorstellig. Die Kontrollfahrt des Personals mussten wir noch abwarten, dann ging es los.
Der Lift kann nicht verbergen, dass er für die Wiederinbetriebnahme auf den aktuellen Stand der Bestimmungen gebracht wurde: Wartungspodeste mit Handlauf wurden angebracht, eine Steuerung der Frey AG verbaut, ein neues Seil aufgezogen sowie der Antrieb flott gemacht. Erhalten ist hingegen die wesentliche Substanz der Anlage: Stationen, Stützen, Sessel, die Antriebsstation sowie die Spanntechnik – und damit für mich auch der Charme der Anlage.
Vergleichsfoto aus 2011, damals auch noch mit umgekehrter Stützennummerierung.
Von den notwendigen Arbeiten abgesehen wurde die Anlage mit viel Liebe zum Detail wiederhergestellt: So verfügen die Stützen über lackierte Nummern statt Aufklebern, der grüne Anstrich dürfte dem Farbton vor dem Umbau entsprechen.
Die Trasse kann in ein seichtes Drittel vor der Bergstation und zwei höhenmeterlastige Drittel unterteilt werden. Nach dem seichten Stück und der Kuppe kommt hier die Talstation in Sicht. Die Fahrt dauert rund acht Minuten.
Der Umschlagplatz mit dem Ende der Forststraße an der Talstation gleicht derzeit noch einer Baustelle und trübt im Zoom etwas die Optik. Dafür kommen hier die formschönen Sessel mit Holzlatten gut zur Geltung. Für den zweiten Neuanfang in diesem Jahr sowie zuvor zu MSB-Zeiten kommt dem ESL weiter zugute, dass die Forststraße nicht bis zur PB-Bergstation hinaufführt. Eine Funktion des ESL ist es nämlich, als Evakuierungsbahn zwischen PB-Bergstation und Forststraße im unwahrscheinlichen Falle eines Falles zu fungieren.
Weniger Brennweite, weniger Baustellenoptik

Station anno 1957 mittig mit neuer Liftlerhütte rechts, in der die Steuerung untergebracht ist.
Blick auf die Spanntechnik. Für den nötigen Komfort bei der Fahrt sorgen die hinten rechts sichtbaren Sitzpolster.
Die Rollen scheinen auch noch original zu sein.
Ab der doppelten Ausfahrstütze macht der Lift knapp 270 Höhenmeter auf gut 650 Metern Länge.
Aktuell verläuft der Lift aus touristischer Sicht im Nirgendwo. Angedacht ist, die namensgebende Untere Schlegelalm unweit der ESL-Talstation als Alm zum Anfassen auszubauen und der Anlage so – neben dem Wanderweg zur Talstation sowie der Verbindung zwischen Ende der Forststraße und der PB-Bergstation – eine Funktion mit Perspektive für eine touristische Nutzung zu geben.
Seitenprofil der Station, in dem man gut die Steigung der Trasse erkennen kann. Schön, dass man den Charme der Stationen behalten hat. Die blauen Hinweistafeln verbuche ich als notwendiges Übel.
Gut, das Holz der neuen Liftlerhütte muss noch etwas nachdunkeln

Ein paar dunkle Wolken zogen durch und wir machten uns – nach einem netten Ratsch mit dem Mitarbeiter – wieder auf den kurzen Weg auf den Berg.
Zurück an der Bergstation.
Zoom auf den fitgemachten Oldie, der jetzt wieder regelmäßig seine Runden dreht. Der Betrieb ist derzeit für Wochenenden bei guten Wetterbedingungen vorgesehen, vorwiegend in der Ferienzeit. Vor Anreise empfiehlt es sich, eine telefonische Auskunft an der Kasse der PB einzuholen.
Für den neuerlichen Betrieb wurden eigene ESL-Tickets gedruckt. Der Preis von 10 Euro für die Berg- und Talfahrt mit dem ESL ist zusätzlich zum PB-Ticket zu lösen, und für ein solches Revitalisierungsprojekt aus meiner Sicht angemessen. Ohne PB-Ticket kostet die ESL-Retour-Fahrt 17 Euro – für den Fall, dass jemand nach dem Aufstieg über die Forststraße keine Puste mehr für die letzten Meter hat

Wer den Bericht bis hierhin verfolgt und ernsthaftes Interesse an der Thematik hat, wird sich über die nachfolgende Information freuen: Mit der Wiederinbetriebnahme des Untere Schlegelalm-Lifts für den öffentlichen Personentransport sind die Verantwortlichen am Predigtstuhl mit ihrem Engagement noch nicht am Ende. Aktuell wird auch am zweiten ESL Hochschlegel (PHB 1974) gearbeitet, nach aktuellem Stand könnte dieser 2019 seinen Sommer-Betrieb wieder aufnehmen.
Die im Juni 2018 erkennbaren Arbeiten am Hochschlegel-Lift: Die Trasse wurde freigelegt.
Zudem sind sämtliche Rollenbatterien abmontiert.
Auf der Schlegelmuldenalm lösten wir unseren im PB-Ticket enthaltenen Verzehrgutschein ein. Der örtliche Barista hat sich etwas Schönes einfallen lassen

Die Fahrt mit der Predigtstuhlbahn ist natürlich auch ein Erlebnis, im Forum aber bereits mehrfach gut dokumentiert. Eine Zusammenfassung der Geschichte der Bleichert-Bahn gibt es hier: https://www.predigtstuhlbahn.de/seilbahn/geschichte. Der Vollständigkeit halber sei ein Foto von der Talfahrt angefügt.
Für die feierlichen Festlichkeiten zum Neunzigsten hatte man im Tal ein geräumiges Festzelt aufgestellt, das die Parkplatzsuche schon morgens zur Herausforderung machte.
Stilvoll eingedeckt, wie es sich für einen 90. Geburtstag gehört. Wie man in diversen Medien lesen kann, nahmen auch Urenkel aus der Familie Bleichert an den Feierlichkeiten teil.
Die Vormittags-Tour nahm denn auch für vovo und mich ein standesgemäßes Ende: Auf der Suche nach einem Parkplatz beging ein Paar mit auswärtigen Kennzeichen den fatalen Fehler, ihr Gefährt in Sichtweite eines pflichtbewussten Urbayers abzustellen, der sich mit scharfem Blick und befehlshabendem Ton auf seinem Balkon postiert hatte. Die Unterrichtung, warum die vom Paar gewählte Fläche nicht als PKW-Abstellfläche taugte, folgte prompt und lauthals. Ob alle Beteiligten mit dem Leben davongekommen sind, weiß ich nicht. Wir suchten schnell das Weite.