Genau genommen ist ein Skigebiet eine Dienstleistung.
Lässt man sich auf den Begriff Industrie ein, kann jedes Skigebiet mit Industrialisierung in Verbindung gebracht werden. Dies kann man mit der Geschichte der Industrialisierung begründen. Der entscheidende Schritt zur Industrialisierung war die Erfindung der Dampmaschine 1712, diese wurde 1769 von James Watt erweitert und brachte den Fortschritt, Güter mit Hilfe von automatisch angetriebenen Maschinen herzustellen.
Auf den Skisport übertragen, heißt das meiner Meinung nach, jeder Lift stellt stellt eine Form der Industrialisierung dar. Die Urform des Skisports war der eigene Aufstieg des Menschen, ähnlich wie er auch mal mit seiner eigenen Kraft Güter hergestellt hat. So kann man eigentlich nur in weniger fortschrittliche und fortschrittliche Skigebiete unterteilen, die sich demzufolge in ihrem Fortschritt in der Industrialisierung unterscheiden. Die Fortschritte sind z.B. die standardisierten Lifte, die mit immer mehr einheitlichen Bauteilen hergestellt werden. Nur mal meine Gedanken.
Ich finde die ganze Diskussion einerseits sehr spannend, andererseits ist da aber auch sehr viel Haarspalterei mit im Spiel. Den Begriff Industrieskigebiet erachte ich grundsätzlich als gar nicht schlecht; mehr noch: ziemlich zutreffend sogar. Als ich das erste Mal dieses Wort hörte - auch schon einige Zeit her - wusste ich instinktiv jedenfalls sofort, was damit gemeint war. Und das ist - für mich zumindest - die Hauptsache. Alles andere sind Nebenplätze.
Alternative: Wie wär's mit dem Ausdruck "Hochleistungs-Skigebiete"?
Trifft die Sache natürlich auch nur teilweise auf den Kopf, wäre evtl. dennoch ein valables Ausweichwort.
intermezzo hat geschrieben:Ich finde die ganze Diskussion einerseits sehr spannend, andererseits ist da aber auch sehr viel Haarspalterei mit im Spiel. Den Begriff Industrieskigebiet erachte ich grundsätzlich als gar nicht schlecht; mehr noch: ziemlich zutreffend sogar. Als ich das erste Mal dieses Wort hörte - auch schon einige Zeit her - wusste ich instinktiv jedenfalls sofort, was damit gemeint war. Und das ist - für mich zumindest - die Hauptsache. Alles andere sind Nebenplätze.
Der Begriff "Industrie" ist in dem Zusammenhang wohl eher als Metapher zu sehen, von dem her halte ich auch nicht viel davon, sich jetzt in Diskussionen über dessen ursprüngliche Definition zu verlieren. Man kann aus diesem Topic ja sehr schön herauslesen, dass doch einige Leute offenbar intuitiv in der Lage sind, dem Begriff eine Bedeutung zuzuordnen, auch wenn offenbar jeder ein bisschen etwas anderes darunter versteht. Für den einen sind es mehr die Hochleistungslifte und Autobahnpisten, für den anderen eher die Hochhausbunker. Vielleicht können wir die verschiedenen Aspekte mal gesammelt auflisten? Ich würde mich dann gerne freiwillig als Autor für einen Wikipedia-Artikel melden, um diese Wortschöpfung in Zukunft im allgemeinen Sprachgebrauch zu etablieren
"Seilbahnen sind komplexe technische Systeme. Sie sind Werke innovativen vielschichtigen Schaffens und bilden ein spannungsvolles Zusammenspiel technischer und wirtschaftlicher, politischer, sozio-kultureller und landschaftlicher Faktoren." (Schweizerisches Bundesamt für Kultur)
Als Kind fuhr ich in den 1970er Jahren zum Skifahren nach Orte wie zB. Vals, Toggenburg, Venet, SFL, usw. Hab dann später damit aufgehört (andere Interessen) und hab vor einigen Jahren wieder damit angefangen weil meine Tochter anfing sich fürs Skifahren zu interessieren. Und ich habe jetzt festgestellt dass sich das Skifahren enorm geändert hat: Carving (d.h. Speedrausch statt Technikbeherrschung), modellierte Landschaften, Bubbles, Wasserspeicher, Schrimbars mit Lautsprecher. In dieser Hinsicht habe ich jetzt zB. Hasliberg durchaus als Industriegebiet erfahren.
