Doch damit wollte ich mich an diesem Wochenende nicht zufrieden geben. Es muss doch einen Ort geben der noch nicht Opfer seiner Popularität, des „Fortschritts“ und einer verheerenden Wetterlage geworden ist?! Da erinnerte ich mich an die Geschichten meines Großvaters, der mir von etwas erzählt hatte: Schlepplifte! Naturschnee! Könnte dies tatsächlich die Lösung für mein Dilemma sein? Schon einen knappen Monat habe ich nicht mehr auf Ski gestanden und ich wollte mein Comeback nicht länger aufschieben.
Also machte ich mich auf die Suche nach diesem sagenumwobenen Element, Naturschnee. Ich suchte im Alpinforum nach Hinweisen die mich zum Ziel führen könnten. Und ich bin tatsächlich fündig geworden. Ein paar wenige Berichte befassten sich tatsächlich mit dem wovon mir mein Großvater erzählt hatte. Da sollte es ein Dorf in Graubünden geben, auf halbem Weg zwischen dem städtischen Chur und dem mondänen St. Moritz, das dies, und nur dies, auch heute noch bietet. Ausschließlich Schlepplifte, lange breite und variantenreiche Abfahrten und viel Naturschnee:
Bivio, das Dorf an den zwei Wegen: Septimer- und Julierpass. Das Skigebiet erstreckt sich auf einer Höhe zwischen 1800 und 2560m. Das sollte hoch genug sein um auch in diesem Katastrophen-Januar gute Verhältnisse vorfinden zu können. Ich wurde nicht enttäuscht und habe gefunden was ich gesucht habe. Die Pisten waren allesamt in einem hervorragenden Zustand, und zwar von der ersten bis zur letzten Betriebsstunde. Geschuldet ist dies wohl in der Tat dem, zunächst einmal beschränkt anmutenden, Angebot. In Bivio gibt es keinerlei Sesselbahnen, und Scheekanonen habe ich exakt vier gezählt. Ich teilt mir dieses wunderbare Skigebiet heute mit ungefähr hundert weiteren Puristen. Fast eine familiäre Angelegenheit, und das an einem Samstag. An einem Samstag an dem ausnahmsweise auch einmal der dritte Schlepplift (Tua) geöffnet hatte. Man könnte fast sagen, die Betriebszeiten des Tua-Skiliftes sind streng limitiert. Man will sicherlich das Angebot verknappen um die Exklusivität dieses kleinen Skigebietes hervorzuheben. Das wird es sicher sein.
So habe ich mir auch gerade diesen Tag ausgesucht um Bivio einen Besuch abzustatten. Ich wollte doch in den Genuss der vollen Pracht kommen. Nach einer zügigen Anreise parkierte ich meinen kleinen Fiat also direkt an dem Skilift Tua und durfte gleich einmal erfahren dass dieser Skilift wirklich etwas ganz besonderes sein musste, denn auch eine halbe Stunde nach der offiziell angeschriebenen Öffnung wollte niemand die wartenden Skiläufer nach oben transportieren. Es hat sich herausgestellt dass diese Verzögerung doch keine Strategie der Liftbetreiber war, sondern nur ein langweiliger technischer Defekt.
Talstation des Skilift Tua. Wegen einem technischem Defekt erst ab 09.30 Uhr in Betrieb.
Und das Ganze von oben. Auch zu sehen: Der auf Massentourismus ausgelegte Großparkplatz. Erinnert mich fast an die Parksituation an der Giggijochbahn.
So langsam lüftet sich der Schleier und der Blick wird frei auf die selstamen Doppelstützen am Skilift Tua, obwohl dieser nur als Einzelanlage existiert.
Eine der Pisten rechts nebem dem Lift. Im Hintergrund kann man die letzten Serpentinen des Julierpasses erahnen.
Nochmal die Doppelstützen des Tua-Liftes und die traumahften Hänge links und rechts.
Die ersten zwei Stunden zog dichter Nebel einen Schleier über das Gebiet, was Auswirkungen auf den 2,1 km langen Gipfellift „Al Cant“ hatte. Der Lift öffnete, abgesehen von einem kurzen Intermezzo am frühen Morgen, erst wieder gegen Mittag als sich sich der Nebel gänzlich verzog und die Sonne die Oberhand gewann. Vom Schlepplift Al Cant eröffnet sich eine Fülle von Varianten. Überall Pisten die sich herrlich durch das unplanierte Gelände schlängeln. Immer wenn man eine neue Variante fährt, sieht man schon wieder eine nächste hinter den Kuppen auftauchen die nur darauf wartet genussvoll beschwungen zu werden.
Talstation Al Cant mit der längsten Warteschlange des Tages. Nachdem sich der dichteste Nebel verzogen hatte öffnete der Lift erst kurz vor Mittag.
Talstation von der anderen Seite.
Al Cant mit seinen eher flacheren Hängen, welche aber im oberen Bereich immer wieder durch steilere Stücke durchsetzt sind und die Pisten damit ganz interessant machen.
Und die Umlenkstation am Berg.
Die komplette 2,1 km lange Strecke. Dauert ganz schön lange den Lift zu bewältigen. Dafür scheint einem aber während der ganzen Fahrt die Sonne ins Gesicht. Auch nett.
Ein typischer Abschnitt im Bereich Al Cant.
Im Lift.
Das Bild gibt einen Eindruck von den interessanten Kuppierungen im oberen Bereich.
Übersicht im Bereich Camon. Links die Talstation Al Cant, in der Mitte das Restaurant und rechts daneben die Bergstation des Camon Liftes
Direkt vom Ortskern Bivios führt der Skilift Camon ins Skigebiet. Im unteren Pistenabschnitt befinden sich die wenigen Schneekanonen die ich erwähnt hatte. Den tollen griffigen Pistenverhältnissen konnten aber auch diese keinen Abbruch tun. Direkt links der Trasse eröffnet sich ein wunderbarer natürlicher Carvinghang. Die im Pistenplan angeschriebene schwarze Piste Nr. 2 konnte ich leider nicht finden, das war ein kleiner Wermutstropfen, aber verschmerzbar. Immer wenn ich mit dem Skilift Camon den kurzen steileren Schlusshang überwunden hatte und sich der Blick auf die weiten sonnengefluteten Schneehänge öffnete huschte ein breites Grinsen über mein Gesicht. Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen.
Talstation Camon direkt am Ortsrand.
Hier unten steht eine von vier Schneekanonen die ich zählen konnte.
Trasse im Mittelteil.
Die Bügel sind wie am Schlepplift Al Cant in blau gehalten.
Rote Standardabfahrt links neben dem Lift. Herrlich zum carven.
Der Lift hat auch schöne Portalstützen.
Nach einem letzten Kaffee auf der sonnigen Terrasse des recht einfach gehaltenen Berghaus Camon trat ich gegen halb vier zufrieden den Heimweg an. Bivio ich komme wieder und ich will nicht wissen wie es dort ist wenn es wirklich mal Schnee hat.
Aussicht von der Bergstation Al Cant. Hier ist auch der Ausgangspunkt für viele Skitouren.
Zoom auf die Serpentinen am Julierpass.
Und nochmal der schön trassierte Al Cant Lift von oben.
Jetzt habe ich viel mehr und schwülstiger geschrieben als ich es eigentlich vor hatte, aber mir hat der Tag in Bivio nach 3 Wochen Dauernebel am See und im Rheinland so gut getan dass ich meine Freude über den gelungenen Tag einfach loswerden wollte.
