Was macht man, wenn man seine Freunde nach langen Semestermonaten endlich länger wiedersehen möchte, nicht immer mit der letzten S-Bahn Heimfahren will, es noch keinen vernünftigen Schnee hat und ein paar Nicht-Skifahrer dabei sind? Man organisiert wie schon im Januar 2002 und 2004 eine Winter-Hüttentour! Dieses Mal aber nicht auf der altbekannten Bayerischen Wildalm, die wir zwar wegen ihrer Welt-abgeschiedenheit hinter den „blauen Bergen“ und ihrer Urtümlichkeit ins Herz ge-schlossen haben, aber deren Tourengebiet wir doch schon ziemlich abgegrast haben und deren Anstiegsweg doch arg lang ist und sich ordentlich hinzieht. Wir haben uns für die Sigl-Hütte entschlossen, die am Südabhang des Wendelsteins in 1335 m Hö-he direkt an der Skiabfahrt nach Osterhofen zur Seilbahn liegt, etwa 50 Höhenmeter unterhalb des großen Kessels mit den beiden Schleppliften. Eigentlich wollten wir mit der Seilbahn hinauf und dann mit den Skiern bis zur Hütte abfahren, was vor allem mit dem vielen Gepäck eine große Erleichterung gewesen wäre. Aber da die Seil-bahn Skifahrer nur bei geöffneter Talabfahrt mit hinauf nimmt und wir etliche „Nicht-Tourengeher“ dabei hatten, haben wir uns für eine Schneeschuhwanderung ent-schieden, diesmal sogar mit 90% Schneeschuhbesatz, da die Sektion Oberland mitt-lerweile für 3¤ am Tag Schneeschuhe verleiht.
So sind wir am Montag, den 3. Januar 2005 noch bei Dunkelheit mit der S-Bahn zur Donnersberger Brücke gefahren und dort in die Bayerische Oberlandbahn (kurz BOB) umgestiegen. Noch im Münchner Stadtgebiet kam es zur ersten Verzögerung, am Harras stand der Zug wegen eines Schienenbruches! Typisch Bahn!? Es ging nach fünf Minuten weiter und zügig über die Großhesseloher Brücke und die dichten Bannwälder des Münchner Südens ohne Halt rasch nach Holzkirchen. Erst dort lag dann flächendeckend Schnee. Der Zug wird geflügelt und fährt weiterhin recht rasch bis Miesbach, ab dort aber kriecht er und hält sehr oft. Agatharied, Hausham, Schliersee, Fischhaus-Neuhaus, Fischbachau, Geitau, Osterhofen. Alle Orte altbe-kannt, Hundert Mal mit dem Auto durchgefahren, nun erstmals mit dem Zug, merk-würdiges Gefühl. Ganz entspannt die Umgebung aus interessantem Blickwinkel be-trachten (die Bahn fährt z.B. am Westufer des Schliersees und nicht am Ostufer wie die Bundesstraße; ab Fischhaus fährt die BOB einige Meter erhöht auf dem Süd-hang, so dass man das Tal gut überblickt). Für Gruppenreisen ohne Zeitdruck finde ich Bahnfahren echt ideal, man unterhält sich entspannt, man ist komplett zusammen und nicht auf fünf Autos verteilt (naja, wir waren ja nur neun Leute, aber mit dem ganzen Gepäck wäre es mit zwei Autos schon recht eng geworden).
Nach gut 1 ¾ Stunden Fahrt von daheim aus, sind wir dann in Osterhofen ausgestie-gen, der letzten Station vor Bayrischzell. Das Wetter war winterlich: nicht übermäßig kalt, aber windig, es schneite leicht, und viel Schnee wurde durch den starken Wind verblasen und verfrachtet. Der Bahnhof liegt direkt am Bergabhang und der Auf-stiegsweg ist sofort logisch vorgezeichnet: entlang der nicht gewalzten Skiabfahrt hinauf in Richtung Siglhütte, erst östlich, dann nördlich hinauf, etwa 530 Hm. Im unte-ren Bereich war die Schneedecke auf der an sich recht interessant trassierten Ab-fahrt nur einige Zentimeter dick, viele Geländeunebenheiten waren aber durch Trieb-schnee verfüllt und da stand man dann schon einmal 30 cm im Pulverschnee. Nach gut 1 Stunde haben wir dann auf gut 1.000 Meter mehr zum Spaß die Schneeschuhe angelegt, damit die Teilnehmer sie nicht umsonst geliehen haben und nicht tragen müssen. An dem Punkt (ein markanter, hoher Laubbaum), an dem die Abfahrt von West auf Süd dreht, beginnt sie sofort steiler zu werden, da haben die Schneeschu-he dann gleich gute Dienste geleistet. Danach ein kleiner Gegenhang (den man mit Skiern wohl nur mit viel Schmackes/Dampf ohne Schieben bewältigt!) und zwei kna-ckige Steilhänge zur schon sichtbaren Siglhütte. Hier waren die Schneeschuhe total wichtig, denn hierher hatte der Wind eine ganze Batterie Schnee geweht, es wäre herrlicher