Ich kann sehr gut verstehen dass die Bergbewohner - die ja als Bauer schon seit Jahren nicht mehr überleben können - sich eine Alternative wünschen für die Fabrikjobs die sie unten im Tal haben. Es wäre sicher interessant zu hören ob die Einwohner von Vals oder Bivio lieber ein kleines (und deshalb wohl wirstschaftlich weniger sicheres) Skigebiet bleiben, oder sich lieber in ein Industrieskigebiet verändern möchten.
Übrigens war ich etwa 1980 oder so im Sommer in Laax und habe mich gefühlt wie in einem SF-Film: leere Hotelgrossbauten, überall Baustellen auf dem Berg, tote Wiesen. Für mich war das das erste Mal das ich verstand was "Industrieskigebiet" heisst.
Sollte ein Skiresort jetzt versprechen die Schlepper nicht mit Bubbles zu ersetzen, die Pisten nicht zu modellieren und keine Vollbeschneiung zu installieren, würden die "Industriegegner" dort dann hinfahren, auch wenn der Skipass dort das doppelte würde kosten?
Kris hat geschrieben:Werden Uhren, hochwertige optische Geräte u.dgl. nicht in "Manufakturen" hergestellt? Grosser Handarbeitsanteil, vergleichsweise kleine Serien -> Manufaktur...
Ja und nein. Es gibt bei Uhren Manufakturen, das sind jene Firmen, die eigene Kaliber verbauen (Lange beispielsweise), dann gibt es aber Firmen, die ihre Werke bei anderen Firmen (teilweise) zukaufen (IWC, Omega, etc...). Das sind keine Manufakturen - sie bauen teilweise nur das Gehäuse und kaufen beispielsweise bei ETA Valjoux die Werke zu. Ein Klassiker hier ist das Chronographen Kaliber 7750, was etwa bei Breitling, IWC, Mühle, Fortis, Omega, TAG Heuer, etc. zur Anwendung kommt. Hier sind entsprechende Stückzahlen nötig, um alle beliefern zu können - ein eindeutig industriell gefertigtes Werk.
Und auch bei optischen Objektiven verhält es sich so - eine gewisse Präzision ist nicht zu verleugnen, aber dennoch werden die Linsen in Maschinen geschliffen, an der nächsten Maschine vergütet, irgendwann mal eingebaut - man kann schon fast von einem Fließband sprechen.
Dachstein hat geschrieben:... Es gibt bei Uhren Manufakturen,..., die eigene Kaliber verbauen (Lange beispielsweise), dann gibt es aber Firmen, die ihre Werke bei anderen Firmen (teilweise) zukaufen (IWC, Omega, etc...). Das sind keine Manufakturen - sie bauen teilweise nur das Gehäuse und kaufen ... die Werke zu. ... Hier sind entsprechende Stückzahlen nötig, um alle beliefern zu können - ein eindeutig industriell gefertigtes Werk.
Und auch bei optischen Objektiven verhält es sich so - eine gewisse Präzision ist nicht zu verleugnen, aber dennoch werden die Linsen in Maschinen geschliffen, an der nächsten Maschine vergütet, irgendwann mal eingebaut - man kann schon fast von einem Fließband sprechen.
Wenn man es so sieht gibt es keine Manufakturen mehr. Denn irgendwann wird jeder Werkstoff oder jedes Teil in einem "industriellen Prozess" in großen Mengen hergestellt. Wird Manufaktur heute nicht oft gebraucht um zu signalisieren, dass das Produkt nur in kleiner Stückzahl hergestellt wird mit einem großen Handarbeitsanteil?!
Nach deiner Interpretation wäre es eine Manufaktur, wenn ich jetzt in den Wald gehe, mit meiner selbstgebauten Steinaxt einen Baum fälle und mir daraus Holzbretter mache und diese dann als Ski für mich benutze. Selbst gegerbte Lederriemen von meiner Kuh, die ich als Fleischvorrat habe, nehme ich dann als Bindung.
Auch eine Manufaktur ist eine Industrie. In der Uhrenindustrie ist die Unterscheidung jedenfalls so. Bei Lange als Uhrenmanufaktur ist übrigens ein extrem hoher Anteil an Handarbeit dabei (wenn man sich Modelle wie die Double Split oder den Datographen anschaut, versteht man es)...
Ich halte den Begriff "Industrieschigebiet" für eine nette Umschreibung, aber für sachlich falsch. Massenskigebiet wäre hier passender, zumal Skifahren als Sport an sich nichts mit Industrie zu tun hat, sondern eher mit Masse.
Beispiel Kaltenbach - hier hatte ich ja schon mal selber von einem Industrieskigebiet gesprochen - eigentlich wäre Massenskigebiet richtig - die Versammlung fand schon auf der Straße statt, dann ging es kollektiv ins Parkhaus, weiter über einen Parkplatz der jede Shoppingcity nahezu erblassen lässt um dann in einem Seilbahneinstiegsbereich anzukommen, der eher einem Sperrgeschoss in einer U Bahnstation entspricht...
Es stellt sich aber auch die Frage - kann Masse auch klasse sein? Ja sie kann.In Saalbach gibt es Pisten, wo man, auch wenn man 10 Minuten wartet, alleine runterfährt und auch in SFL gibt es genug Pistenfläche abseits der Massen am Komperdell und auf der Möseralm...
Es stellt sich aber auch die Frage - kann Masse auch klasse sein? Ja sie kann.In Saalbach gibt es Pisten, wo man, auch wenn man 10 Minuten wartet, alleine runterfährt und auch in SFL gibt es genug Pistenfläche abseits der Massen am Komperdell und auf der Möseralm...
Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Gerade in Großraumgebieten gibt es ruhigere Ecken, da die große Masse der Skifahrer halbwegs eingeschränkte Aktionsradien hat (meine These) und häufig auch das Verhältnis Pistenfläche zu Beförderungskapazitäten stimmt (das man objektiv nur schwer berechnen kann, da es meistens keine fundierten Pistenflächendaten gibt, die Liftkapazitäten kann man da einfacher "per Hand" berechnen).
Nur: Crowding-Erscheinungen müssen weder ein notwendiges noch ein hinreichendes Kriterium für ein "Industrie-Skigebiet" sein, oder? Außer man zieht Crowding-Effekte (typischerweise dann eher volle Pisten/Parkplätze als lange Liftschlangen) als Definitionsmerkmal für Industrieskiegbeite heran.
Denke man kann es ganz einfach darunter zusammenfassen, dass damit Gebiete gemeint sind, indenen der Ski- oder Bergtourismus die anderen Wirtschaftszweige, die vorher vorhanden waren fast oder vollständig verdrängt haben.
Was für die Gäste mit Sicherheit nicht das schlechteste ist wie oben bei Emilius im Post beispielsweise zu sehen. Ich mag das auch.
Für die Wirtschaftsstruktur der Orte ist es ehe fragwürdig, aber solange die alle ihr Geld damit verdienen wird sich die Ausrichtung auchnet ändern, was ja gut fast optimal für den Nutzer ist.
Wer das net mag fährt haltin ein anderes "verschlafenes" naturbelassenes Gebiet. Gibt es ja auch nur net so im Fokus der Öffentlichkeit.
Dachstein hat geschrieben:
Es stellt sich aber auch die Frage - kann Masse auch klasse sein? Ja sie kann.In Saalbach gibt es Pisten, wo man, auch wenn man 10 Minuten wartet, alleine runterfährt und auch in SFL gibt es genug Pistenfläche abseits der Massen am Komperdell und auf der Möseralm...
MFG Dachstein
Also irgendwie habe ich das Gefühl du kennst die Orte nicht zur Hochsaison!
Oscar hat es wohl am besten formuliert!
Oscar hat geschrieben:Denke man kann es ganz einfach darunter zusammenfassen, dass damit Gebiete gemeint sind, indenen der Ski- oder Bergtourismus die anderen Wirtschaftszweige, die vorher vorhanden waren fast oder vollständig verdrängt haben.
Auch ist die Frage berechtigt wo das Problem ist. Es steht doch jedem frei dorthin zu fahren wo es ihm gefällt. Es wird doch niemand zu einer Ausfahrt nach X gezwungen.
Stellt euch mal vor die ganzen Hochzillertalfahrer wären jetzt in eurem Lieblingsgebiet unterwegs. Das wäre doch grausam.