Pulver, unverspurt, gewesen! Hier ärgerte ich mich das erste Mal aus Gruppenraison keine Skier mitgenommen zu haben. Ich spurte also voraus, erst ziemlich direkt den Hang hinauf, was sehr viel Luft kostete, dann in deutlich flacheren Serpentinen mit schönen Spitzkehren. Nach gut 2 ½ Stunden war ich dann mit einem kleinen Vorauskommando als Erster an der Hütte, wir haben aufgeschlossen, die stark verrammelten Fenster geöffnet und gleich Strom und Wasser eingeschalten (eine deutlich luxoriösere Hütte also!) und im Ofen ein kleines Feuerchen entfacht. An diesem Tag bin ich dann noch mit drei Begleitern die Steilstufe der Abfahrt (hier teilweise Präparationsspuren, aber auch freiliegende große Steine!) hinauf zum Kes-sel der Wendelsteinalm mit den Schleppliften. Hier oben auch toller Pulver, aber nichts gewalzt, uns war es recht, es war herrlich ruhig und einsam. Wir sind etwa die Hälfte der Strecke des Bockstein-SLtes hinauf um herunterzurodeln (mit „Knüppel“-Bobs aus Plastik, vier Stück haben wir mit hinauf gezogen!). Unmöglich! Zu viel Schnee, zu flach! Erst ab der Kante ging es, aber wie! Die Beschleunigung ist wahnsinnig, mit den Füßen wirbelt man unmöglich viel Schnee auf und zwar mitten ins Gesicht! Da fahre ich dann doch lieber Ski, das ist kontrollierter…
Am Dienstag, den 4. Januar 2005 hatten wir Wetterglück und waren genau in den schönsten 4-5 Stunden des Tages draußen, in denen starker Föhn die Wolken kom-plett abgeräumt hatte und wir strahlend, fast frühlingshaft dunkelblauen Himmel zu bestaunen hatten, dazu den frischen Schnee des Vortages, also perfektes Winterfee-ling! Die Fernsicht war exzellent (von der Siglhütte aus sieht man schon den Wilden Kaiser, das Sudelfeld, die Rotwandgruppe und einen Teil der Zentralalpen). Zu Fünft (nur Männer! Die Frauen wollten lieber in der Nähe der Hütte bleiben…) sind wir den sehr verwehten Spuren von gestern zur Wendelstein Alm gefolgt und sind dann in etwa dem Verlauf der Abfahrt zur Zeller Scharte gefolgt (ab der Hütte 50 Minunten), mit jedem Meter bessere Aussicht in beinahe alle Richtungen, man merkt in welcher exponierten Stellung der Wendelstein in den Voralpen steht. An der Zeller Scharte genießt man auch einen ersten Blick ins „immergrüne“ Alpenvorland, ebenso wie hinauf zum berüchtigten Hotelhang, der aber anscheinend gut befahrbar war, wie wir an einigen Skitourengehern feststellen konnten. Auch die Zahnradbahn durften wir in Natura bewundern. Da der verbaute Wendelsteingipfel uns nicht locken konnte (höchstens ein Kuchen im Restaurant…

Dort holten wir die Schlitten und sind noch einige Runden gefahren, diesmal auch von den Mädels begleitet. Mich hats mehrfach ordentlich aufgestellt, einmal klassi-scher Überschlag, der Schlitten ist steckengeblieben im Tiefschnee, ich fliege einige Meter weiter und dann Gesicht voraus volle Kanne in den Schnee. Einfach nur geil, habe erst mal Minutenlang nur verrückt gekichert und meinen eigenen Abdruck im Schnee bewundert und mich „enteist“. Diese Erfahrungen, auch das Umfahren eines von den Mädels untertags gebauten Schneemannes, hinderten uns nicht daran, etwa um 23 Uhr nachts bei traumhaftem Sternenhimmel nochmals hinaus zu gehen (es war ziemlich mild) und einige Nachtrodelfahrten zu unternehmen, beleuchtet von Stirnlampen, mehreren roten Grablichtern (!), die Absturzgefährdete Gebiete markier-ten und einer Riesen-Maglite. Es war noch besser als am Tag, einfach nur genial ins Dunkel zu rasen, auf einige kleine Lichtpunkte zu und dann Abzuspringen, wenn ei-nige Stimmen aufgeregt „Bremsen!“ rufen…

Am Mittwoch, den 5. Januar 2005 haben wir die Hütte geputzt und sind via Hochkreut nach Bayrischzell abgestiegen. Vier Mutige (ich diesmal nicht, wollte nicht wieder nass werden) sind große Partien mit den Schlitten abgefahren und hatten einen Rie-senspaß.
Wer Winter in den Bergen mag und nicht immer nur auf harten Kunstschneepisten und mit 6 KSBs zu tun haben möchte, der ist am Wendelstein goldrichtig, oder beim Schneeschuhwandern, eine der angenehmsten Arten sich im Gebirge fortzubewegen und ich mache das ja gern und viel, wie ihr wisst.