Von daher finde ich es sogar gut das es solche Massengebiete gibt die mit Parkhäusern und Doppel EUBs glänzen. Und die zu allem Überfluß auch noch prämiert werden.
mic hat geschrieben:Auch ist die Frage berechtigt wo das Problem ist.
Das Problem liegt zum Beispiel darin, dass die Merkmale, die hier unter dem Begriff "Industrieskigebiet" zusammengefasst wurden, sich immer weiter verbreiten und immer groteskere Formen annehmen. Andererseits werden jedes Jahr diverse Lifte abgebaut und Gebiete stillgelegt, die als Alternativen in Frage kämen. Die besagten "ruhigen Ecken" werden jedes Jahr weniger. Beispiele dafür gibt es genug, man kann viel darüber lesen hier und anderswo. Und ich denke, es ist legitim sich darüber Gedanken zu machen wenn jedes Jahr ein Lift, eine Abfahrt oder sogar gleich ein ganzes Skigebiet verschwindet, das man entweder sehr mochte oder unbedingt irgendwann hinfahren wollte.
"Seilbahnen sind komplexe technische Systeme. Sie sind Werke innovativen vielschichtigen Schaffens und bilden ein spannungsvolles Zusammenspiel technischer und wirtschaftlicher, politischer, sozio-kultureller und landschaftlicher Faktoren." (Schweizerisches Bundesamt für Kultur)
mic hat geschrieben:
Also irgendwie habe ich das Gefühl du kennst die Orte nicht zur Hochsaison!
Doch, kenne ich, und ich kenne die Planseggbahn auch mit 15 Minuten Wartezeit. Auch an der Almbahn bin ich schon meine 10 Minuten gestanden, nur die Adlerpiste war eben immer noch leer. Auch die Steilhänge an der Pezidbahn sind, wenn es Wartezeiten unten gibt, meist leer, weil 90% von den Fahrgästen ins Masner zieht. Oder so mancher Hang am Sattelkopf - die Bahn voll, die Pisten runter leer - Verbindung nach Serfaus.
Auch in Saalbach gibt's an der Schönleitenbahn solche Hänge - die Bahn wird als Verbinder in der Runde genutzt, die Abfahren sind, trotz Wartezeiten von 10 Minuten leer. Man muss sich eben nur auskennen, dann kommt man auch im Massenskigebiet gut weg.
Das Verhalten der Skifahrer ist meist immer eines - ich will alles an einem Tag sehen, daher fahre ich die Runde, und verpasse sehr schönen Pisten. Das ist das, was man sich auch in den großen Skigebieten zu Nutze machen kann - vorausgesetzt, man kennt sich auch aus.
Also die Schönleitenhänge dürften jedem Saalbachfahrer bekannt sein. Aber was soll ich erst oben 10 Min. warten, dann unten an der Bahn mit Busterminal wieder lange 15 Min. anstehen? Was hat das den mit auskennen zu tun. Schönreden nennt man das!
Am Pezid ists ned anders!!
Fahr halt mal in zwei Wochen hin. Dann "weisse Bescheid".
Dachstein hat geschrieben:
Das Verhalten der Skifahrer ist meist immer eines - ich will alles an einem Tag sehen, daher fahre ich die Runde, und verpasse sehr schönen Pisten. Das ist das, was man sich auch in den großen Skigebieten zu Nutze machen kann - vorausgesetzt, man kennt sich auch aus.
MFG Dachstein
Typisch ist auch: Alle wollen sofort zum höchsten Punkt des Skigebietes, auf den berühmten Gipfel. Wenn man sich den für später aufhebt und erstmal in den "unteren Regionen" bleibt, erspart man sich auch oft viel Stress.
mic hat geschrieben:Also die Schönleitenhänge dürften jedem Saalbachfahrer bekannt sein.
Nur fahren tun es eben vergleichsweise wenige, weil alle die Runde gurken. Daher hast du verglichen mit dem, was anderswo fährt, hier freie Bahn. Gleiches gilt für den Magic 6er...
Aber was soll ich erst oben 10 Min. warten, dann unten an der Bahn wieder lange 15 Min. anstehen?
An der Pezid habe ich jedenfalls noch nie oben gewartet, sondern immer unten. Und Warten ist für mich noch lange nicht so arg, wenn ich auf den entsprechenden Pisten freie Fahrt habe. Bei 71 Skitagen die Saison fallen zwangsweise auch einige in dieses Zeitintervall, was sich Hochsaison nennt.
Oscar hat geschrieben:Denke man kann es ganz einfach darunter zusammenfassen, dass damit Gebiete gemeint sind, indenen der Ski- oder Bergtourismus die anderen Wirtschaftszweige, die vorher vorhanden waren fast oder vollständig verdrängt haben.
Ich glaube nicht, dass dieser Fall oft vorkam bzw. vorkommt.
Die Mehrzahl der Gebiete dürfte vor dem Einzug des Torismus weitestgehend "arme", landwirtschaftliche Regionen gewesen sein. Die Landwirtschaft wurde aber weniger vom Tourismus verdrängt, sondern eher von der landwirschaftsindustriellen Konkurrenz, die in den Bergen oft nicht möglich ist. Der restliche Teil der Berglandwirtschaft ist noch vorhanden.
Und die Orte, die vor dem Wintertourismus, also hauptsächlich im Sommer wirklich viel Geld umgesetzt haben, sind ja die Ausnahme. Weiter sind diese Wirtschaftszweige grundsätzlich noch vorhanden, wurden also auch nicht wirklich verdrängt.
Es gibt sicher Ausnahmen, nur ist meines Erachtens die Wintersportindustrie mit ihren zu "Industrieskigebieten" evolutionierten Gebieten vielerorts die erste wirkliche Industrie, an der quasi alle anderen mit ihr entstandenen und mitgewachsenen Wirtschaftszweige mehr oder weniger hängen.
Klar, dass die ortsansässige Bevölkerung in der Regel davon auch zukünftig und in steigendem Maße ihr Auskommen mitverdienen will. Ohne den Tourismus gibt es, besonders wenn nicht viel subventioniert wird, irgendwann oft sogar Bevölkerungsabwanderung, Leerstand und Verfall. Eine Balance zwischen sanftem Torismus und Skigebietsindustrie scheint man nicht zu sehen - es muss stets weiter ausgebaut werden - ohne Ende. Wachstum scheint auch hier für unabdingbar gehalten zu werden.
Es scheint auch im Gebirge wie in unserem Wirtschftssystem zu laufen, dass sich das Kapital und der Verdienst im Laufe der Zeit immer mehr auf einzelne Bevölkerungsgruppen oder im Gebirge eben (dank Ausbau einerseits und Stilllegung andererseits) auf bestimmte Regionen konzentriert. Demzufolge hat sich ein regelrechtes "Wettrüsten" entwickelt. Daraus entsteht eine Spirale, die jeder irgendwie mitmachen will - ein von der Legislative aus volkswirtschaftlichen Gründen gern gesehener und geförderter Selbstläufer.
Nur setzt sich mittlerweile offenbar immer mehr die Erkenntnis durch, dass es langsam reicht. Viele wollen nicht immer mehr Eingriffe in Flächen, Energieverbrauch, Verkehrsachsen, Lärmquellen etc.. Das Volk wählt auf einmal eine zunehmend Grüne Legislative und es wird teilweise etwas schwieriger, fortwährend weiter auszubauen.
Oscar hat geschrieben:Denke man kann es ganz einfach darunter zusammenfassen, dass damit Gebiete gemeint sind, indenen der Ski- oder Bergtourismus die anderen Wirtschaftszweige, die vorher vorhanden waren fast oder vollständig verdrängt haben.
Ich finde die Definition sehr gut, da dies ja während der Industrialisierung ähnlich war. Die vorherrschende Form Landwirtschaft wurde durch die Industrie verdrängt. Alpentourismus gibt es in vielen Gebieten ja schon länger, allerdings nicht in der auf Masse spezialisierten Form.
Ohne modernen Massen(winter)tourismus (Industrie) wären viele Alpenorte sehr klein (geblieben) oder völlig verwaist.
Beispiel: franz. Alpen waren Mitte des letzten Jahrhunderts bereits großflächig entsiedelt. Die wurden quasi neu besiedelt.
Aktuell entsiedeln sich die ital. Südalpen.
Saas-Fee war im 2. Weltkrieg eine Maiensäss. (siehe Carl Zuckmayers "Als wär`s ein Stück von mir")
Z: ein paar hundert Seelen (Landwirtschaft, Säumerei)
Da ich mir auch noch mal ein paar Gedanken gemacht hab: Für mich geht der "Industrialisierungsgrad" 1:1 in Hand mit der Beschneiung. Je mehr Pisten und je schneller diese beschneibar sind, desto höher der "Industrialisierungsgrad" dieses Skigebiets. In gewissem Maße ist die Beschneiung an allem Schuld: Durch die Beschneiung werden die Abfahrten modelliert, durch die Beschneiung werden Skigebiete schneesicherer und mehr Gäste kommen, wodurch wiederum kapazitätsstärkere Lifte gebaut werden müssen.
starli hat geschrieben:... In gewissem Maße ist die Beschneiung an allem Schuld: Durch die Beschneiung werden die Abfahrten modelliert, durch die Beschneiung werden Skigebiete schneesicherer und mehr Gäste kommen, wodurch wiederum kapazitätsstärkere Lifte gebaut werden müssen....[/url]
So ähnlich sieht es aus, wobei man auch die Wechselwirkung zwischen Kapazitätssteigerung inclusive der entsprechend hohen Investitionen sowie Frequenzen und deshalb quasi zwingender Schneesicherheit bzw. Pistenverschleißwiderstandsfähigkeit durch Beschneiung bzw. Vereisung nicht außer Acht lassen sollte. Kris' Kausalkette eben.
Manchmal reicht es auch, einfach die PB stehen zu lassen und so die Kette zu unterbrechen - so kommt für mich trotz Pistenbau und Beschneiung immer noch kein Industrieskigebietscharakter heraus (siehe Diavolezza) Dort ist dank Pendelbahnbeschäftigungsanlage auch der Kunstschnee nicht so vereist.
Beides in Einem kann man fast schon Lehrbuchmäßig gut in Madesimo erleben. Groppera/Valle Di Lei v/s den Rest. Nach einigen Stunden Valle Di Li die Canalone fahren betritt man bei der Einfahrt in das restliche Gebiet eine komplett andere Welt.
3303 hat geschrieben:[...]Beides in Einem kann man fast schon Lehrbuchmäßig gut in Madesimo erleben. Groppera/Valle Di Lei v/s den Rest. Nach einigen Stunden Valle Di Li die Canalone fahren betritt man bei der Einfahrt in das restliche Gebiet eine komplett andere Welt.
Interessanter Aspekt, der hier bislang nicht zu Sprache kam: Die Wahrnehmung an den "Wechselstellen" zwischen einem Gropperastyle und dem Industriestyle. Madesimo ist hierzu ja wirklich ein krasses Beispiel, da es Dank Pendelbahn bestes Freilandfeeling offeriert, aber gleichzeitig ein vollindustrialisierte Hauptgebiete besitzt, das selbst einen ötztaler Seilbahner vor Neid erblassen lässt...
Bin ja hier leider kein Weichwolle-Skigast den sich der Tourimusmanager wünscht.
Mir geht es an den Schnittstellen so, dass bisweilen die Freude nach dem Pulvererlebnis so präsent ist, dass das Industrialisieerte in keiner Weise störend wirkt. Weil ich es garnicht wahrnehme, sondern einfach nur im Fortsetzungsflow des Erlebten da durch fahre.
Eine Art unabeabsichtigter Scheuklappenmodus, aber eben nicht einschnürend im Gefühl. Weil man ja im nach dem Eintauchen ins Industriegebiet plötzlich kaum mehr freie Sinne benötigt. In einer steilen Rinne, abseits im Pulver, oder aber auch auf langen ursprünglichen "Freilandpisten" (ich nenne das jetzt mal so), werden ja zahlreiche Sinne und unbewusste Seiensmodi aktiviert, über die wir alle dankenswerterweise in unzähligen Varianten verfühen. Für das Spielerische, für die Vorsicht, für das Unvorhergesehene...
Gelangt man sodann plötzlich wieder auf eine Industrieskipiste, fällt das alles weg. Bin ich nun gut gelaunt, stört da nix. Anderseits ist freilich die Wertschätzung für diese gut bevölkerten Plastikwelten gleich Null, sobald das Gehirn sich wieder meldet
Erst recht wenn typische nervige Muster auftreten wie Crowding, Eisplatten an denen Massen irgendwie gleichsam gestresst vorbeirutschen und meine Nichtpistenski sowieso nicht greifen, usw....
Auch Strange wirken auf einmal die vielen ernsten Skihelme an den Trauben vor den KSB's: Warum tragen die freudigen Menschen bloss alle Helme, schnaut euch doch mal um, ihr seits ja eh' volle rundumgesichert, mehr geht doch garnicht...
Kurzum, die Wahrnehmung von Schönheiten und Absurditäten verfeinern oder verstärken sich wie das halt generell nach krassen Kontextwechseln im "Erfahren" üblich ist. Womit diese ja an und für sich gesund und erstrebenswert wären...wäre da nicht der manipulative Zeitgeist mit seinen zahlreichen Akteuren und Kanälen. Auch ich höre ja schon auf
Leider ist die Grppera PB ja irgendwie in so einem "wir geben Dir liebe Bahn noch ein Gnadenjahr, und noch eines...aber eigentlich musst Du weg, damit wir endlich das Potential des Berges valorisieren können. Denn stell Dir vor es kommt ein Ötztaler Seilbahner und sieht Dich oder Deine wertlosen Abfahrten
Zuletzt geändert von Kris am 11.12.2011 - 12:15, insgesamt 1-mal geändert.
Ein weiteres Kennzeichen von Industrieskigebieten sind die Aspekte, die hier, aber v.a. im SF-Forum seit längerem unter dem Stichwort "Banalisierung" zusammengefasst werden: da im Sinne einer möglichst effizienten Valorisierung eines Skiberges (siehe Kris' Beitrag zuvor am Bsp. Groppera) bzw. der an ihm verbauten Fixkosten im Sinne von komfortablen Aufstiegshilfen im Idealfall alle skifahrenden Gäste einer Destination hinunterfahren sollen, werden die Abfahrten mit teilweise großem Aufwand und Geländeingriffen massentauglicher gemacht, was häufig einhergeht mit der Installation von Beschneiungsanlagen. Diese Massentauglichkeitsmachung äußert sich häufig in quer zu steilen Hängen verlaufenden Ziehwegen oder gar S-Kurven (Abfahrt "Beca" in Les Menuires). Musterbeispiele finden sich in Val Thorens am Funitel Grand Fond für die Verbindung Orelle/Maurienne-Val Thorens.
Ein weiterer Unterpunkt der Banalisierung ist das Aufgeben exponierter Gipfellifte oder schwierigerer oberer Teilstücke, die gerade aber die spezielle Faszination dieser Bereiche ausgemacht haben (Trincerone hat dazu in früheren Jahren sehr viel geschrieben und Beispiele gesammelt). Die neueren deutlich kapazitätsstärkeren Anlagen enden weiter unten, weil es dort windsicherer ist, weil von dort auch alle Gäste (s.o.) starten können etc. Das führt aber dazu, das viele besonders aussichtsreiche Bereiche (Kammlagen, Pässe, Gipfelbereiche) nicht mehr mit Liften zugänglich sind.
Beispiele: 6-KSB Beca in Les Menuires, die Starthänge der SLte Combes fielen ersatzlos weg. Oder DSB Schermerspitze vs. 8-EUB Schermer in Hochgurgl. Oder die Amputation der 3-SB Col de Ves in Tignes. Dazu gehört auch, dass in der Via Lattea die Gipfellifte am Sises und Monte Banchetta nur mehr am Wochenende in Betrieb sind.
Ein Gegenbeispiele wäre Val d´Isère, wo man den obersten Teil des "Signal de l´Iséran"-SLtes als SL hat stehen lassen, oder Serfaus, wo die neue Masnerkopfbahn entgegen diesem Trend einen bisher unerschlossenen Gipfel miteinbezieht.
Selbiges gilt für unwichtige Nebenanlagen, die vielleicht nicht immer geöffnet werden können (Schneelage, Lawinengefahr, keine Beschneiung rentabel...) und für die breite Masse nicht relevant waren/sind wegen Abgelegenheit, zu großer Schwierigkeit etc. Sie werden auch in Großraumskigebieten gerne aufgelassen (SL 3000 zum Tunnel in Val d´Isère), oder nicht mehr ersetzt und Pisten gehen dadurch verloren (z.B. schwarze Abfahrt "Étélé" in Les Menuires; SL Choumes samt Abfahrten im gleichen Ort).
Folge ist: das Skifahren im derart "verstümmelten" Industrieskigebiet wird weniger interessant, weniger spektakulär, weniger spannend/selektiv (komme ich sturzfrei den Starthang hinunter...?) aber immer austauschbarer, was auch an der u.a. durch die Konzentrationsprozesse auf dem Herstellermarkt bedingten Uniformisierung der baulichen Kulturlandschaftselemente (Liftstationen im UNI-G-Standard-Design, Lanzenwälder, gelbe Schneekanonen, Fangnetze...) liegt. In dieser Hinsicht kann man sicherlich von "Industrialisierung" durch Standardisierung sprechen.
Die Gründe für die Entwicklung ist die allgemeine Intensivierung des Skisports: neuere teurere Anlagen müssen sich eher rentieren als abgeschriebene, wenig kapitalintensive SLte. Anlagen, die zu wenig Frequenzen aufweisen, werden als Kostenersparnis (Personal!) aufgelassen, ihre Abfahrten werden auf die massentauglichen Bereiche beschränkt, die für Könner spannenden Bereiche fallen weg.
P.S. Mir fällt gerade auf, dass viele meiner Beispiele aus Frankreich stammen: d.h. auch dort finden diese Prozesse in großem Umfang statt, da die Berichte hier dünner gesäht sind, fällt uns das nur vielleicht nicht so sehr auf. Wenn man sich aber die Baubilder dieses Sommers in den einschlägigen Foren ansieht, dann wird gerade dort (La Plagne...) mal wieder ordentlich planiert, begradigt, begrünt, was das Zeug hält.
Also mir ist es eigtl. ziemlich Wurst ob ich ein kleines, gemütliches Gebiet anfahre und es ggf. mit ein oder zwei weiteren Kombiniere, oder ein Großgebiet mit Modernen Anlagen. Ich fahr überall hin, wo ich grad Lust hab. Mir ists egal ob ich 12km Piste in einem Kleingebiet hab und das ggf. bei mehreren Kleingebieten in der Gegend mit ein oder zwei anderen kombiniere, oder ob ich eine Runde in Ischgl-Samnaun, SFL oder irgendwo im Zillertal in den Großgebieten mach.
Mein Lieblingsgebiet bzw. eher sogar Verbund ist ja das Dolomiti Superski und das fällt mehr oder weniger unter "Industrieschigebiet", da ich dort mittlerweile immer möglichst im Jänner eine Schiwoche dort einlege und ich werd sicher noch einige Gröden-Aufenthalte brauchen, um mal alles zu sehen. Bisher war ich eher um die Ronda rum oder etwas abseits davon unterwegs. Oder unterm Rosengarten (Carezza-Schigebiet)
Benjamin Franklin: “Those who would give up essential liberty to purchase a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.” Nach Stäntn und miki.
Winter 2020/21: 6 Tage Alpin, 6x Wandern 3x Nordisch Sommer 2021 18x Wandern Winter 2021/22 12 Tage
Bei aller hier bisher geäußerten Kritik an den französischen Stationen:
Was tut der Bergnatur und vor allem der Tierwelt mehr weh: Hochhäuser oder lautes Aprés-Gedudel aus über 10 Ballermannbuden an der Talstation bis in den späten Abend hinein?
Vielleicht sollte man neudeutsch eher von nachhaltigen Skistationen als von Industrieskigebieten sprechen, da würde aber Kaltenbach/Hochzillertal mit seinem Ballermann-Megaparkplatz und der Überkapazität der Lifte am Berg, so dass man keine 4 vernünftigen Schwünge auf der Piste aneinandersetzen kann der Pole ziemlich fern sein. Ihr habt aber sicher recht, mit Ski amadé-Gebieten, Sölden, Ischgl, etc. gibt sich das dort auch nicht viel.
Ehrlich sei hier auch zugegeben, dass mir in Frankreich sowohl diese elendig lauten "Day-Discos" an den Bergstationen als auch die Laserwerbung nachts an den Berghängen recht übel aufgestoßen haben.
Gerade in der Schweiz hat man hingegen z. T. den Eindruck, dass der Mensch als vermeintliche Krone der Schöpfung auch anderen tierischen Lebensformen noch etwas Raum in Form von Schutzzonen lässt.